Neue Strukturmöglichkeiten im Lichte der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts:

Die gemeinnützige GmbH (gGmbH) als immer beliebter werdende Rechtsform für gemeinnütziges und mildtätiges Handeln.

Einleitung

Der in Deutschland als sogenannter „Dritter Sektor“ bezeichnete Non-Profit Bereich, in dem eine Vielzahl von Stiftungen und gemeinnützigen Unternehmen zu verorten sind, bildet eine facettenreiche Sphäre jenseits der staatlichen Verwaltung (sog. erster Sektor) sowie der profitorientierten Ökonomie (sog. zweiter Sektor, For-Profit). Sogenannte Non-Profit-Organisationen (NPO‘s) übernehmen vielfältige, aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenkende gemeinnützige Aufgaben. Die Organisationen tragen zur Sozialintegration bei und bieten ein breites Spektrum an Dienstleistungen insbesondere im sozialen Bereich sowie im Gesundheitswesen an und sind mittelweile unverzichtbar für die Gesellschaft.

Zum Dritten Sektor zählen deutschlandweit mehr als 600.000 Organisationen. Mit ca. 4 Millionen Beschäftigten (sozialversicherungspflichtig und geringfügig) spielt der Bereich auch eine zentrale Rolle für den Arbeitsmarkt und die Wertschöpfung in der Gesamtwirtschaft.

Der Non-Profit Bereich wurde lange Zeit eher vernachlässigt, ist jedoch aufgrund seiner wichtigen Funktion für die Gesellschaft und der zunehmenden Ökonomisierung der Non-Profit-Organisationen in den vergangenen Jahren stärker in den Fokus von Politik, Finanzverwaltung und Gesellschaft gerückt.

Nicht nur aufgrund der Corona Pandemie, sondern auch aufgrund von immer höheren Anforderungen gesetzlicher Art werden die NPO‘s vor schwierige Herausforderungen wirtschaftlicher als auch struktureller Art gestellt. Betriebswirtschaftliche Instrumente, wie man sie von For-Profit-Organisationen kennt, können nicht einfach „copy & paste“ nahtlos auf eine gemeinnützige Organisation übertragen werden. Vielmehr bedarf es Anpassungen an die besonderen Strukturen und Anforderungen der NPO‘s.

Die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts im Jahressteuergesetz 2020 war daher ein wichtiger Schritt für die NPO’s, Strukturmöglichkeiten zu schaffen, die ihren bisher verwehrt waren. Die NPO‘s sind zukünftig, unter Ausnutzung der nun gegebenen Möglichkeiten, in der Lage, noch professioneller und effizienter am Markt aufzutreten.

gGmbH − Gemeinnützige GmbH als Rechtsträger für die Umsetzung steuerbegünstigter Zwecke

Die Rechtsform der gemeinnützigen GmbH (gGmbH) erfreut sich als Rechtsform für steuerbegünstigte Zwecke immer größerer Beliebtheit. Derzeit sind schätzungsweise ca. 25.000 gGmbH in deutschen Handelsregistern eingetragen. Die Tendenz ist steigend, da eine Vielzahl von Vereinen aufgrund wachsender Geschäftstätigkeit ihrer Rechtsformen entwachsen und einen Formwechsel in eine gGmbH vornehmen.

Die Rechtsform der gGmbH (§ 4 Satz 2 GmbHG) ist jedoch keine gesellschaftsrechtliche Sonderform, sondern es gelten grundsätzlich die allgemeinen Regelungen des GmbH-Rechts. Besonderheiten ergeben sich lediglich im Hinblick auf die Zweckverfolgung der gGmbH. Diese orientiert sich an den steuerlich begünstigten Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. AO (Abgabenordnung). Steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der §§ 51 ff. AO sind gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke, welche von der gGmbH selbstlos, ausschließlich sowie unmittelbar verfolgt werden müssen.

Die gGmbH ist unter Erfüllung diverser gesetzlicher Anforderungen als Kapitalgesellschaft von der Entrichtung der Körperschafts-, und Gewerbesteuer befreit. Außerdem können Leistungen, die zur Erfüllung von gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Zwecken erbracht werden, unter Umständen mit reduzierter Umsatzsteuer oder ohne Umsatzsteuer abgerechnet werden. Die gemeinnützige Gesellschaft kann bei Zuwendungen aus Schenkungen oder Erbschaften von der Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer befreit werden.

