Patientendaten – Die Lebensadern eines modernen Behandlungspfades

Quelle: PopTika/shutterstock.com

von Prof. Dr. Thomas Jäschke

Unsere datenverarbeitenden Systeme bieten, in Kombination mit Künstlicher Intelligenz und Big Data Möglichkeiten, die auch heute von kaum einem Menschen mit verlässlichen Prognosen belegt werden können. Große Chancen, die auch die Entwicklungen im Gesundheitswesen betreffen, auch wenn wir hier, insbesondere in Deutschland in Bezug auf die technologische Risikobereitschaft, im Vergleich zu anderen Nationen noch Aufholbedarf haben. Ein Datenschutzproblem? Betrachtet man unser mobiles Nutzerverhalten und die Tatsache, dass, um es mit Alan Musks Worten zu sagen, ein vergessenes Handy sich anfühle, als fehle einem ein Gliedmaß. sollten wir schon um einiges weiter sein. Bereits heute verarbeiten wir Unmengen von Daten, die nicht nur eine der wertvollsten Ressourcen unserer Zeit darstellen, sondern auch als Lebensader einer modernen Patientenbehandlung fungieren.

Der Stellenwert von Patientendaten hängt stark von der Perspektive ab. Patienten erwarten eine möglichst fundierte Behandlung unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten. Für sie ist es wichtig, dass ein behandelnder Arzt nicht nur die eigenen Akten als Daten zur Verfügung hat. Einfach ausgedrückt: Je mehr Daten über einen Patienten zur Verfügung stehen, je erfolgreicher die jeweilige Behandlung. Aus ebendiesem Grund haben auch Ärzte und Kliniken ein großes Interesse daran, mit den zur Verfügung gestellten Daten zu forschen. So wird es im besten Fall möglich induktiv zu agieren und der Allgemeinheit einen Mehrwert zu bieten, um konkrete Behandlungsmethoden zu verbessern. In den meisten Fällen reichen hier pseudonymisierte Daten aus. Allerdings haben gerade in der Forschung personalisierte Daten einen enormen Wert, da sie medizinische Durchbrüche bedeuten können.

Während Deutschland bereits seit Jahren kontrovers über die elektronische Gesundheitskarte diskutiert, regelmäßig über Pannen bei elektronischen PopTika/shutterstock.com Patientendaten berichtet wird, sind andere Länder weiter. In Estland kann man die langwierigen Diskussionen nicht nachvollziehen. Oftmals wird dann der Datenschutz als Grund für die mangelnde Handlungsfähigkeit genannt. „Das geht aus Datenschutzgründen nicht“ ist inzwischen zu einer Art Totschlagargument für innovative Ideen geworden. Seit Inkrafttreten der DSGVO hat sich die Wahrnehmung, nicht zuletzt durch eine oft polemische mediale Berichterstattung noch verschärft. Datenschutz gilt inzwischen als bürokratische Hürde. Die Meldungen über Bäcker, die ihre Kunden nicht mehr beim Namen nennen dürfen, aus Datenschutzgründen, haben sich tief in das Bewusstsein der Bevölkerung eingegraben. Dieses Beispiel zeigt wie emotional aufgeladen inzwischen mit dem Thema umgegangen wird. Eine sachliche Auseinandersetzung wird so zur großen Herausforderung.

„Der sorgsame Umgang mit unseren Daten steht eben nicht im Widerspruch mit innovativen Lösungen, die der Gesundheitsbranche einen wichtigen Schritt hin zu besseren Behandlungsmethoden ermöglicht.“

Der eigentliche Sinn und Zweck des Datenschutzes, Missbrauch zu verhindern und so ein Grundrecht unserer Bürger zu gewährleisten, gerät zusehends in den Hintergrund. Dabei ist die eigentliche Ursache für die schleppende Digitale Transformation nicht der Datenschutz. Vielmehr sitzen hierzulande in vielen Bereichen Bedenkenträger an wichtigen Positionen. In Deutschland wollen wir immer alles zu 110% erledigen, vielleicht kommt das aus der Tradition des ja durchaus respektablen und überaus erfolgreiche Ingenieurwesens. Immer öfter stehen wir allerdings mit dieser Haltung wichtigen Entwicklungen und schließlich uns selbst im Weg.

Dabei sind die Voraussetzungen in Deutschland bei weitem nicht so schlecht wie vielmals angenommen. Die technische und die Wissensbasis befinden sich auf einem extrem hohen Niveau. In Hinblick auf die Informationssicherheit und auch den Datenschutz spielt Deutschland eine Vorreiterrolle. Wir sind schon längst dazu in der Lage auch sensible medizinische Daten datenschutzkonform für Forschungsprojekte zu nutzen. Daher besteht auch weiter berechtigte Hoffnung, dass wir in den nächsten Jahren wichtige Schritte hin zu einer digitalisierten Patientenbetreuung gehen.

Voraussetzung ist allerdings ein Kulturwandel, sonst gelingt keine digitale Transformation im Gesundheitswesen. Mit der Informationellen Selbstbestimmung haben wir eine Grundlage für unser Handeln mit unseren persönlichen Daten. Darüber hinaus neigen Gesetzgeber zum Hang der Überregulierung. Wir sollen nicht auf unsere Grundrechte verzichten, wir benötigen vom Gesetzgeber aber praxisnahe Rahmenbedingungen. Der sorgsame Umgang mit unseren Daten steht eben nicht im Widerspruch mit innovativen Lösungen, die der Gesundheitsbranche einen wichtigen Schritt hin zu besseren Behandlungsmethoden ermöglicht. Allerdings wird es Zeit in Anspruch nehmen, bis sich diese Erkenntnis auch voll und ganz durchgesetzt hat.

Damit ein Unternehmen den Weg der digitalen Transformation erfolgreich absolviert, hängt darüber hinaus von einer Vielzahl von Faktoren ab. Zum einen müssen gerade im Gesundheitswesen viel mehr Kooperationen stattfinden. Start-ups haben oft geniale Ideen und gute Ansätze, ohne das Branchen-Know-how von Krankenhäusern und Dienstleistern aus der Gesundheitsbranche lässt sich kein nachhaltiger Erfolg einstellen, zu komplex ist das Themenfeld. Darüber hinaus haben sich Insellösungen oft als problematisch erwiesen. Zu oft entstehen über kurz oder lang Konflikte mit der Gesamtstrategie eines Unternehmens. Und drittens. Das ist dann auch eines meiner Fachgebiete, was meistens versäumt wird von Anfang an zu betrachten ist: Datenschutz und Informationssicherheit, was auch Bereiche wie Verschlüsselung und Einwilligungen umfasst. Wenn diese Aspekte erst im Laufe des Projektes identifiziert werden ggf. vom Datenschutzbeauftragten der Institution, der deutlich macht, dass eine Umsetzung datenschutzrechtlich nicht akzeptabel ist, entstehen so im Nachhinein Probleme innerhalb des Projektes. Werden diese nämlich zu spät berücksichtigt, dann wird es im Grunde schlecht oder teuer: oder beides.

 

Prof. Dr. Thomas Jäschke
Vorstand
DATAREE AG

 

Quelle: Janine Schmitz/photothek.net

 

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