Störungen der Lieferketten: unberechenbarer Faktor für Immobilien- und Projektentwickler

Die Marktentwicklungen der letzten Jahre haben zu Turbulenzen in der Wirtschaft und den Finanzmärkten geführt: Durch die Covid-19-Pandemie, und den seit Februar 2022 andauernde Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sind seit Jahrzenten nie dagewesene Störungen der globalen Lieferketten eingetreten. In der Folge sind die Preise für Baustoffe teils astronomisch angestiegen. Durch die derzeitige Energiekrise spitzt sich die Lage bei den Baustoffpreisen, nachdem sich diese im Vergleich zu den Vorjahren – auf einem hohen Niveau – stabilisiert haben, für energieintensive Baustoffe wieder zu.

Diese Widrigkeiten haben auch vor der Bau- und Immobilienbranche keinen Halt gemacht. Im Gegenteil, gerade diese beiden Branchen sind erheblich betroffen: Knappe Versorgungsmärkte und instabile Preise führen zu Intransparenz, Planungsunsicherheit und erhöhten Bau- und Projektkosten. Verschärft wird diese Lage, durch die astronomisch angestiegene Inflationsrate (im September 2022 ist diese auf einen Wert von 10 % im Vergleich zum Vorjahresmonat angestiegen) und die Reaktion der EZB hierauf, die Leitzinsen erstmals seit elf Jahren zu erhöhen. Dieser Zinsschock, kombiniert mit fallenden Immobilienpreisen, erschwert die Entwicklung von renditefähigen Projekten erheblich.

Die vorgenannten Umstände haben auch zu einer schlagartigen Anpassung der Vertragspraxis geführt: Auftragnehmer versuchen das Beschaffungs-, Fertigstellungs- und Kalkulationsrisiko auf die Auftraggeber abzuwälzen. Vertragsstrafen bewehrte Fertigstellungstermine werden nur noch selten von Auftragnehmern akzeptiert, oder nur mit erheblichen Risikoaufschlägen oder weitreichenden Gründen, die zur Fristanpassung führen.  Verbindliche Angebote sowie Pauschalfestpreise werden seltener oder nur mit kurzen Bindungsfristen erteilt bzw. vereinbart. Bei Bauverträgen nehmen offene Preismodelle wie das Open-Book-Verfahren zu, da sich der Werkunternehmer vor einer unsicheren Preisentwicklung schützen will. Aufgrund dieser gestörten Interesslage zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, gestaltet sich die Verhandlung von Bau- und Projektentwicklungsverträgen schwieriger als zuvor. Teilweise haben sich neue Lösungswege gefunden:  Bei der Vergabe von Bauleistungen in Bezug auf Baustellen des Bundes gibt es seit Beginn des Jahres die Möglichkeit, durch Stoffpreisgleitklauseln Preissprünge während eines Bauprojekts aufzufangen und die Preisfindung zwischen Angebot und Annahme wiederherzustellen. In der privaten Bauwirtschaft haben sich solche Regelungen auch bereits durchgesetzt. Teilweise sind auch Indexierungsregelungen für Bauleistungen vorzufinden. Von rechtlicher Seite müssen diese jedoch einer AGB-Prüfung standhalten und dürfen nicht gegen das Preisklauselgesetz verstoßen.

Verträge mit gleitenden Preisklauseln oder Indexierungen stellen jedoch auch neue Herausforderungen an die Finanzierbarkeit solcher Projekte. Ohne verbindliche Kostenobergrenzen, tun sich Banken mit der Finanzierung schwer bzw. Projektentwickler müssen hierfür erhöhtes Eigenkapital nachweisen. Die Finanzierung stellt für Immobilien- und Projektentwickler in der derzeitigen Lage generell eine große Hürde dar: Niedrigere LTVs, also Beleihungswerte, belasten die Immobilienfinanzierung. Immobilien- und Projektentwickler müssen höhere finanzielle Puffer einplanen. Die Banken zeigen sich erstmal seit Jahren wieder wählerisch in der Wahl ihrer Darlehensnehmer. Die Bedeutung von Eigenkapital und persönlicher Garantien steigt immens. Zudem werden höhere Zinsen veranschlagt. In der Konsequenz können neue Projekte wegen der unsicheren Planungsgrundlagen derzeit nicht mehr oder unter erschwerten Bedingungen aufgesetzt werden.

Auch der Exit gestaltet sich aufgrund der Kostenunsicherheit als schwierig: Renditen sind mit gleitenden Preisklauseln, erhöhten Zinsen und Anforderungen an das Eigenkapital kaum kalkulierbar. Die Baukosten sind bei Gewerbeobjekten nicht vollends auf die Mieter umlegbar.