Unter dem Begriff Shared Services wird (besser: wurde bisher) die Konsolidierung und Zentralisierung von Dienstleistungsprozessen einer Organisation verstanden. Dabei werden gleichartige Prozesse aus verschiedenen Bereichen eines Unternehmens, bzw. einer Organisation, zusammengefasst und von (einer) zentralen Stelle(n) oder Abteilung(en) erbrachtÊ. Die BegriÌichkeit hat sich geweitert. Ein Shared Service muss nicht mehr zwingend aus einer Organisation kommen. Ein Shared Service kann auch aus zwei Organisationen kommen.
Corona hat uns viel Leid gebracht. Das Virus hat Existenzen zerstört. Es hat uns aber auch gezeigt, dass wir Menschen, wenn es drauf ankommt, uns mit neuen Ideen befassen und existierende Modelle ausweiten oder anpassen.
Natürlich gab es den Pizza Lieferdienst auch schon vor Corona. Aber was ist daraus geworden? Ein zumindest längerfristig verändertes Konsumverhalten in der Gastronomie. Wir waren gewohnt, dass wir die Lokale aufsuchten. Dann wurde die Gastronomie geschlossen. Die Idee ist alt: „Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg zum Propheten“. Das Kochen hat der Gastwirt durch die Schließung nicht verlernt. Um seinen Berg zum Propheten zu bekommen, braucht er einen anderen Dienstleister, den Logistiker mit den starken Waden, der den Berg zum Kunden verlagert. Gemeinsam können sie eine Dienstleistung anbieten, die der Nutzer (Esser) gerne annimmt. Home Delivery ist einer der Gewinner in dieser Zeit. Wir werden hier noch Vieles lernen dürfen, z. B. wer „haftet“, wenn das geplant warme Essen kalt oder viel zu spät beim Kunden ankommt? Die bekannten Lieferdienste schreiben in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), dass der Vertrag über das bestellte Essen auf ihrer Plattform direkt zwischen den Kunden und dem Restaurant zustande kommt und dass der Lieferdienst nur die Lieferung schuldet. Aber wie sieht es aus, wenn die Waden schon etwas müde waren? Die Rechtsprechung war noch nie die Pfeilspitze der Innovation. Sie wird uns schon den Weg weisen.
In Zeiten der Pandemie sind die Arbeitgeber aufgefordert, dort wo immer möglich, eine Home Office Regelung für die Mitarbeiter anzubieten. Viele waren darauf nicht vorbereitet. Im Kern aber gab es sowohl aus Sicht der Unternehmensleitung als auch aus Sicht der Mitarbeiter zwei Aufgaben zu bewältigen. Das technische Equipment im Home Office musste einerseits so ausgestattet sein, dass Datensicherheit und Datenschutz gewahrt sind und andererseits auch die arbeitsrechtlichen Themen durch eine Home Office Nutzungsrichtlinie abgedeckt sind. Wäre es hier aus der Sicht der Unternehmen nicht wünschenswert gewesen, alles (also Technologie und passende Nutzungsrichtlinie) aus einer Hand zu bekommen? Dazu wäre aber Voraussetzung gewesen, dass sich der technologische Ansprechpartner mit einem Anwalt oder dass sich die rechtlichen Berater mit Technologiepartnern abgestimmt hätten. Ein herausfordernder Ansatz, da der Technologiepartner keine juristische Leistung „verkaufen“ darf und er damit gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen könnte und der Anwalt keine Technologie verkaufen darf, weil er damit gewerbesteuerpflichtig werden könnte. Zudem kann es notwendig sein, dass das Unternehmen die Zusammenarbeit genehmigen muss. Diese rechtlichen Ecken und Kanten ändern aber doch nichts an der Tatsache, dass hier eine technisch, rechtlich abgestimmte Vorgehensweise eine Erleichterung für die Home Office anbietenden Unternehmen hätte sein können.
Shared Services werden auch nach Corona neue Chancen bedeuten. Denken wir an die gemeinsame Forschung. Ein europäisches Unternehmen möchte gemeinsam mit einem US-Unternehmen im Bereich der Pharmaforschung zusammenarbeiten. Für die Zusammenarbeit wählen die beteiligten Unternehmen eine Plattform des in Redmont ansässigen Herstellers. Ihnen ist wichtig, dass ihnen ihre Geschäftsgeheimnisse nicht abhandenkommen, die Datenschutzvorschriften ihrer Länder und die Healthcare/Pharma Compliance Vorschriften eingehalten werden. Dies wird nur möglich sein, wenn die juristischen und Compliance Erfordernisse evaluiert und für den Technologiepartner aufbereitet werden, der sie dann technologisch umsetzt. Im Nachgang sollten die Parteien prüfen, ob die Umsetzung technologisch gelungen ist und/oder ob es Restrisiken gibt, die beachtet werden müssen. Aber auch das ist noch ein längerer Weg.
Wenn Deutschland den Anschluss bei der Digitalisierung nicht verlieren möchte, muss es den Weg freimanchen für neue interdisziplinäre Geschäftsmodelle. Welche Schwierigkeiten darin bis heute bestehen, wenn Anwälte mit sogenannten Berufs fremden zusammenarbeiten möchten, hat Herr Kollege Rechtsanwalt Dr. Wieland Horn, in Fakten und Erfahrungen zur interprofessionellen Berufsausübung2 exzellent beschrieben. In der sog. Horn-Entscheidung geht es nicht um eine gemeinsame Berufsausübung in dem Sinne, dass zugleich und in denselben Räumen eine Kanzlei, eine Arztpraxis und eine Apotheke betrieben würden. Der partnerschaftliche Zusammenschluss dient „nur“ der Einbindung berufsfremden Fachwissens und berufsfremder Kompetenz in die anwaltliche Tätigkeit als spezialisierter Berater für Ärzte und Apotheker.
Zusammenfassend: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit oder die Einbindung berufsfremden Fachwissens in das eigene Leistungsbild sind Aufgabenstellungen, die bereist gestellt sind, mit denen sich Deutschland in der Umsetzung aber noch schwertut. Mehr Mut.
2 AnwBl Online 2019 Seite 25.