Produktivitätsbooster KI mit erheblichem Renditepotenzial

Karolina Decker

Artikel aus dem Handelsblatt Journal Banking vom 20.09.2023

Auf dem World Economic Forum 2023 sagte Automation Anywhere-CEO Mihir Shuklar: „Man spricht immer davon, dass KI im Kommen sei, dabei ist sie längst hier.“ Der Einsatz künstlicher Intelligenz hat in den letzten zehn Jahren einen stetigen Zuwachs erfahren und die OECD-Expert:innen erwarten, dass die Weltwirtschaftsleistung auch künftig um jährlich 4 bis 6 Prozent wachsen wird.

KI-getriebene Technologien leisten schon heute Beiträge in allen möglichen Branchen: Sie sammeln und strukturieren Daten und Informationen, stellen Finanzdienstleistungen bereit, übersetzen komplizierte Dokumente, erstellen Unternehmensberichte, entwerfen juristische Dokumente und werden auch bei der Krankheitsdiagnose eingesetzt. Dank Machine Learning ist zu erwarten, dass sie ihre Effizienz und Genauigkeit in diesen und anderen Bereichen exponentiell verbessern und optimieren werden.

Mit KI zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum

Künstliche Intelligenz ist als treibende Kraft für Produktivität, Innovation und Wachstum längst anerkannt. Ihre Fähigkeit, enorme Datenmengen aus verschiedenen Quellen in unterschiedlichen Formaten in nie dagewesener Geschwindigkeit zu verarbeiten, strukturieren und analysieren, hat das Potenzial, die Effizienz von Geschäftsprozessen erheblich zu steigern.

Während es wenig überraschend ist, dass KI ihre Ursprünge und ihr größtes Potenzial aktuell in der Technologiebranche hat, ziehen andere Industriebereiche merklich nach. Auch in den Sektoren Zyklischer Konsum, Finanzwerte, Gesundheit und Industrie wird sie immer wichtiger. Derzeit unternehmen Gesundheitsund Finanzdienstleister ebenso wie Industrieproduzenten und Kommunikationsdienstleister Anstrengungen, mit künstlicher Intelligenz Engpässe zu beseitigen und ihre Effizienz zu steigern.

Ein Markt mit Potenzial

Eine Vielzahl weltweiter Player investieren schon heute in künstliche Intelligenz. SAP allein ist an drei führenden Start-ups beteiligt, die generative künstliche Intelligenz entwickeln. Diese Art KI wird vor allem zur Verarbeitung und Erstellung von Inhalten eingesetzt, wie es auch die derzeit wohl bekannteste KI-Anwendung ChatGPT tut. In das Unternehmen hinter ChatGPT, OpenAI, wiederum hat Microsoft Anfang 2023 10 Milliarden US-Dollar investiert und Google erwarb seinerseits für 300 Millionen Dollar 10 Prozent am KI-Startup Anthropic.

Investments dieser Größenordnungen durch internationale Unternehmen zeigen deutlich, wie zukunftsweisend und wichtig KI ist. Generative KI (auch: GenAI) allein kann gemäß einem Report des Mc Kinsey Global Institutes zur „Postpandemic Economy“ aus dem Jahr 2021 zu einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von bis zu 0,6 Prozent beitragen. Dabei entfallen circa 75 Prozent des geschätzten Wertes, den GenAI generieren wird, auf stark wissens- und personalbasierte Branchen wie Kundenservice, Marketing, Vertrieb, Softwareentwicklung und Forschung. Diese Berufsfelder profitieren vor allem vom Automatisierungspotenzial durch GenAI.

Wenn man die Einsatzbereiche ausdehnt, ergeben sich weitere hoch dotierte Märkte. Laut einer aktuellen McKinsey-Studie besteht allein im Einzelhandel und der Konsumgüterindustrie zusammen genommen ein Potenzial von jährlich zusätzlichen 400 bis 660 Milliarden US-Dollar. Im Bankensektor schlummern weitere 200 bis 340 Milliarden US-Dollar Marktpotenzial durch KI. Eine Prognose, die nicht von der Hand zu weisen ist: In den Gewinnmitteilungen des ersten Quartals nach dem Launch von ChatGPT (November 2022) erwähnten bereits 317 Unternehmen im MSCI ACWI Index Begriffe wie „künstliche Intelligenz“, „ChatGPT“ und verwandte Technologien.

KI-Anwendungen im Finanzsektor nehmen zu

Bereits 2019 gaben 60 Prozent der an McKinseys Global AI Survey teilnehmenden Finanzdienstleister an, mindestens eine Form von KI im Einsatz zu haben. Dies vor allem in den Bereichen Prozessautomation, Kundenservice und Risikomanagement. Die zum Einsatz kommende künstliche Intelligenz unterstützt Banken und Finanzdienstleister dabei vor allem bei der Analyse großer Datenmengen, beim Erkennen von Mustern, der Erstellung von Modellen zur Risikobewertung, bei prädikativen Analysen und der Einhaltung regulatorischer Vorschriften.

Gemäß dem Accenture Reports „Banking on AI“ aus dem Jahr 2020 können Banken mit Hilfe von KI-Tools die Anzahl ihrer Transaktionen um das 2,5-fache erhöhen. Indem sie Routineaufgaben automatisieren, minimieren sie menschliche Fehler und können Kundenanfragen schneller und genauer beantworten.

