Transformation – wie werden unsere Innenstädte lebenswerter?

Haben Sie sich schon mal gefragt, warum einige Gegenden in Ihrer Stadt immer angesagter werden, obwohl ihr Ruf früher nicht gut war? Und warum andere Stadtviertel immer mehr in den Winterschlaf fallen, obwohl die wirtschaftliche Situation eigentlich nicht schlechter wird? Diese Fragen sind inzwischen innerhalb der Immobilienwirtschaft Teil komplexer Analysen und ganzer Studien. Schließlich liefern sie wichtige Erkenntnisse, wie wir zukünftig lebenswertere Innenstädte und Quartiere für uns alle gestalten können. Zusammengefasst sind vor allem die folgenden Punkte wichtig.

Erstens: Die 15-Minuten-Stadt – Kilometer müssen effektiv eingespart werden

Zunächst einmal muss eine gute Basis für eine lebenswerte Innenstadt geschaffen werden – und das in Form einer modernen und gut funktionierenden Infrastruktur. Im Hinblick auf die Transportmittel heißt das: je vielseitiger, desto besser. Denn die einseitige Fokussierung, beispielsweise auf das Auto, bringt in vielerlei Hinsicht Nachteile.

In zahlreichen (Auto-) Städten sind mehrspurige Verkehrsadern, lange Arbeitswege und Staus im Berufsverkehr nervenaufreibender Alltag für viele Pendler und Bewohner. Ein Großteil unserer Innenstädte ist schlichtweg nicht für Fußgänger oder Radfahrer ausgelegt – nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Im Gegenteil: Große und dauerbefahrene Verkehrsachsen machen es teilweise sogar unmöglich, sich als Fußgänger durch die Innenstadt zu bewegen. Das ist auch mit Blick auf die Klimaziele problematisch. Denn es gilt: Jeder nicht gefahrene Kilometer ist der beste Beitrag zum Klimaschutz.

So rückt der Gedanke einer 15-Minuten-Stadt, in der sich Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Freizeit in fußläufiger Entfernung befinden, immer mehr in den Fokus.

 Zweitens: Quartiersnutzung – es kommt auf die richtige Mischung an

 Wie effektiv und intensiv jeder Quadratmeter in einem Quartier genutzt werden kann, definiert sich vor allem durch den Flächenmix. Zwar sind die Kombinationsmöglichkeiten beinahe unendlich, doch die Komplexität und der Aufwand, die für den jeweiligen Standort passende Mischung an Funktionen zu ermitteln, steigen stetig.

Die Frage nach dem richtigen Mix richtet sich dabei nicht nur nach den geeigneten Nutzungen – das heißt: Wie viel Fläche sollte für Wohnen, Gewerbe, Einzelhandel oder Freizeitaktivitäten bereitgehalten werden? Sondern die Frage geht vor allem im Bereich Wohnen noch eine Ebene tiefer und bezieht sich darauf, in welchem Umfang die Nutzergruppen – also Senioren, junge Familien, Studenten oder auch generationsübergreifend – angesprochen werden sollen.

Das Gleiche gilt beispielsweise für den Einzelhandel. Dort sollten heterogene Einzelhandelskonzepte erstellt werden, welche sowohl große Handelsketten als auch lokale Kleinunternehmer berücksichtigen. Das Ziel dabei ist, ein möglichst multidimensionales Angebot zu realisieren, welches für alle Generationen und für Menschen unterschiedlichster sozialer Hintergründe attraktiv ist.

Die sinnvolle Kombination dieser Flächen sorgt wiederum dafür, dass die einzelnen Bereiche möglichst häufig in Nutzung sind – anders beispielsweise als in der reinen Bürostadt, die an Samstagen und Sonntagen wie ausgestorben ist.

 Drittens: Quartiere müssen Charakter entwickeln – nur so werden Nutzer langfristig bleiben

 Der richtige Nutzungsmix sollte zudem von einer offenen Architektur und nutzerorientierten Struktur unterstützt werden. Denn nur wenn sich Nutzer in ihrer Umgebung wohlfühlen, werden sie das Quartier langfristig beleben und bleiben. Die Identifikationsbildung ist somit enorm wichtig, um Akzeptanz zu schaffen. Eine große Rolle dabei spielt neben der Struktur und dem Design eine hohe Aufenthaltsqualität durch gut angelegte Gemeinschaftsflächen. Streng genommen handelt es sich hierbei um zwei verschiedene Aspekte. Doch die Kategorien „Identität“ und „Built Environment“ sind unmittelbar miteinander verbunden, denn durch die bauliche Umwelt entsteht letztlich das Zugehörigkeitsgefühl der Menschen und die Einzigartigkeit der Atmosphäre, die den Charakter eines Quartiers definiert.

 Viertens: Das Zusammenspiel aller beteiligten Akteure ist gefragt

Für die richtige Mischung der genannten Aspekte gibt es indes keine „One size fits all“-Lösung“. Es gilt, die individuellen Nutzergruppen genaustens zu betrachten und deren Interessen zu berücksichtigen.

Die Zielgruppen sollten somit schon in der Planung eine zentrale Rolle einnehmen – verschiedenste moderne Beteiligungsverfahren in der Bauphase können dabei von Vorteil sein, beispielsweise in Form einer Community-App. Nur so kann die soziale Interaktion innerhalb des fertigen Quartiers gesichert werden – denn letztendlich gilt: Nur die Nutzer können ein Quartier lebendig machen.

Doch alle Konzepte und herausgearbeiteten Qualitätsmerkmale der Welt bringen nichts, wenn es in der späteren Umsetzung hakt. Denn die Transformation unserer Innenstädte kann nur funktionieren, wenn alle Stakeholder miteinander kooperieren – und damit sind eindeutig nicht nur Projektentwickler, Investoren und Mieter gemeint, sondern auch Kommunen sowie nicht zuletzt die Öffentlichkeit. Alleingänge und vereinzelte Konzeptplanungen sind fehl am Platz.

 Um ein lebendiges Quartier zu errichten, ist viel mehr als Expertise auf der baulichen Ebene gefragt. Es geht auch um die für den Standort passende Funktions- und Flächenkonstellation. Gleichzeitig gilt es, die richtigen Nutzungen miteinander zu kombinieren und sich darüber hinaus den herausfordernden Nutzungen wie Industrie und Logistik zu widmen. Denn die immer wichtiger werdende Assetklasse Logistik profitiert ebenso von kurzen innerstädtischen Wegen – lange Anfahrtswege machen sich schließlich insbesondere im Logistikbereich auf dem Emissionskonto bemerkbar.

Innovative Konzepte zu erstellen und neue Wege zu gehen, erfordert Mut von allen Beteiligten. Es ist Weitsicht gefragt – der richtige Nutzungsmix zur Maximierung der Lebens- und Arbeitsqualität in den Innenstädten sollte immer vor eine kurzfristig maximierte Rendite gestellt werden.

Gehen wir es also an!