Persistente organische Schadstoffe (POP): eine Herausforderung für Lebens- und Futtermittelproduzenten, Überwachung und Labore

Kontaminanten gelangen im Unterschied zu Rückständen (z.B. von Pestizidwirkstoffen oder (Tier-) Arzneimitteln) in der Regel unbeabsichtigt in Lebens- oder Futtermittel. Sie können bei der Gewinnung, Fertigung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung eines Lebensmittels entstehen (z.B. Mykotoxine, Prozesskontaminanten wie Acrylamid und 3-MCPD-Fettsäureester) oder infolge einer Verunreinigung durch die Umwelt in Futter- und Lebensmittel eingetragen werden (Umweltkontaminanten).

Persistente organische Verbindungen (POP)

Zur Gruppe der Umweltkontaminanten gehören zum Beispiel persistente organische Verbindungen (POP) wie per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS), polychlorierte Dibenzo-p-dioxine, Dibenzofurane (PCDD/F) und polychlorierte Biphenyle (PCB). Aufgrund ihrer Langlebigkeit in der Umwelt reichern sich diese in den Nahrungsketten an und sind auch aufgrund ihrer toxischen Eigenschaften in Lebens- und Futtermitteln unerwünscht. Während Dioxine und PCB bereits in den 1970er-Jahren als unerwünschte Stoffe erkannt wurden und Konzentrationen in der Umwelt sowie in Lebens- und Futtermitteln mittlerweile durch effektive Regulierungen [1,2,3,4] stark gesunken sind, wurde die Bedeutung von PFAS als globale anthropogene Umweltkontaminanten erst deutlich später erkannt.

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS)

Während PCDD/F als unerwünschte Nebenprodukte in z.B. Verbrennungsprozessen entstehen und nicht kommerziell hergestellt werden, werden PFAS bewusst durch den Menschen prozessiert und in einer Vielzahl von Branchen weltweit verwendet (z. B. Textilien, Haushaltsprodukte, Brandbekämpfung, Automobilindustrie, Lebensmittelverarbeitung, Bauwesen, Elektronik). Schätzungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge wurden bisher mehr als 4700 verschiedene PFAS-Verbindungen technisch synthetisiert [5]. Diese Variabilität in Verbindungen und Applikationsfeldern führt zu einer Vielzahl an Eintragspfaden in die Umwelt, welche in der nachfolgenden Abbildung dargestellt werden:

Eintragspfade und Transportwege von PFAS in die / der Umwelt [6]

Gruppen-TWI der EFSA (2020) für vier ausgewählte PFAS

PFAS stellen sowohl für Behörden, für Lebens- und Futtermittelproduzenten als auch für Labore eine Herausforderung dar. Entsprechend der Verfügbarkeit von analytischen Standardsubstanzen erfassen analytische Methoden zur gezielten Bestimmung der PFAS in der Regel 20 bis 30, selten bis zu 60 verschiedene PFAS-Substanzen. Dementsprechend ist das Wissen zu Vorkommen von PFAS in Lebens- und Futtermitteln und deren Wirkungen auf Mensch und Tier mit Blick auf die Vielzahl der produzierten Verbindungen (noch) begrenzt. Die European Food Safety Authority (EFSA) hat 2020 erstmals eine tolerierbare Aufnahmemenge für mehr als die zwei prominentesten Vertreter dieser Stoffgruppe (PFOS und PFOA) veröffentlicht [7]. In der Stellungnahme wird für vier PFAS-Stoffe, die derzeit „am stärksten zu den im menschlichen Serum beobachteten Werten beitragen“, ein wöchentlicher Gruppengrenzwert für die tolerierbare Aufnahmemenge (TWI) von 4,4 ng/kg Körpergewicht festgelegt. Dazu gehören Perfluoroctansulfonsäure (PFOS; CAS 1763-23-1), Perfluoroctansäure (PFOA; CAS 335-67-1), Perfluorononansäure (PFNA; CAS 375-95-1) und Perfluorohexansulfonsäure (PFHxS; CAS 355-46-4). Über Höchstmengen in Lebensmitteln für diese vier Vertreter der PFAS und ein auf weitere PFAS erweitertes Monitoring wird in der Europäischen Union zurzeit diskutiert.