Mit KI zu mehr Kundenzufriedenheit

Vertrauen und Akkuratesse sind ausschlaggebende Faktoren für die Kundenzufriedenheit. Mit Hilfe von KI können Banken Spracherkennung oder Text-to-Speech- Technologien in ihre Anwendungen und Services integrieren, um Kund:innen eine intuitivere und zugänglichere Erfahrung zu ermöglichen. So könnten etwa sehoder hörbehinderte Kund:innen von solchen Features profitieren, um Menüs zu navigieren oder Überweisungen vorzunehmen, Geld abzuheben und die Produktwelt kennenzulernen.

Ein anderes Anwendungsbeispiel für KI im Bankensystem ist die Automatisierung und Beschleunigung von Entscheidungsprozessen. So können Chatbots als KIgetriebene Assistenten etwa Kundenanfragen beantworten und filtern, Kund:innen durch bestimmte Prozesse führen, um den Bedarf an menschlichem Kundenservice zu optimieren oder Kontodaten bereitstellen. Dank natürlicher Sprachverarbeitung können Chatbots auch Kundenanfragen in Echtzeit erfassen. Das verschlankt Prozesse und steigert die Kundenzufriedenheit.

Auch bei Kreditanfragen kann KI unterstützend tätig sein. Sie kann etwa die Kundendaten analysieren und deren Kreditwürdigkeit bewerten. Durch die Analyse der Kredithistorie eines Kunden, dessen Einkommen und anderer Faktoren können KI-Algorithmen Banken bei der Genehmigung oder Ablehnung von Krediten und der Festlegung von Limits unterstützen. Das verbessert die Kundenerfahrung, verschlankt den Kreditvergabeprozess und verringert das Ausfallrisiko.

Künstliche Intelligenz im Risikomanagement

Banken müssen verschiedenste Risiken managen. Kredite sind nur ein Teil davon. Auch der Investmentmarkt, die Gesamtwirtschaft und Betriebsrisiken sind Herausforderungen. Ein KI-basiertes Risikomanagementsystem kann Daten analysieren und Risikopotenziale herausstellen. Durch prädikative Analyse können Banken potenzielle Chancen und Risiken identifizieren, ihre Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit verbessern.

Des Weiteren können KI-Sicherheitssysteme Banken gegen Cyber-Angriffe schützen. Indem sie große Datenmengen analysieren und Muster oder Verhaltensweisen erkennen können, ist es ihnen jederzeit möglich, verdächtige Transaktionen zu identifizieren und entsprechende Sicherheitsmechanismen auszulösen. KI kann Banken also vor betrügerischen Aktivitäten wie Geldwäsche warnen und schützen. Dadurch sind Kundendaten und die Reputation der Institution sicher.

Mit KI können zukünftige Markttrends und Preisbewegungen sehr akkurat vorhergesagt werden, wodurch Investoren fundiertere Entscheidungen über Aktien und Portfolios treffen können. Ein fundiertes Risikomanagement erlaubt es Finanzdienstleistern, bessere Investmententscheidungen zu treffen. Und infolgedessen auch das Investmentangebot für ihre Endkund:innen anzupassen. Indem eine große Menge an Daten bzw. Variablen wie Marktvolatilität, geopolitische Risiken und Finanzdaten in kürzester Zeit zuverlässig analysiert werden, kann KI Investor:innen ein vollständigeres Bild der Risiken liefern, mit denen sie konfrontiert werden.

Wie private Anleger:innen von KI profitieren

So, wie sich Banken und Finanzdienstleister KI zunutze machen, können auch private und Kleinanleger:innen künstliche Intelligenz für sich nutzen, um am Anlagemarkt zu profitieren. Und zwar einerseits, um in Unternehmen zu investieren, die selbst KI-Technologie entwickeln. Andererseits, um in Unternehmen zu investieren, die KI nutzen und implementieren.

Es mag ethische Gründe geben, die Anleger:innen davor zurückschrecken lassen, ihr Geld in künstliche Intelligenz zu investieren: Datenschützer warnen etwa vor Missbrauchspotenzial bei KI-Anwendungen. Doch genauso wie KI genutzt werden kann, um Fonds zu screenen, die in KI-Unternehmen investieren, kann man sie auch einsetzen, um dieselben Fonds auszuschließen, wenn man Bedenken hegt.

Gänzlich an künstlicher Intelligenz vorbeikommen, wird man als private:r Anleger:in kaum noch. Selbst, wer sich explizit auf nach ESG-Kriterien gefilterte Investmentprodukte beschränkt, sollte sich mit dem Gedanken anfreunden, dass die Fonds KI einsetzen, um die Unternehmen nach den zunehmend strenger werdenden ESG-Kriterien zu filtern.

Unabhängig davon, wie man als Anleger:in zu künstlicher Intelligenz steht: Sie ist gekommen, um zu bleiben. Und sie bringt ein großes Anlagepotenzial mit sich. Während es immer ratsam ist, auch innerhalb eines Anlagekriteriums wie künstlicher Intelligenz zu diversifizieren – beispielsweise, indem man in KI-Technologieunternehmen einerseits und in Unternehmen, die KI implementieren, andererseits investiert –, sollte kein:e Anleger:in ausschließlich in künstliche Intelligenz investieren.

Als besonders zukunftsträchtiges Tool, das die Industrie ebenso weiterentwickeln wird wie den Anlagemarkt, sollte KI in einem Anlageportfollio zwar nicht fehlen. Es sollte aber immer nur Teil eines möglichst breit gestreuten Portfolios sein, das sich auf verschiedene Anlageklassen, Vermögenswerte und Sektoren verteilt.

So, wie sich Banken und Finanzdienstleister KI zunutze machen, können auch private Anleger:innen profitieren.

Karolina DeckerCEO und CO-Gründerin, fin:marie
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