Ressourcenschonend unterwegs

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Ein Blick in die Zukunft des elektrifizierten Güterverkehrs
Bei nachhaltig angetriebenen Nutzfahrzeugen stehen alle Ampeln auf grün – und das bedeutet: weg von herkömmlichen Diesel- oder Benzinverbrennungsmotoren. Damit wir auf eine Zukunft, in der sich Sattelschlepper emissionsfrei durch das Land bewegen, nicht mehr allzu lange warten müssen, suchen zahlreiche Forschungsprojekte nach der idealen Energieversorgung für elektrische Lkw.

Die Umstellung ist für das Erreichen der europäischen Klimaschutzziele bis zum Jahr 2050 unabdingbar. Spätestens bis dann müssen die CO2-Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 95 Prozent reduziert werden. Die Ziele der Bundesregierung sind noch ambitionierter. Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes will Deutschland bereits bis 2045 klimaneutral sein. Für Nutzfahrzeuge sieht die Bundesregierung daher vor, dass schon bis 2030 etwa ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe erfolgt. Höchste Zeit also, schnell Alternativen zu Verbrennungsmotoren auf die Straße zu bringen.

Langstrecken und Gewicht bleiben eine Herausforderung
Für den künftigen Personenverkehr haben sich batterieelektrische Lösungen in der Automobilindustrie weitestgehend durchgesetzt. Im Güterverkehr ist insbesondere auf Langstrecken das Rennen um die technologische Vorherrschaft jedoch noch offen.

Das liegt vor allem daran, dass Langstrecken nicht mit einer einzigen Batterieladung zu bewältigen sind. Längere Wartezeiten, um die Batterien wieder aufzuladen, können sich Speditionen aber nicht leisten. Eine weitere Herausforderung ist die Größe der Batterien, die in schweren Nutzfahrzeugen verbaut werden müssen. Das zusätzliche Gewicht sorgt dafür, dass die Zuladung mit Blick auf das zulässige Gesamtgewicht verringert werden muss. Im Ergebnis sinken Transportkapazität und Umsatz je Lkw. Gerade das enorm hohe Transportaufkommmen ist es, weshalb der Güterverkehr ein riesiges Potenzial für geringere Treibhausgasemissionen birgt. Immerhin ist der Schwerlastverkehr für etwa ein Drittel der Gesamtemissionen im Kraftfahrtsektor zuständig. Ein 40 Tonnen schwerer Sattelzug, der im Jahr eine Strecke von 100.000 Kilometern zurücklegt, könnte hypothetisch eine Kraftstoffersparnis von 16.000 Euro erreichen.

Durch kooperative Forschung zur praktikablen Lösung
Um dieses Potenzial zu heben, erprobt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Förderprogramm „Elektro-Mobil“ neuartige Technologien. Ein Fokus liegt auch auf der Elektrifizierung des Güterverkehrs. Mehr als 30 deutsche Städte, Energieversorger und Netzbetreiber, über 50 Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie führende Hersteller und Zulieferer aus der Automobilindustrie sind bereits Teil des Programmes. Die Projekte verfolgen unterschiedliche Ansätze, unterm Strich jedoch ein Ziel: Das Entwickeln optimaler Lösungen für einen elektrifizierten und nachhaltigen Verkehrssektor.

Automatisierter Batteriewechsel sorgt für Effizienz
Wie sehen diese Lösungen nun konkret aus? Beim Laden von Elektrofahrzeugen sind aktuell vor allem kabelgebundene Lösungen verbreitet. Das Projekt „eHaul“ forscht an automatisierten Batteriewechselstationen für schwere Elektro-Lkw bis 40 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht. Innerhalb der befahrbaren Stationen soll ein vollautomatischer Wechsel der E-Fahrzeugbatterie erfolgen, ohne dass die Person im Führerhaus mithelfen muss. Den Austausch übernimmt ein speziell hierfür konzipierter Roboter. Die bereits ausgetauschten Batterien werden in der Batteriewechselstation gelagert. Dabei wird die Energie der Batterien bei Stromknappheit wieder in das Netz zurückgespeist – ein Beitrag zur Stabilisierung des Netzes und zugleich eine gute Möglichkeit für Flotten- und Ladeinfrastrukturbetreiber, mit den hierbei erzielten Erlösen die Kosten der E-Lkw-Technologie abzufedern.

