Northern Lights: Hier werden zukünftig Europas CO2-Emissionen gespeichert

Die Speicherung von CO2 im Boden ist ein zentraler Baustein, um die europäischen Klimaziele zu erreichen. Wie steht es also um eines der ehrgeizigsten europäischen Projekte zum Transport und zur Speicherung von CO2?

Inzwischen ist es in der Wissenschaft weitestgehend unstrittig: Um den Klimawandel aufzuhalten, reicht es längst nicht aus, den Ausstoß von CO2 lediglich zu reduzieren. Die Speicherung von CO2 im Boden mittels CO2-Abscheidung und -speicherung (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) ist nach Angaben der Internationalen Energieagentur ein entscheidender Bestandteil der Netto-Null-Ziele.

Obwohl CO2-Speicherung bereits seit vielen Jahrzehnten angewandt wird, ist sie mit kaum mehr als zwei Dutzend kommerziellen Anlagen, die heute in Betrieb sind, immer noch eine Einzellösung. Doch mit der Entwicklung größerer Projekte, die CO2-Speicherung als Dienstleistung anbieten, ist der Wandel bereits eingeleitet. Das erste in dieser Reihe trägt den Namen Northern Lights. Dahinter verbirgt sich ein im März 2021 von Equinor, Shell und TotalEnergies gegründetes Joint Venture zur dauerhaften Speicherung von abgeschiedenem CO2 unter der Nordsee.

Northern Lights entwickelt eine offene und flexible Infrastruktur, um CO2 per Schiff von den Abscheidungsanlagen der industriellen Emittenten zu einem Terminal an der Westküste Norwegens zu transportieren. Hier wird das CO2 zwischengelagert, bevor es per Pipeline zu seinem endgültigen Speicherort in Gesteinsschichten 2.600 Meter unter dem Meeresboden transportiert wird. Im Auftrag des Joint Ventures ist Equinor für den Bau der Anlagen an Land zuständig und erbringt technische Dienstleistungen im Offshore-Bereich.

Das Projekt Northern Lights ist Teil einer ambitionierten Initiative der norwegischen Regierung namens Longship, deren Ziel es ist, bis zum Jahr 2024 im ganzen Land eine umfassende Wertschöpfungskette für CO2-Speicherung und -Abscheidung zu entwickeln. Im Rahmen von Longship werden die CO2-Emissionen von großen Industrieunternehmen wie Heidelberg Materials und Fortum Oslo Varme abgeschieden und dann mit speziell entwickelten Schiffen abtransportiert.
Die landseitigen Anlagen werden derzeit in der Nähe von Bergen an der Westküste Norwegens gebaut. Von dort aus wird das CO2 über 110 Kilometer in Gesteinsschichten unter dem Meeresboden in der Nordsee geleitet, in einer Lagerstätte namens Aurora. Die Sandsteinformation befindet sich unter 300 Metern Meerwasser und mehr als 2,6 Kilometern Gesteinsschichten. In Zukunft werden industrielle Emittenten aus ganz Europa Northern Lights als CO2-Speicher nutzen können.

Eine Reihe europäischer Unternehmen hat bereits Interesse bekundet. Ankerkunden des Joint Ventures sind Heidelberg Materials und Yara.

Northern Lights ist eines der ehrgeizigsten Projekte seiner Art, dennoch wäre eine beträchtliche Anzahl solcher Vorhaben erforderlich, um die europäische Industrie vollständig zu dekarbonisieren. Es wird jedoch erwartet, dass CO2-Speicherung zusammen mit dem Einsatz erneuerbarer Energien, der Steigerung der Energieeffizienz und weiteren Faktoren dazu beitragen wird, Emissionen zu reduzieren. Hinzukommt, dass Northern Lights nur die erste Industrieanlage ihrer Art ist, die sich in Zukunft entwickeln werden. Equinor hofft, das Projekt als Startpunkt zu nutzen, um bis zum Jahr 2035 15-30 Millionen t CO2 pro Jahr speichern zu können. Auf dem Weg dorthin erhielt Equinor im Frühjahr 2022 die Konzession für die Entwicklung der CO2-Speicher „Smeaheia“ in der Nordsee und gemeinsam mit Vår Energi und Horisont Energi „Polaris“ in der Barentssee. Die CO2-Speicherkapazität in „Smeaheia“ kann dabei auf bis zu 20 Millionen Tonnen jährlich ausgebaut werden.

Das durch Northern Lights erworbene Fachwissen wird alle Joint-Venture-Partner in die Lage versetzen, ähnliche Projekte in Zukunft kostengünstiger zu realisieren. Und die wirtschaftlichen Argumente für weitere Anlagen zur CO2-Speicherung werden angesichts des seit vier Jahren steigenden europäischen CO2-Preises immer deutlicher. Heute ist Northern Lights ein einzigartiges Beispiel dafür, wie die Dekarbonisierung in großem Maßstab in der Praxis funktionieren könnte. In Zukunft könnte es Teil jener Strategie sein, die uns hilft, den Klimawandel zu bewältigen.