Charakteristisch für alle gemeinnützigen Organisationen ist die Besonderheit des rechtsformunabhängigen Gewinnausschüttungsverbotes. Gewinne dürfen nicht ausgeschüttet werden, sondern lediglich für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Ausschüttungen laufender Gewinne oder von Liquidationsgewinnen an nichtgemeinnützige Gesellschafter oder Dritte verstoßen gegen den Grundsatz der Selbstlosigkeit (§ 55 AO).

Analog einer For-Profit GmbH erfolgt die Führung der Geschäfte durch einen Geschäftsführer. Fakultativ und zu seiner Unterstützung können noch weitere Organe wie beispielsweise ein Aufsichtsrat oder Beirat etabliert werden. Besondere Organe sind aufgrund der gemeinnützigen Ausrichtung der gGmbH nicht vorgeschrieben. Jedoch sind die gesetzlichen Regelungen (§ 52 GmbHG) für die Bestellung eines obligatorischen Aufsichtsrates auch für die gGmbH bindend. Außerdem sind beim Abschluss eines Dienstvertrages zwischen dem Geschäftsführer und der gGmbH gemeinnützigkeitsrechtliche Besonderheiten zu beachten. Besonders zu berücksichtigen sind insbesondere die gemeinnützigkeitsrechtlichen Besonderheiten im Hinblick auf die Höhe der Vergütungen des Geschäftsführers. Die Vergütung darf nicht unverhältnismäßig hoch sein, wobei das Gesamtbild aller gewährten Vergütungsbestandteile kumuliert zu bewerten ist (§ 55 Absatz 1 Nr. 3 AO). Sofern von der Finanzverwaltung die Zahlung von überhöhten Vergütungen festgestellt wird, kann dies unter Umständen zum Verlust der Gemeinnützigkeit aufgrund einer Mittelfehlverwendung führen.

Haftung der Geschäftsführung einer gGmbH

Neben den üblichen Haftungsregeln des GmbHG ergibt sich eine nicht zu unterschätzende erweiterte Haftung im Hinblick auf die Erfüllung der steuerlichen Anforderungen an eine gemeinnützige Organisation, die sich aus der Abgabenordnung und den Einzelsteuergesetzen ergibt.

Sofern sich im Rahmen des steuerlichen Veranlagungsverfahrens herausstellt, dass die tatsächliche Geschäftsführung von der Satzung abweicht, weil bspw. Mittel fehlverwendet wurden, kann das zum Verlust der Gemeinnützigkeit im jeweiligen Veranlagungszeitraum führen. Dann drohen der Gesellschaft unter Umständen erhebliche Nachforderungen steuerlicher Art. Diese können, aufgrund des Gebotes der zeitnahen Mittelverwendung, die es NPO‘s verbietet, hohe Kapitalrücklagen zu bilden zu existenziellen Schwierigkeiten oder gar zur Insolvenz führen. Zu beachten ist dann, dass die Geschäftsführer nach der Regelung des § 15b InsO bei verspäteter Antragstellung für eine eingetretene Masseschmälerung persönlich haften. Darüber hinaus können die geschäftsführenden Organe und Verfügungsberechtigten bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln auch persönlich für die Steuerschulden der Gesellschaft haftbar gemacht werden (§§ 34, 35, 69 AO). Aus alledem wird ersichtlich, dass die Haftung der Geschäftsführung bei einer gGmbH um einiges größer sein kann als bei einer „normalen“ For-Profit GmbH. Es ist daher angeraten, zwingend eine D&O Versicherung für die handelnden Personen abzuschließen.

Reform des Gemeinnützigkeitsrechts schafft Möglichkeiten der Haftungsreduzierung und Effizienzsteigerung

Durch die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts hat der Gesetzgeber den NPOs nun Möglichkeiten und Chancen eingeräumt, die bereits sehr lange überfällig waren. Insbesondere wurden Neuregelungen geschaffen, die es ermöglichen, den NPOs gemeinnützige Konzernstrukturen zu schaffen und bisher in wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ausgelagerte Servicegesellschaften in den gemeinnützigen Verbund einzubinden. Was für den Bereich der For- Profit-Organisationen gang und gäbe ist, nämlich eine Betriebsaufspaltung mit dem Ziel der Asset Protection, war bis zur Reform nicht ohne weiteres möglich.

