„Thermische Speicher sind in der Industrie vielseitig anwendbar“

Im Interview erläutert Christian Thiel, CEO des norwegischen Unternehmens ENERGYNEST, wie thermische Speicherlösungen bei der Dekarbonisierung der Industrie helfen können.

INTERVIEWER: Herr Thiel, Ihr Unternehmen ENERGYNEST bietet thermische Speicher an, die bei der Dekarbonisierung energieintensiver Produktionen in verschiedenen Branchen helfen können. Erläutern Sie doch bitte kurz die Funktionsweise Ihrer Speicherlösung.

CHRISTIAN THIEL: Sehr gerne. Unser Produkt, die ThermalBatteryTM kann beispielsweise als Speicher für Abwärme oder Dampf fungieren. Diese können tagsüber im regulären Betrieb eingespeist werden und zu einem späteren Zeitpunkt – vor allem in der Nacht – verbraucht werden. Einerseits werden damit Wärme und Dampf, die andernfalls verloren gegangen wären, konserviert und andererseits müssen Industrieunternehmen für die Produktion von Dampf und Wärme in der Nacht nicht auf fossile Energieträger zurückgreifen, was den CO2-Fußabdruck der Unternehmen erheblich reduzieren kann.

Die Speicher selbst bestehen aus einem Spezialbeton und Karbonstahl. Uns war es wichtig, auf Material zu setzen, das günstig und in Europa frei verfügbar ist. Für den Beton setzen wir auf eine Zusammenarbeit mit Heidelberg Cement.

INTERVIEWER: Ihr Thermalspeicher scheint vielseitig einsetzbar, können Sie vielleicht kurz ein paar Anwendungsfälle erläutern?

THIEL: Das ist richtig, thermische Speicher sind in der Industrie vielseitig anwendbar. Sie kann zum Beispiel für die industrielle Wärmerückgewinnung genutzt werden, indem Industriedampf wieder zu Strom, Prozessdampf und/oder Wärme umgewandelt wird. Zudem können wir erneuerbare Kraftwerke insgesamt flexibler machen und gespeicherte Energie erzeugungsunabhängig wieder abgeben. Unsere thermischen Speicher sind modular erweiterbar und arbeiten bei Temperaturen bis zu 400 Grad Celsius, perfekt also für industrielle Prozesswärme und Dampfkreisläufe. Die Thermalspeicher ermöglichen signifikante Steigerungen der Energieeffizienz sowie einen wesentlichen Effekt in der CO2-Vermeidung.

Aus unserer Sicht ist und bleibt der Industriesektor eines der attraktivsten Marktsegmente. Dazu gehören energieintensive Betriebe wie Papierfabriken, Chemieparks, Glasproduzenten, Bierbrauereien, Aluminiumhersteller und viele weitere.

INTERVIEWER: Könnten die Funktionsweise vielleicht anhand von Beispielen konkretisieren?

THIEL: Natürlich. Lassen Sie mich dazu zwei Beispiele nennen. In einem Projekt mit dem norwegischen Unternehmen Yara, einem der größten Düngemittelhersteller weltweit, helfen wir dabei die lokale Dampfproduktion auszugleichen und können so die Menge des abgelassenen Überschussdampfes reduzieren. Wir speichern dort die nicht bedarfsgerecht erzeugte thermische Energie und speichern anschließend bei kurzen zyklischen Bedarfsspitzen wieder Dampf aus. Das System steigert damit die Energieeffizienz und bietet Flexibilität. Dasselbe Prinzip lässt sich auch auf Prozesswärme anwenden.

Ein weiteres Beispiel findet sich in Belgien bei Avery Dennison, einem Hersteller von Klebematerialien. Avery Dennison befindet sich momentan im Dekarbonisierungsprozess und wird zukünftig auf konzentrierte Solarthermie (CST) statt auf Erdgas setzen. Die CST-Anlage nutzt Sonnenenergie, um einen Teil der Trocknungsöfen in der Produktion zu betreiben, die im Beschichtungsprozess der am Standort hergestellten Haftklebstoffprodukte eingesetzt werden. Wir können die nicht bedarfsgerecht erzeugte erneuerbare Energie in unseren Wärmespeicher einspeisen und bei Bedarf dann auch in der Nacht abgegeben. Die Anlage wurde kürzlich eingeweiht.

Das sind nur zwei aktuelle Anwendungsfälle, unsere thermischen Speicher sind sehr flexibel und kommt grundsätzlich für eine Vielzahl industrieller Prozesse in Frage. Grundsätzlich passen wir uns den Voraussetzungen und Bedarfen vor Ort an und integrieren uns voll in die bestehenden Prozesse.

INTERVIEWER: Wie steht es um die Wirtschaftlichkeit einer solchen Anlage? Mit welchen Kosten – und vor allem auch Einsparungen – können Ihre industriellen Kunden rechnen?

THIEL: Es war immer unser Ziel, unseren Kunden eine kostengünstige Lösung an die Hand zu geben, mit der sie die Dekarbonisierung ihres Geschäfts vorantreiben können. Unter anderem haben wir deswegen bei der Konzeption unseres Wärmespeichers auf bewegliche Teile verzichtet. Damit ist dieser relativ wartungsarm und senkt die damit verbundenen variablen Kosten. Je nach Anwendung kann sich unsere thermische Speicherlösung nach zwei bis sieben Jahren amortisieren. Mit unseren Lösungen können wir schon jetzt einen betriebswirtschaftlichen Mehrwert liefern.

INTERVIEWER: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Thiel!

THIEL: Ich danke Ihnen!