Die Dekarbonisierung verändert die Wirtschaft grundlegend, indem sie neue Märkte schafft und andere stagnieren oder schrumpfen lässt. Deshalb ist es für Unternehmen jetzt an der Zeit, grüne Wachstumschancen zu identifizieren und zu nutzen.
Alles läuft auf eine grundlegende Umschichtung hinaus. Da die Gefahren des Klima-wandels immer offensichtlicher werden, fordern Kapitalgeber, Regulierungsbehörden und Kund:innen, dass Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen Richtung null senken und erklären, wie sie dieses Ziel erreichen wollen. Das Momentum ist unbestreitbar: Fast 90% der Emissionen sollen im Rahmen der Net-Zero-Pläne, zu denen sich immer mehr Länder weltweit verpflichten, reduziert werden. Zahlreiche Finanzinstitute haben erklärt, dass sie mit dem von ihnen emittierten Fremdkapital von insgesamt 130 Bill. USD dazu beitragen wollen, die Erderwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten.
Diese groß angelegte Verlagerung von Kapital auf Investitionen mit geringen Treibhausgas-emissionen könnte die größte Kapitalumschichtung der Geschichte zur Folge haben. Derzeit fließen rund 65% der jährlichen Investitionen in Vermögenswerte mit hohen Emissionen. Doch in einer Welt, in der die bis 2050 angestrebten Klimaziele tatsächlich erreicht werden sollen, muss sich diese Verteilung einer Analyse von McKinsey zufolge umkehren: Emissionsarme Vermögenswerte erreichen dann bis 2050 einen Investitionsanteil von 70%. Unternehmen und Staaten werden dazu ihre Budgets umschichten und zusammen mehrere Billionen US-Dollar in Bereiche wie erneuerbare Energien, grüne bzw. Recyclingmaterialien sowie andere emissionsarme Produkte und Materialien investieren
Für die Unternehmen bedeutet dies, dass es jetzt an der Zeit ist, mutig zu handeln. Je später sie handeln, desto schwieriger wird die Umstellung, die dann noch schneller erfolgen müsste und noch teurere Maßnahmen erfordern würde. Dennoch spielen viele Unternehmen – getrieben von der Sorge, die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte bzw. Produktion zu gefährden – seit Jahren hauptsächlich auf Verteidigung. Das heißt, sie haben Nachhaltigkeitsprogramme aufgelegt, die vor allem darauf abzielen, Regulierungsvorschriften sowie Erwartungen der Aktionär:innen und sonstigen Stakeholder zu erfüllen. Doch nun beschleunigt sich deutlich die Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten und Dienstleistungen – und nach der grünen Energie, den grünen Rohstoffen sowie der CO2-freien Produktionskapazität und -infrastruktur, die dafür erforderlich sind. Manche Sektoren werden dadurch um ein Vielfaches wachsen. Auf diese Weise entstehen unseren Analysen zufolge neue nachhaltige Wachstumsmärkte in elf Schwerpunktbereichen, die bis 2030 ein jährliches Umsatzpotenzial von 9 bis 12 Bill. USD generieren werden.
Ein wachstumsfokussiertes Management sollte dies zum Anlass nehmen, in die Offensive zu gehen. Denn die Unternehmen, die ihre Strategie als erste an die neue Situation anpassen, werden sich einen Vorteil verschaffen, indem sie z.B. günstige grüne Finanzierungen nutzen oder sich grünen Strom sichern, um neue CO2-freie Produktionskapazitäten aufzubauen und den großen Bedarf an Produkten wie grünem Stahl oder Recyclingkunststoff zu bedienen. Solche Produkte werden künftig knapp sein, da sich zahlreiche Hersteller und Marken über die CO2-Reduzierung hinaus zunehmend auch zum Einsatz von Recyclingmaterialien verpflichten bzw. zum 100%-Recycling ihrer Produkte am Ende von deren Lebenszyklus. Daher wird die Nachfrage das Angebot weit überschreiten. Auch wenn sie gewisse Risiken eingehen, werden wahrscheinlich diejenigen Unternehmen aus der Net-Zero-Transformation als Gewinner hervorgehen, die das neue Wertschöpfungspotenzial früh erkennen und sich rechtzeitig bemühen, dieses zu erschließen. Dabei werden sie in vielen Fällen von einem First-Mover-Vorteil profitieren, der unter anderem aus dem Zugriff auf knappe grüne Rohstoffe und grünen Strom sowie aus dem frühen Etablieren einer grünen Marke resultiert.