§ 57 AO – Möglichkeit der Schaffung von Holdingstrukturen

Bis zu den Reformbemühungen konnten Organisationen an der Konzernspitze, die neben dem reinen Halten von Beteiligungen selbst keine steuerbegünstigen Zwecke verwirklichen, nicht als gemeinnützig anerkannt werden. Durch die Neuregelung in § 57 Abs. 4 AO ist es nun auch möglich, dass eine reine Holdingkörperschaft ohne eigene operative gemeinnützige Tätigkeit an der Spitze eines gemeinnützigen Konzerns steuerbegünstigt sein kann.

Somit ist es nun endlich möglich, effiziente Beteiligungsstrukturen zu schaffen und das Betriebsrisiko vom Vermögen der Gesellschaft zu trennen. Durch die Gesetzesänderung fingiert der Gesetzgeber nunmehr eine unmittelbare Zweckverwirklichung, wenn eine Gesellschaft ausschließlich Anteile an gemeinnützigen Gesellschaften hält und verwaltet. Bisher behinderte das Gebot der Unmittelbarkeit den Aufbau von Non-Profit-Konzernen bzw. Non- Profit-Holdingstrukturen, da innerhalb von Non-Profit-Konzernen bislang lediglich die jeweiligen Tochtergesellschaften unmittelbar gemeinnützige Zwecke verwirklichten. Ausschließlich die operativ tätige Tochtergesellschaft war als gemeinnützig anerkannt, während die Holding Gesellschaft, da sie selbst nicht unmittelbar gemeinnützig tätig war, der vollen Steuerpflicht unterlag.

Durch die Neuregelung können nun zeitgemäße Beteiligungsstrukturen aufgebaut und eine Professionalisierung der Führung und Verwaltung der Gesellschaften herbeigeführt werden.

§ 57 Abs. 3 AO – Stärkung von Kooperationen

Das Gebot der Unmittelbarkeit, das besagt, dass gemeinnützige Organisationen ihre satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklichen müssen (§ 57 Abs. 1 AO), hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass aus verschiedensten Gründen in eigene Gesellschaften ausgegliederte Betriebsteile nicht als gemeinnützig anerkannt wurden, obwohl sie für die gemeinnützige Organisation wichtige Unterstützungsleistungen erbracht haben. Durch die Neuregelungen, wird nun ebenfalls die unmittelbare Zweckverwirklichung fingiert, wenn eine Organisation gemeinsam mit mindestens einer weiteren Organisation einen steuerbegünstigten Zweck verfolgt. Infolgedessen können Servicegesellschaften als gemeinnützig anerkannt werden, sofern sie ihre Leistungen der Mutterorganisation bereitstellen und ihre Satzung selbst den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen entspricht. Aufgrund der Auslagerung von Unterstützungsleistungen auf Gesellschaften, die nun ebenfalls als steuerbegünstigt anzusehen sind, kann ebenfalls eine Effizienzsteigerung und Kostensenkung herbeigeführt werden.

Fazit:

Trotz der hohen Anforderungen und Grenzen des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts bildet eine gemeinnützige GmbH zur Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke nach wie vor eine gute Alternative zu anderen Gesellschaftsformen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Einhaltung einer Vielzahl von Regelungen, die über das normale Recht der Kapitalgesellschaften hinaus gehen, zu beachten sind und insbesondere die steuerlichen Anforderungen an die Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke und der Mittelverwendung mit nicht unerheblichen Haftungsrisiken für den Geschäftsführer verbunden sind. Aufgrund der Neuregelung ist es nun auch gemeinnützigen Organisationen möglich, zeitgemäße Beteiligungsstrukturen zu schaffen und dadurch Haftungsrisiken für die Gesellschaft zu minimieren sowie flexiblere Kooperationsmöglichkeiten der Arbeitsteilung mit anderen (Tochter-) Gesellschaften besser auszunutzen.