Kevin Wilson, Fachanwalt für Handels- und Gesell-schaftsrecht sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht, KLINGER UND PARTNER Rechtsanwälte mbB, Schorndorf und Stuttgart
Anlässlich der buchstäblichen Allzuständig-keit des GmbH-Geschäftsführers gibt es nicht wenige Stimmen, die – wenn auch mit einem Augenzwinkern – postulieren, dieser stehe stets mit einem Bein im Gefängnis. Dies mag sehr zu-gespitzt sein, verdeutlicht jedoch die enormen Haftungsrisiken, welchen sich jeder Geschäfts-führer einer GmbH insbesondere bei wachsender Unternehmensgröße tatsächlich ausgesetzt sieht. Um den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden zu können, kommt es häufig zu einer Auf-gabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung durch Aufteilung der Ressorts. Sofern diese Ressortaufteilung wirksam erfolgt, können sich hieraus Haftungrleichterungen für die nicht zu-ständigen Geschäftsführer ergeben.
EINLEITUNG
Mit zunehmender Größe eines Unternehmens wächst auch die Notwendigkeit einer Ressortauf-teilung auf Ebene der Geschäftsführer. Eine solche Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Geschäftsführern führt jedoch nicht dazu, dass sich ein Geschäftsführer für das von ihm nicht verantwortete Ressort potenzieller Haftungsrisiken gänzlich entledigen kann. Sie kann aber dazu führen, dass sich Handlungspflichten des Geschäftsführers in Kontroll- und Überwachungspflichten wandeln. Im Fall einer wirksam vereinbarten Ressortaufteilung kann für den nicht für das betroffene Res-sort verantwortlichen Geschäftsführer damit zu-mindest eine Haftungserleichterung eintreten.
In Haftungsprozessen versuchen sich Geschäftsführer daher regelmäßig mit einer Ressortaufteilung und ihrer hieraus folgenden Unzuständigkeit zu verteidigen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in den letzten Jahrzehnten eine ständige Rechtsprechung zur Frage der Ressortaufteilung etabliert. In einer Entscheidung von Ende 2018 (BGH, Urteil vom 06.11.2018 – II ZR 11/17) hat der BGH der Praxis nunmehr einen Leitfaden an die Hand gegeben, welche Anforderungen an eine wirksame Ressortaufteilung zu stellen sind.
STAND DER HÖCHSTRICHTERLICHEN RECHTSPRECHUNG
Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass aus der Gesamtverantwortung jedes einzelnen Geschäftsführers (§ 35 I GmbHG analog) folgt, dass jeden der Geschäftsführer zunächst eine Allzuständigkeit für die Angelegenheiten der Gesellschaft trifft. Weiter muss jeder Geschäftsführer für eine Organisation Sorge tragen, die ihm die Wahrnehmung seiner Pflichten und insbeson-dere den hierfür erforderlichen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.1995 – II ZR 9/94).
Ein arbeitsteiliges Handeln durch die Aufteilung der Geschäftsfüh-rung in verschiedene Ressorts ist möglich und bei entsprechender Unternehmensgröße unter Umständen sogar notwendig. Ist die Pflicht durch eine Ressortaufteilung wirksam auf einen einzelnen übertragen worden, verbleibt für den unzuständigen Geschäftsführer aber eine Restpflicht. Er bleibt zur Überwachung des zuständigen Mitgeschäftsführers verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.1993 – II ZR 61/92). Kommt der unzuständige Geschäftsführer dem nach, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Informationen, welche er von dem zuständigen Mitgeschäftsführer erhält, zutreffend und vollständig sind (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.1993 – II ZR 61/92). Dieses Vertrauensprinzip endet aber dann, wenn der Geschäftsführer erkennt oder erkennen kann, dass ihm die erforderlichen Informatio-nen nicht zur Verfügung gestellt werden. Er hat insoweit die Pflicht sicherzustellen, dass der zuständige Geschäftsführer seinen Mitteilungs- und Informationspflichten auch nachkommt (vgl. BGH, Urteil vom 19.06.2012 – II ZR 243/11).
Ist die Pflicht durch eine Ressortaufteilung wirksam auf einen einzelnen übertragen worden, verbleibt für den unzuständigen Geschäftsführer aber eine Restpflicht.
ENTSCHEIDUNG DES BGH VOM 06.11.2018
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 06.11.2018 weitere Ausführungen zu den inhaltlichen sowie formellen Voraussetzung einer wirksamen Ressortaufteilung gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 0611.2018, II ZR 11/17).
Die Aufteilung dürfe keinen Raum für Zweifel über die Abgrenzung der einzelnen Aufgaben und die hierfür jeweils zuständige Person offenlassen.
