Die Verwendung von Health Claims oder Green Claims sind bereits gängige Praxis bei der Auslobung von Produkten. Gänzlich unterschätzt und bisher wenig eingesetzt werden im Markt jedoch sensorische Aussagen sog. Sensory Claims. Warum bieten Sensory Claims sehr gute Chancen für zufriedene Kund*innen? Wie gestalten Sie diese Werbeaussagen sicher? Ein kleiner Einblick in dieses hochspannende Thema erwartet Sie im Interview mit Frau Dr. Sonja Schwarz – Leiterin der Abteilung Arotop Sensory Insights der Limbach Analytics GmbH.
Was genau kann können sich Unternehmer*innen unter Sensory Claims vorstellen?
Sensory Claims sind Werbeslogans, die mit der Sensorik der Produkte werben, z.B. „jetzt noch knuspriger“ oder „besonders cremig“. Dazu zählen aber auch emotionale Aussagen wie „schmeckt wie selbst gebacken“ oder „der leckerste Kuchen aller Zeiten“. Auch vergleichende Aussagen gegenüber früheren Rezepturen oder Mitbewerber*innen gehören dazu, wie z.B. „50 % weniger Zucker, gleicher Geschmack“ oder „genauso erfrischend wie der Marktführer“.
Warum lohnt sich die Auslobung von Sensory Claims?
Gerade bei Lebensmitteln entscheidet die Sensorik, ob man das Produkt mag oder nicht. Nur ein leckeres Produkt ist auf lange Sicht ein erfolgreiches Produkt. Aber wie kann dieses „lecker“ zu Konsumenten transportiert werden, ohne dass das Produkt probiert wurde? Genau hier greifen die Sensory Claims an. Wenn zwei Chips Produkte angeboten werden, das eine ausgelobt als „Paprika Chips“, das andere als „unsere besten Paprika Chips, würzig, knusprig, lecker!“ dann ist der Fall relativ klar. Das zweite Produkt wird weitaus ansprechender und emotional positiver aufgenommen als das Erste, egal ob es probiert wurde oder nicht. Außerdem animieren Sensory Claims zum ungewohnten und neugierigen Erstkauf. Unternehmen können damit Verbraucher*innen darauf stoßen, dass es Produkte gibt, die vielleicht noch knuspriger, würziger oder besser sein könnten, als das gewohnte Produkt. Ohne ein Claim wäre es nur ein weiterer Knabberartikel, mit Claim aber „besonders knusprige und würzige“ Chips, die möchte man doch ausprobieren. Oder nicht? Unsere Marktforschungsstudien 2021 haben ergeben, dass Verbraucher Sensory Claims als hilfreich empfinden und signifikant eher Produkte mit Claims im direkten Vergleich zu Produkten ohne sensorische Werbeaussage kaufen.
Nach welchen Kriterien können Sensory Claims rechtssicher entwickelt werden? Gibt es eine Zulassung ähnlich der Health-Claims-VO (HC-VO)?
Nein, eine Verordnung oder feststehende Formulierungen wie bei der HC-VO gibt es bisher nicht und sind auch nicht geplant seitens der EU. Vorrangig gilt natürlich der Täuschungsschutz gemäß § 11 LFBG oder der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Im schlimmsten Fall kann durch Wettbewerber oder die Untersuchungsämter eine einstweilige Verfügung erzeugt werden und ein Produktrückruf droht. Also muss man sich wirklich sicher sein, dass der Claim zutrifft und die passenden Belege durch beispielsweise Verbrauchertests zur Hand haben. Seit Februar 2021 gibt es zudem eine sehr gute Guideline für die Überprüfung möglicher Claims – die DIN-Norm 10977. Sie orientiert sich an aktuellen DIN-Sensorik-Methoden und liefert somit eine sichere Grundlage zur statistischen Absicherung der Werbeaussagen.
Sie raten Unternehmen dazu, diese Sensory Claims anzuwenden. Das hört sich auf den ersten Blick schnell und einfach an und unternehmensintern umsetzbar. Warum sollten Unternehmen sich trotzdem Unterstützung bei diesem Thema holen?
Zwei Gründe: Zum einen führen nur passende Claims zu einem positiven Erlebnis bei Kund*innen nach dem Erstkauf. Wenn der Claim und das Produkterlebnis nicht zusammenpassen, dann ist der Verbraucher enttäuscht und wird es nie wieder kaufen. Um bei dem Chips-Beispiel zu bleiben, eine ausgelobte Würzigkeit und Knusprigkeit sollte sich sensorisch beim Geschmack und dem Mundgefühl wirklich widerspiegeln. Ob dies der Fall ist, sollte anhand von z.B. vergleichenden Sensorikuntersuchungen durch Experten- oder Verbraucherpanels validiert werden. Zum anderen beugen Sie anhand dieser durchgeführten Sensorikstudie mit einem statistisch ausreichend großen Panel auch einer Irreführung wie gerade erwähnt vor. Sie sind also kundenseitig und wettbewerbstechnisch auf der sicheren Seite.
Angenommen alle Produkte haben sensorische Claims. Macht das für den/die Verbraucherin noch Sinn?
Selbst wenn Kategorien vielfach mit Claims besetzt sind, können sie eine unschlagbare Orientierung bieten. Nehmen Sie das Beispiel Kaffee: Viele Produkte werben entweder mit „mild“ oder „kräftig-aromatisch“. Hier helfen die Sensory Claims den passenden Kaffee herauszufinden. Ich persönlich mag keine milden Sorten. So kann ich diese Produkte vermeiden und bin dann nicht enttäuscht. Mit den Claims werden Produktenttäuschungen und somit auch Markenenttäuschungen vermieden, denn häufig differenziert der Endverbraucher weniger nach Sorte als nach Marke.
Was möchten Sie Unternehmen mit auf den Weg geben?
Unternehmen sollten sich bewusst machen, was für eine große Chance ein passender Sensory Claim – eine korrekte sensorische Auslobung – für ihr Produkt bietet. In Deutschland und Europa herrscht ein starkes Überangebot an Lebensmitteln und Alternativen stehen jederzeit und zahlreich zur Verfügung. Der Verbraucher wünscht sich Orientierung und schnelle Informationen entsprechend seiner Vorlieben. Nutzen Sie daher die Möglichkeit die individuellen sensorischen Merkmale Ihres Produktes fundiert auszuloben!