PFAS – Herausforderungen für Lebens- und Futtermittelproduzenten, Überwachung und Labore

Die in den durch die Europäische Union veröffentlichten Entwürfe [8,9,10] gewünschten bzw. geforderten Bestimmungsgrenzen sind für viele Labore eine Herausforderung, da aufgrund der ubiquitären Verteilung der PFAS Blindwerteinflüsse im Labor zum einen vermieden bzw. reduziert, aber auch sorgfältig kontrolliert werden müssen. Diese Blindwerteinflüsse bestimmen neben anderen Faktoren auch die Bestimmungsgrenzen.

Für Lebens- und Futtermittelproduzenten kann die Auswahl der Rohstoffe insbesondere im Umfeld einer als „Hot Spot“ bekannten Kontaminationssituation herausfordernd sein. Diese Auswahl kann auch mit Blick auf die Vielzahl der Eintragspfade und Transportwege der PFAS in der Umwelt erschwert werden.

Entwicklungen im Bereich der Analysenmethoden können in der Zukunft Regulierungsansätze der Behörden verändern. Solche Entwicklungen umfassen zum einen Verbesserungen der Messempfindlichkeit oder Erweiterung der Anzahl der analysierbaren Parameter bei den bestehenden Analysenmethoden zur gezielten Erfassung der PFAS. Denkbar ist aber auch die Entwicklung neuer Techniken zur z.B. summarischen Bestimmung der PFAS, wie dies im Umweltbereich bereits in Ansätzen möglich ist.

Die Thematik der PFAS wird somit voraussichtlich analog zu Dioxinen und PCB in den Fokus der kontrollierenden Behörden rücken und die Risikobetrachtung von Lebens- und Futtermittelproduzenten beeinflussen.

Literaturangaben:

[1] Communication from the Commission to the Council, the European Parliament and the Economic and Social Committee Community – Strategy for Dioxins, Furans and Polychlorinated Biphenyls /* COM/2001/0593 final */ (OJ 322, 17.11.2001, p.2)

[2] Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission vom 19. Dezember 2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln (ABl. L 364 vom 20.12.2006, S. 5–24)

[3] Empfehlung der Kommission vom 3. Dezember 2013 zur Reduzierung des Anteils von Dioxinen, Furanen und PCB in Futtermitteln und Lebensmitteln (2013/711/EU) (ABl. L 323 vom 4.12.2013, S. 37–39)

[4] Richtlinie 2002/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Mai 2002 über unerwünschte Stoffe in der Tierernährung (ABl. L 140 vom 30.5.2002, S. 10–22)

[5] OECD (2018): Toward a New Comprehensive Global Database of Per- And Polyfluoroalkyl Substances (PFASs): Summary Report on Updating the OECD 2007 List of Per- and Polyfluoroalkyl Substances (PFASs). OECD Series on Risk Management, No. 39, Environment, Health and Safety, Environment Directorate, OECD.

[6] Wasser 3.0 gGmbH: Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS). https://wasserdreinull.de/pfas/, 20.04.2022

[7] EFSA (2020): Risk to human health related to the presence of perfluoroalkyl substances in food. EFSA Journal 2020; 18(9):6223 (https://doi.org/10.2903/j.efsa.2020.6223)

[8] Draft: Commission Regulation (EU) amending Regulation (EC) No 1881/2006 as regards maximum levels of perfluoroalkyl substances in certain foodstuffs (SANTE 11183-2018 Rev.4)

[9] Draft: Commission Recommendation on the monitoring of perfluoroalkyl substances in food (SANTE 2021-10010-Rev.4)

[10] Draft: Commission Implementing Regulation (EU) laying down methods of sampling and analysis for the control of perfluoroalkyl substances in certain foodstuffs (SANTE 11354-2021 Rev.1)