Stadtwerke Flensburg – klimaneutral 2035 – mehr als Erzeugung

Die Stadtwerke Flensburg GmbH stellen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung insbe-
sondere zukünftigen Generationen gegenüber. Mit einem umfassenden Transformations-
plan zur Dekarbonisierung der Fernwärmeversorgung, also dem Ersatz fossiler Brennstoffe
durch erneuerbare Energiequellen, werden wir dieser Verantwortung gerecht. Der Plan
zeigt den Weg dahin mit konkreten technischen und kaufmännischen Maßnahmen in
Erzeugung und Wärmenetz. Laut Ratsbeschluss der Stadt Flensburg vom Dezember 2022
sollen die Stadtwerke Flensburg 10 Jahre früher als vom Klimaschutzgesetz gefordert
100% CO2-neutrale Fernwärme liefern, sofern es die Rahmenbedingungen zulassen.

Die Voraussetzungen dafür sind in Flensburg optimal. Zum einen versorgen die Stadtwerke Flensburg mehr als 90 Prozent aller Haushalte mit Fernwärme und verfügen über den größten Stellhebel der Stadt zur Umstellung auf grüne Wärme. Zum anderen bieten unsere aktuellen Erzeugungsanlagen eine gute Basis, um später erfolgreich in den Trafoplan eingebunden werden zu können. Allerdings ist es mit der Umstellung der Erzeugung nicht getan. Auch das umfangreiche über 700 km lange Flensburger Fernwärmenetz muss angepasst werden und auch die Kunden sollen mitmachen.

Die Grundlagen
Als Basis für den Trafoplan und die weitere Planung haben wir die Entwicklung des Fernwärmebedarfs in Flensburg genaustens analysiert. Faktoren wie Bevölkerungsentwicklung, Zusammensetzung der Haushalte, energetischer Zustand des Gebäudebestands, Wirtschaftsentwicklung, Energiepreisentwicklung und Klimaveränderung sind hier eingeflossen. Bis ins Jahr 2045 rechnen wir mit einer Einsparung des Heizenergiebedarfs von rund 13 Prozent. Parallel werden aber in diesem Zeitraum auch regelmäßig neue Gebäude an die Fernwärme angeschlossen. Vereinfachend gehen wir von einer gegenseitigen Kompensation der Entwicklungen bis zum Jahr 2035 aus. Damit bleibt der Fernwärmebedarf gleich.

Der Pfad zur Klimaneutralität
Mit dieser Grundlage konnten wir in die Planung der konkreten Maßnahmen für den Pfad zur Treibhausgasneutralität 2035 einsteigen. Er beinhaltet vier Phasen mit einer Dauer von jeweils vier Jahren.

Erste Phase Transformationsplan
Umfangreichstes Projekt ist der Bau einer Großwärmepumpe mit einer thermischen Leistung von 60 Megawatt (MW) am Standort des zentralen Heizkraftwerks an der Flensburger Förde. Als Wärmequelle dient Flensburger Fördewasser. Es wird um 4°C abgekühlt und die darin enthaltene Wärme für die Wärmeproduktion genutzt.

Auch dezentral tut sich etwas. Die Stadtwerke Flensburg setzen hier auf eine weitere Wärmepumpe mit einer thermischen Leistung von 1,5 MW am Flensburger Klärwerk mit Klärwerk-Abwasser für das neue Quartier „Hafen Ost“. Ebenfalls dezentral ist eine erste Solarthermieanlage am Flensburger Stadtrand geplant.

Aber auch die Netze sind in der Pflicht. Neben der Wärmeerzeugung müssen wir auch das Fernwärmenetz anpassen und optimieren. Um die regenerative Wärme aus der Großwärmepumpe möglichst effizient in das Fernwärmesystem einzubinden, wäre für uns eine maximale Vorlauftemperatur im Fernwärmenetz von 95°C optimal. Um die Wärmeversorgung weiter sicherzustellen, müssen wir zum Ausgleich der geringeren Temperatur parallel die Volumenströme, also die Wassermengen im Fernwärmenetz, erhöhen. Die Reduktion der Vorlauftemperaturen auf 95°C bzw. die Erhöhung des Wärmeanteils, der mit einer Temperatur von maximal 95°C geliefert wird, ist für den gesamten Transformationsprozess der Erzeugung von zentraler Bedeutung.

Denn jede weitere zusätzliche Erwärmung darüber hinaus muss zunächst weiter konventionell durch Kessel- oder Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen erbracht werden, da die Großwärmepumpe diese hohen Temperaturen nicht liefert.

Ziel der 1. Phase ist die Absenkung der maximalen Vorlauftemperatur auf 122°C.
Dafür müssen Teile des Fernwärmenetzes optimiert und die Dimensionen vergrößert werden. Das betrifft auch Hauptleitungen mit bis zu 60 cm Durchmesser. Daraus folgt die Anpassung der Pumpstationen auf höhere Volumenströme und die energetische Sanierung einiger Pumpstationen. Darüber hinaus wird das Fernwärmenetz umfangreich digitalisiert, um es optimal steuern zu können.