Demnach setze eine wirksame – und damit auch zu einer möglichen Haftungserleichterung führende – Ressortaufteilung eine klare und eindeutige Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Geschäfts-führern voraus. Die Aufteilung dürfe keinen Raum für Zweifel über die Abgrenzung der einzelnen Aufgaben und die hierfür jeweils zuständige Person offenlassen. Die Aufgabenverteilung müsse ferner sachgerecht sein, d.h. sie müsse die persönlichen und fachlichen Eignungen der einzelnen Geschäftsführer berücksichtigen. Zuletzt müsse auch die Gesamtzuständigkeit der Geschäftsführung als Organ für nicht delegierbare Aufgaben gewahrt bleiben.
Anders als beispielsweise vom Bundesfinanzhof (BFH) vertreten (vgl. BFH, Urteil vom 26.04.1984 – V R 128/79), geht der BGH in seiner Entscheidung in formeller Hinsicht nicht davon aus, dass eine Ressortaufteilung zwingend schriftlich niedergelegt werden müsste. Vielmehr könne die Aufgabenverteilung auch stillschweigend oder bloß faktisch erfolgen, solange hierbei nur die inhaltlichen Anforde-rungen gewahrt blieben. Hierbei betont der BGH jedoch, dass eine schriftliche Dokumentation regelmäßig das naheliegende und geeig-nete Mittel für eine klare und eindeutige Aufgabenabgrenzung darstellen dürfte.
Der BGH sieht in seiner Entscheidung ausdrücklich keinen Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH, da diese ausdrücklich nur einen den Geschäftsführern persönlich zur Erfüllung zugewiesenen Aufgabenkreis nach der Abgabenordnung (AO) und damit einen vom öffentlichen Recht geprägten Pflichtenkreis betreffe.
BEWERTUNG
Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Die äußere Form der Ressortaufteilung ist kein Selbstzweck. Solange die Verteilung eindeutig und klar ist, wäre es nicht nachvollziehbar, weshalb diese zu ihrer Wirksamkeit zusätzlich einer schriftlichen Fixierung bedürfen sollte.
Für die Frage der zivilrechtlichen Haftung folgt aus den Regeln zur Beweislastverteilung, dass es im Streitfall dem Geschäftsführer obliegt, den Nachweis seiner eigenen Unzuständigkeit aufgrund einer allen inhaltlichen Anforderungen genügenden Aufgabenzuweisung zu führen.
Einer Schriftform bedarf es also weder unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes noch aufgrund des Beweisinteresses des Rechtsverkehrs. Allerdings überzeugt die Begründung des BGH nicht gänzlich, soweit er auf die Rechtsprechung des BFH Bezug nimmt. Der BFH stützt seine Rechtsprechung gerade nicht auf rechtliche Besonderheiten der Abgabenordnung, sondern auf die sich aus § 43 Abs.2 GmbHG allgemein er-gebenden Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsmannes.
5. PRAXISHINWEIS
Der Bundesgerichtshof macht in seiner Entscheidung deutlich, dass die Anforderungen an eine wirksame Ressortaufteilung rein inhaltlicher und nicht formaler Natur sind. So ist es einem Ge-schäftsführer möglich, sich im Rahmen der In-anspruchnahme auf Schadenersatz auch ohne Vorliegen einer schriftlichen Ressortaufteilung auf eine geänderte Geschäftsverteilung und den hierdurch gewandelten Pflichtenkreis zu berufen. Denkbar sind hier vor allem eine faktische Arbeitszuweisung oder aber eine stillschweigende Übereinkunft bezüglich der Geschäftsverteilung.
Die Entscheidung macht aber auch die bei Fehlen einer schriftlichen Fixierung im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens auftretenden praktischen Probleme deutlich. So obliegt dem Geschäfts-führer der Nachweis der zu seiner Exkulpation notwendigen geänderten Aufgabenverteilung, wobei diese klar und eindeutig sein muss. Der BGH selbst geht ausdrücklich davon aus, dass eine klare Aufgabenzuweisung und Unternehmensorganisation regelmäßig durch eine schriftliche Dokumentation als naheliegendes und geeigne-tes Mittel zu erfolgen hat, um so Missverständ-nisse bei der Aufgabenverteilung zu vermeiden.
Darüber hinaus wird im Fall der Verletzung steuer-rechtlicher Pflichten durch die Finanzbehörden sowie die finanzgerichtliche Rechtsprechung eine Geschäftsverteilungsregelung weiterhin nur an-erkannt, wenn sie zuvor schriftlich niedergelegt wurde.
Im Ergebnis ist daher regelmäßig anzuraten, dass die Aufgabenverteilung zwischen den Geschäftsführern, etwa im Rahmen einer Geschäfts-ordnung, schriftlich fixiert und dadurch eindeutig dokumentiert wird.