Stadtwerke gestalten die Klimawende – Chancen auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt

Sven Becker, Sprecher der Geschäftsführung, Trianel GmbH

Weltweit werden in jeder Sekunde etwa 1.332 Tonnen CO2 freigesetzt. Um das UN-Ziel der Begrenzung der menschengemachten Klimaerwärmung auf maximal 2,0 Grad zu begrenzen, haben wir weltweit laut Berechnungen des IPCC Mitte März 2021 noch ein verbleibendes CO2-Budget von etwa 1.035.740 Megatonnen CO2. Die Uhr zur Erreichung der Klimaziele tickt unaufhaltsam. Mit Blick auf die globalen Zusammenhänge und auf die Umsetzung der nationalen Ziele und der konkreten Handlungen vor Ort bleibt uns nicht mehr viel Zeit.

Wir haben noch 29 Jahre, um das EU-Ziel einer weitestgehenden Klimaneutralität zu erreichen. Dazu müssen wir heute umdenken und unsere Entscheidungen mit Weitblick und Verantwortung für die Zukunft treffen. Für Stadtwerke ergeben sich aus dem notwendigen Umbau der kommunalen Infrastrukturen, der Energieversorgung und der damit verbundenen Dienstleistungen nicht nur eine Handlungsnotwendigkeit, sondern vor allem die Chance, die Klimawende aktiv als Transformationsprozess und als Treiber neuer nachhaltiger Geschäftsfelder zu begreifen.

Ohne regionale Versorger ist die Klimawende nicht umsetzbar
Insbesondere durch die Ausweitung der Dekarbonisierung auf die Sektoren Verkehr, Wärme und Industrie wird die Klimawende in den Städten und Kommunen stattfinden. Stadtwerke sind der erste Ansprechpartner, um städtische und regionale Energie- und Mobilitätstrukturen sowie örtliche Produktionen und den Endkundenverbrauch zu dekarbonisieren und so effizient und kostengünstig wie möglich anzubieten.

Für Stadtwerke ist die Klimawende schon heute eine der wichtigsten Treiber für ihre Investitionen in die Zukunft. Sie investieren in den Ausbau der Erneuerbaren, in die Modernisierung bzw. Dekarbonisierung ihrer Fernwärmenetze und Stromerzeugung, in klimafreundliche Antriebe für den ÖPNV und ihre Fuhrparks, eruieren Wasserstoff-Optionen, setzen Energieeffizienz-Maßnahmen in ihren Unternehmen und bei ihren Kunden um und entwickeln attraktive Ökostromprodukte.

Am Anfang steht die Analyse
Investitionen in Energieinfrastrukturen sind immer langfristig angelegt. Daher schaffen die heutigen Investitionsentscheidungen die Basis, um 2050 klimaneutral zu sein. Investitionen von heute müssen auch in einer dekarbonisierten Welt noch funktionieren, um keine stranded investments zu sein.

Am Anfang der Klimawende für Stadtwerke steht die Analyse des Status quo. Zur Identifikation von wirksamen Hebeln auf dem Weg zur Klimaneutralität, müssen die Emissionen eines Stadtwerkes, der städtischen Betriebe und der gesamten kommunalen Energieinfrastruktur erfasst werden. Die bekannten Umweltberichte oder Energiemanagementsysteme sind hier eine Grundlage, aber noch keine Klimabilanz. Eine Klimabilanz identifiziert direkte und indirekte Emissionen und damit Handlungsoptionen für die Modernisierung der Stadtwerke als Organisation, für ihre Liegenschaften und für ihre Produkte/Dienstleistungen. Klimabilanzen bilden die Grundlage, um einen Fahrplan für Investitionen und Maßnahmen in eine klimaneutrale Zukunft zu treffen. Sie zeigen den Weg auf, wie Stadtwerke als Unternehmen und die damit verbundene städtische Infrastruktur für 2050 fit gemacht werden können.

Die Klimaroadmap als strategischer Anker
Mit einer Klimaroadmap werden die strategischen Ziele definiert und einzelne Maßnahmen im Zeitverlauf beschrieben. Gleichzeitig wird der Investitionsbedarf mit Blick auf Effizienzgewinne und Erreichung der Klimaschutzziele gespiegelt. Maßnahmen auf dem Weg zu Klimaneutralität können sein: Energieeffizienzgewinne, Ausbau der Erneuerbaren auch in den Städten, Optimierungen durch digitale Infrastrukturen, transparente Ökostromprodukte, Identifikation der Möglichkeiten von Wasserstoff und Speicherlösungen, alternative Mobilitätslösungen und Energieträger.

Ausgehend von der tragenden Rolle, die Stadtwerke mit ihrer eigenen Infrastruktur und ihren Produkten für das Erreichen der Klimaneutralität von Kommunen spielen, ergibt sich die Chance, sich als zentraler Partner der Kommune selbst, anderer kommunaler Akteure sowie lokaler Unternehmen und nicht zuletzt der Bürger zu positionieren und einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten.

Die Klimawende ist also eine Riesenchance für die Stadtwerke, sich im Sinne ihrer Daseinsvorsorge einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten und über stärkeres Engagement im Bereich Nachhaltigkeit neue Geschäftsmodelle aufzubauen, die helfen der Margenerosion in Bestandsgeschäft entgegenzuwirken.