Auch der Kunde ist gefragt
Bei den Heizungsanlagen der Kunden ist eine Reduzierung der Rücklauftemperaturen notwendig. Wir planen eine Ergänzung unseres Fernwärme-Tarifmodells. Ziel ist, unsere Kunden zu einem Verhalten zu motivieren, das für eine möglichst hohe Ausnutzung der zur Verfügung gestellten Wärme und damit eine niedrigere Rücklauftemperatur sorgt. Der von uns geplante Motivationstarif, den es im benachbarten Dänemark schon gibt, belohnt dieses Verhalten.

Zweite Phase Transformationsplan
Eine zweite Fördewasser-Großwärmepumpe, die ebenfalls über eine thermische Leistung von 60 MW verfügt, ergänzt die erste Anlage. Daneben sind die Erweiterung der dezentralen Wärmepumpenkapazität am Flensburger Klärwerk und der Bau einer weiteren dezentralen Solarthermieanlage vorgesehen.

Die bestehenden Gas- und Dampfturbinenanlagen K12 und K13 wollen wir bis zur CO2-Neutralität mit einem sukzessiv steigenden Anteil von H2 im Brennstoff weiter betreiben. Zunächst wollen wir in dieser Phase maximal 15 Vol.-% H2 beimischen. Die Optimierung des Fernwärmenetzes setzt sich in der zweiten Phase mit ähnlichen Maßnahmen wie in Phase 1 fort. Die Zielwerte für den Netzbetrieb liegen nun bei einem maximalen Volumenstrom von 6.400 m³/h und einer weiter abgesenkten maximalen Vorlauftemperatur auf 115°C.

Dritte Phase Transformationsplan
Der Fokus wechselt auf die Produktion von Wärme mit Temperaturen über 95°C, die dann noch benötigt wird. Eine Option für extrem kalte Jahre wäre ein mit Altholz befeuerter Biomassekessel. Dieser kann zusätzlich die Versorgungssicherheit gewährleisten, wenn die Fördewassertemperatur unter 4°C fällt und ein Betrieb der Großwärmepumpe nicht mehr möglich ist. Die Hochtemperaturgroßwärmepumpe als Alternative zum Biomassekessel kann als Booster ebenfalls hohe Vorlauftemperaturen über 95°C erzeugen. Aktuell liegen noch zu viele technische Unsicherheiten vor, so dass die Entscheidung für eine der beiden Varianten erst später erfolgt.

Falls die Rahmenbedingungen es zulassen, ist eine stufenweise Steigerung des H2-Einsatzes in Zwischenschritten auf 100 Vol.-% denkbar. Die Gasturbinen können grundsätzlich dafür umgerüstet werden. Zusätzlich ist ein dritter Wärmespeicher in Planung. Er ergänzt die bereits existierenden Wärmespeicher 1 und 2, die jetzt schon über 60 Mio. Liter heißes Wasser speichern und bei Bedarf zur Verfügung stellen. In der dritten Phase ist die Flensburger Energieerzeugung vollständig dekarbonisiert, es kommen keine fossilen Brennstoffe mehr zum Einsatz und die Stadtwerke versorgen alle Kunden mit grüner, C02-neutraler Wärme.

Vierte Phase Transformationsplan
Die vierte Phase wird ab 2035 und damit nach Erreichen der Treibhausgasneutralität in der regulären Erzeugung der Stadtwerke Flensburg umgesetzt. In diesem Zeitraum erfolgt die Umstellung der Reserveheizwerke auf einen CO2-neutralen Betrieb. Damit ist die Dekarbonisierung der Flensburger Fernwärme komplett abgeschlossen.

Und wie finanzieren wir dieses Großprojekt?
Die Gesamtinvestitionen des Transformationsplans belaufen sich auf rund 400 Mio. Euro. Unser Finanzierungskonzept beruht auf drei Pfeilern: Fördermittel, Eigenkapital und Kredite. 40 Prozent der förderfähigen Ausgaben möchten wir durch den BEW-Investitionskostenzuschuss finanzieren. Der Rest kommt aus dem Cash flow und der Aufnahme von Krediten. Da sind wir mit einer gestärkten Eigenkapitalquote in einer guten Verhandlungsposition.

Wie ist der aktuelle Stand?
Insgesamt konnten wir den Transformationsplan sehr früh fertig stellen und zählten bei den Förderanträgen mit zu den ersten Einreichern. Mit den Planungen für die erste Großwärmepumpe liegen wir ebenfalls gut in der Zeit und werden wohl 2027 die erste grüne Wärme an mehr als 90 Prozent aller Haushalte liefern. ■

Ziel ist es die Energieerzeugung vollständig zu dekarbonisieren und alle Kunden mit grüner CO2-neutraler Wärme zu versorgen.

Das aktuelle Handelsblatt Journal
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „ENERGIEWIRTSCHAFT“ erschienen. Das vollständige Journal können Sie sich hier kostenlos herunterladen:
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