Nicht weniger als eine digitale Revolution

In weniger als 10 Monaten bewältigte Pfizer gemeinsam mit seinem Partner BioNTech eine hochkomplexe Herausforderung, die sonst gut und gerne zehn Jahre oder länger dauert: Die Entwicklung eines Impfstoffs bis zum Einsatz in der Praxis. Thomas Kleine, verantwortlich für den Bereich Digital & IT bei Pfizer in Deutschland, erklärt, wie das auch dank konsequenter Digitalisierung gelingen konnte und welche Rolle sein Bereich hier gespielt hat.

Gerade im Gesundheitswesen stößt die Digitalisierung immer wieder auf Bedenken und Vorbehalte. Manche befürchten den „gläsernen Patienten“, andere sorgen sich, dass die nötigen Investitionen in keinem Verhältnis zum erreichbaren Fortschritt stünden. Die Pandemie hat uns nun ebenso unfreiwillig wie eindrucksvoll gezeigt, welches Potential in der Digitalisierung tatsächlich steckt.

BioNTech und Pfizer begegneten dem sich abzeichnenden Ausnahmezustand mit vereinten Kräften. Dabei mussten gleich zwei Herkulesaufgaben bei Kleine’s Arbeitgeber parallel bewältigt werden. Zum einen galt es, die Digitalisierung der eigenen Organisation beherzt voranzutreiben. So mussten beispielsweise bei Pfizer 80 Prozent der Kolleginnen und Kollegen, rund 80.000 Menschen, quasi über Nacht auf virtuelles Arbeiten umgestellt werden. Zum anderen bedeutete es, eine der größten Herausforderungen unserer Zeit digital zu beschleunigen: die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das Coronavirus. Diese Impfstoffentwicklung im Zeitraffer war nicht weniger als eine digitale Revolution. Denn der Einsatz von technologischen Innovationen in Entwicklung, Herstellung und Vertrieb sowie neuartige Kooperationen waren ein Schlüssel für das Gelingen dieses Vorhabens. Wie man bei Pfizer in der Praxis konkret von der Digitalisierung profitierte, verdeutlichen die folgenden Beispiele.

Smart Data Query: Ein Booster für jede Datenanalyse

Zu Beginn der Pandemie bestand eine der Herausforderungen darin, klinische Studien der Phase 2/3 mit mehr als 44.000 TeilnehmerInnen weltweit durchzuführen und die sehr großen Datenmengen in kurzer Zeit zu analysieren. Eine automatisierte Datenerfassung und deren Echtzeitanalyse waren dafür unerlässlich. Bislang dauerte es nach Ende einer klinischen Studie mehr als 30 Tage, um die Patientendaten zu überprüfen, damit die WissenschaftlerInnen anschließend die Ergebnisse auswerten können. Hierfür werden die Datensätze meist manuell überprüft, um nach Codierungsfehlern und anderen Unregelmäßigkeiten zu suchen, die natürlich beim Sammeln von Dutzenden von Millionen von Datenpunkten auftreten können. Aber dank eines neuen maschinellen Lernwerkzeugs namens Smart Data Query (SDQ), waren die klinischen Studiendaten für COVID-19-Impfstoffe nur 22 Stunden nach Erreichen der benötigten Fallzahlen bereit, überprüft zu werden. Die neue Technologie ermöglichte es dem Team, während der gesamten Studie ein außergewöhnliches Maß an Datenqualität aufrechtzuerhalten, so dass in den letzten Schritten nur minimale Diskrepanzen behoben werden mussten.

Moderne Produktion: Digital Operation Center und Augmented Reality

Nicht nur in der Forschung, auch in der Produktion ging bei der Herstellung des Corona-Impfstoffs ohne Digitalisierung nichts. Um eine Übersicht über alle Produktions- und Lieferleistungs-Daten zu erhalten, baute unser globales Team in nur zwei Wochen ein sogenanntes Digital Operation Center für die beschleunigte Herstellung des Impfstoffs auf. 8.500 KollegInnen an 30 Standorten sorgten dafür, dass Probleme wie Lieferengpässe frühzeitig vorhergesagt wurden und in Echtzeit darauf reagiert werden konnte.

Und um auch in Zeiten von Remote-Working und reduzierter Zahl an MitarbeiterInnen in den Produktionsstätten die Fertigung aufrechterhalten zu können, ohne dass ExpertInnen zu den einzelnen Standorten reisen müssen, nutzen wir Augmented Reality in den Produktionsstätten und Labors für die Diagnose und Reparatur von Geräten. Die KollegInnen vor Ort erhielten über mobile Geräte oder Smart Glasses Anweisungen für komplexe Vorgänge, wie beispielsweise Arbeiten an elektrischen Leitungen. Dadurch minimierte das Unternehmen gleichzeitig das Risiko einer Ansteckung mit COVID-19 innerhalb der Belegschaft.

Intelligente Logistik mit Dashboards und smarten Transportboxen

Die Mammutaufgabe der Versorgung mit Impfstoffen endete jedoch nicht an unseren Werkstoren. Auch in der Logistik setzten wir auf smarte digitale Lösungen, um Qualität und Sicherheit zu gewährleisten: Als konsequent datengetriebenes Unternehmen ermöglichten entsprechende Dashboards und Visualisierungen die zielgenaue Verteilung des Impfstoffs. So hatten wir Real-Time-Einblicke in die Logistikdaten. Um die strengen Temperaturvorgaben während des gesamten Verteilungsprozesses einhalten zu können, wurden zudem spezielle Transportboxen entwickelt. Diese sind mit modernsten, GPS-fähigen Thermosensoren ausgestattet. Sie messen und dokumentieren die Temperatur des Impfstoffs in Echtzeit und ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung, welche ebenfalls mittels Pfizer’s Data & Analytics Plattform ausgewertet werden konnten.

Diese Beispiele verdeutlichen eindrucksvoll, dass es durch den konsequenten Einsatz innovativer Technologien sowie erfolgreiche Anpassungen existierender IT-Prozesse über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg möglich gewesen ist, in Rekordzeit ein Mittel gegen eine der größten Herausforderungen unserer Zeit zu entwickeln, zu produzieren und zu verteilen. Einen Impfstoff, der bis dato hunderte Millionen Menschen weltweit gegen eine COVID-19-Infektion schützt. Eine Kooperation mit BioNTech und vielen weiteren Partnerunternehmen und Zulieferern, die zeigt, dass Digitalisierung echten und unmittelbaren Fortschritt bedeuten kann.

Thomas Kleine leitet seit Januar 2017 den Bereich „Digital“ von Pfizer in Deutschland. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Osnabrück und Augsburg sowie an der Katz Graduate School of Management in Pittsburgh, PA.