Das Prinzip des Batteriewechsels wird in Europa bisher hauptsächlich bei kleinen Fahrzeugen wie E-Rollern und in Asien bei Pkw und Nutzfahrzeugen angewandt. eHaul soll nun zeigen, ob dies auch ein Modell für elektrifizierte Nutzfahrzeuge in Europa sein kann. In der kommenden Testphase fahren zwei E-Lkw auf einem Streckennetz zwischen Dresden, den Brandenburger Gemeinden Lübbenau und Schönefeld und Berlin und liefern im Praxistest wertvolle Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Systems.

Laden während der Standzeit – dank Schnelladesystemen mit Leistung im Megawattbereich
Schnellladesysteme sind im PKW-Bereich bisher auf eine Leistung von 350 Kilowatt beschränkt. Was für E-Pkw eine Aufladung in wenigen Minuten ermöglicht, bedeutet für E-Lkw mit ihren großen Speichern noch immer eine beträchtlich längere Ladezeit. Das Forschungsvorhaben „MEGA-LADEN“ befasst sich deshalb mit der technischen Weiterentwicklung für den Schwerlastverkehr. Dank einer Schnellladeschnittstelle mit einer Ladeleistung im Megawatt-Bereich können E-Nutzfahrzeuge während des Be- und Entladens oder der gesetzlichen Pausenzeiten automatisiert und zeitsparend aufgeladen werden. Regelmäßige Standzeiten, die sowieso unvermeidlich sind, lassen sich so effektiv nutzen, ohne das Personal mit zusätzlichen Aufgaben zu betrauen.

Strom für E-Lkw aus der Oberleitung
Eine andere Möglichkeit, um den Strom in die Batterien zu bringen, ist das Laden während der Fahrt. Dafür kommt stromführende Infrastruktur, sogenannte Electric Road Systems (ERS), zum Einsatz. Das können Induktionsspulen unterm Asphalt, Stromschienen oder auch Oberleitungen sein. Letztere sind unter den ERS-Systemen bisher am weitesten entwickelt. Alle Systeme eint, dass an Bord der Fahrzeuge nur Batterien mit geringerer Kapazität benötigt werden. Denn ihre Leistung wird vor allem für Überholmanöver oder Fahrten außerhalb der elektrifizierten Strecke gebraucht.

Oberleitungssysteme und die Abrechnung des darüber bezogenen Stroms werden im Projekt AMELIE II ausführlich erprobt. Bereits dessen Vorgängerprojekt schaffte einen technischen, logistischen und juristischen Rahmen, um die Oberleitungsinfrastruktur für elektrisch betriebene Lkw in das bestehende europäische Verkehrsnetz einzugliedern. AMELIE II baut auf diese Erkenntnisse auf und erarbeitet ein umsetzbares Modell für den Betrieb von Oberleitungssystemen im Straßennetz, das sich nahtlos in die vorhandenen Strukturen von Energiewirtschaft und Autobahnen eingliedern lässt.

Die Alternative: Wasserstoff-Brennstoffzellen
Forschungsvorhaben außerhalb des Programms Elektro-Mobil widmen sich der Entwicklung von Systemen, um Elektromotoren mithilfe von Brennstoffzellen anzutreiben, die Wasserstoff als Energieträger nutzen. Auch hier wurden bereits einige Fortschritte erzielt. Die Herausforderung bleibt aber, dass die Produktion von grünem – also aus nachhaltigem Strom gewonnenem – Wasserstoff sehr energieintensiv und teuer ist.

Hinzu kommen die Kosten und der Aufwand für den Transport, die Speicherung und die Betankung der Fahrzeuge mit dem Wasserstoff. Einmal im Fahrzeug, sinkt der energetische Wirkungsgrad durch die Umwandlung innerhalb der Brennstoffzelle weiter. Zudem besteht beim Strom, der für die Wasserstoffproduktion benötigt wird, eine starke Nutzungskonkurrenz mit anderen Verwendungsfeldern wie dem Beheizen von Gebäuden oder als Rohstoff für die Industrie.

Technologischer Fortschritt macht den Weg frei
Die Vielfalt der verfolgten Ansätze zeigt, dass große Fortschritte bei der Elektrifizierung des Güterverkehrs in greifbarer Nähe sind. Noch leisten Förderprogramme wie Elektro-Mobil die hierzu nötige Forschungsarbeit. Doch bald schon werden marktreife Lösungen den Weg frei machen für einen nachhaltigen Güterverkehr auf deutschen und europäischen Straßen.

Es ist höchste Zeit, schnell Alternativen zu Verbren­nungsmotoren auf die Straße zu bringen.

Doris Johnsen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Innovation und Technik (iit) in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH und stellvertretende Leiterin der Begleitforschung „Elektro-Mobil“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie

 

Das aktuelle Handelsblatt Journal Die Zukunft der Automobilindustrie
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