Neue Aufgaben für den Chief Financial Officer | Exportfinanzierung vor neuen Herausforderungen

Wer bei Großprojekten in Entwicklungs- oder Schwellenländern im Wettbewerb bestehen will, muss heute auch ein abgestimmtes Finanzierungskonzept vorweisen können. Das setzt voraus, dass Finanzabteilung und CFO von Anfang an in das jeweilige Projekt involviert sind. Dies ist umso wichtiger, wenn in Krisenzeiten schnell und flexibel reagiert werden muss.

von Dr. Peter Zattler

Für eine exportorientierte Wirtschaft wie die deutsche war das Thema Exportfinanzierung immer schon essenziell. Aber in den letzten Jahren hat sich die Rolle der Finanzabteilung – und damit auch die Rolle des CFO – gewandelt. Eine flexibel konzipierte Exportfinanzierung ist mehr und mehr zu einem integralen Bestandteil des Projektgeschäfts geworden und damit zu einem wesentlichen Wettbewerbsfaktor.

Gerade Kunden aus Entwicklungs- oder Schwellenländern fragen heute in der Regel bei Großprojekten schon in der Akquisitionsphase nach einer passenden Finanzierungslösung für das jeweilige Projekt. Anbieter von Maschinen und Anlagen müssen sich daher nicht nur mit der technischen Ausarbeitung von Projekten auseinandersetzen: Mittlerweile wird ein fast ebenso großer Aufwand für die Finanzierung betrieben, insbesondere wenn der Wert einer Investition im zweistelligen Millionenbereich oder höher liegt. Im Wettbewerb mit anderen Anbietern ist ein genau abgestimmtes Finanzierungskonzept damit nicht weniger entscheidend als die technischen Lösungen der jeweiligen Anlagen oder der angebotene Service – den Zuschlag erhält das beste Gesamtpaket. CFO und Finanzabteilung leisten damit bereits bei der Anbahnung von Großprojekten einen zentralen Beitrag. Typischerweise sind Entwicklungs- und Schwellenländer interessante, aber auch schwierige Märkte, nicht zuletzt, weil die Bonität der Kunden mitunter unbefriedigend ist. Das gilt auch dann, wenn es sich bei den Kunden um staatliche Stellen, so genannte „Sovereigns“, handelt, deren Bonitätsbewertung in erster Linie von der entsprechenden Länderkategorie abhängig ist. Exporteure müssen daher schon in der Angebotsphase ein Finanzierungskonzept anbieten, das die länderspezifischen Gegebenheiten bewertet und in Zusammenarbeit mit den eigenen Hausbanken und staatlichen Kreditversicherern („Export Credit Agencies“ – ECA) erarbeitet wird. Eine im Projektverlauf frühzeitige Beteiligung der Corporate Finance-Einheit und des CFO ist dafür unerlässlich. So können Vertriebseinheiten schnell mit Marktinformationen versorgt werden. Wobei es zunächst nicht zu sehr auf Detailfragen ankommt, sondern vielmehr auf die grundsätzliche Machbarkeit einer langfristigen Finanzierung, verbunden mit Indikationen zur möglichen Laufzeit der Finanzierung sowie zu Kosten und Zinssätzen.

Lieferantenkredit und Bestellerkredit als Optionen
Grundsätzlich bietet die Euler Hermes AG als ECA für deutsche Exporte hier zwei Möglichkeiten der Absicherung: zum einen die Lieferantenkreditdeckung. Dabei sichert der Exporteur seine  Forderung an den Abnehmer über die ECA ab. Die zweite – hier im Fokus stehende – Möglichkeit ist der ECA-gedeckte Bestellerkredit, bei dem der (staatliche) Abnehmer den Kredit selbst bei einer Bank aufnimmt, die wiederum eine entsprechende Deckung von Euler Hermes erhält. Der Geldfluss erfolgt direkt an den Exporteur analog zum Liefer- und Leistungsplan des Exportgeschäftes. Auch in diesem Fall ist der Exporteur schon von der Anbahnung des Projekts an in den Finanzierungsprozess involviert. Er bespricht mit dem Kunden, wie die jeweilige Finanzierung aussehen kann und versucht, auch Einfluss auf die Auswahl der Partner und die Gestaltung der für ihn wichtigen Bestandteile des Kreditvertrages zu nehmen. Im Idealfall moderiert die Finanzabteilung, beziehungsweise der CFO des Exporteurs, den gesamten Finanzierungsprozess, auch wenn er selbst keine Kreditmittel bereitstellen muss. Eine solche Moderation bedingt, dass die Finanzabteilung und der CFO des Exporteurs frühzeitig und vollständig in das Projekt eingebunden sind und die wesentlichen Aspekte einer ECA-Finanzierung kennen.

Eine Voraussetzung für den ECA-gesicherten Bestellerkredit ist unter anderem eine Anzahlung von 15 Prozent der jeweiligen Investitionssumme. Der Prozentsatz richtet sich dabei nach den Regeln des OECD-Konsensus. In besonderen Situationen lässt sich diese Anzahlung zwar notfalls separat finanzieren, allerdings ist sie auch als Test zu verstehen, ob der Kunde generell über eine bestimmte „Grund-Solvenz“ verfügt. Ebenso untermauert die geleistete Anzahlung eine gewisse Ernsthaftigkeit des Abnehmers an der Projektrealisierung.

Exportfinanzierung in der Pandemie – Hohe Flexibilität ist gefordert
Wie wichtig es für Exporteure ist, dass so ein Finanzierungsmodell flexibel ist, aber auch, dass die involvierten Gremien nah am Geschehen sind, hat gerade die Ausbreitung der Corona-Pandemie gezeigt. So stand Giesecke+Devrient noch im März diesen Jahres mitten im Aufbau einer Produktion für Banknoten und Banknotenbearbeitung in einem Schwellenland. Die Projektarbeiten vor Ort mussten unterbrochen und alle Projektingenieure zurückbeordert werden. Eine Wiederaufnahme der Arbeiten war kurzfristig ausgeschlossen und mittelfristig zunächst nicht absehbar. Nun lässt sich zwar das Projekt-Management mit Meetings und allem nötigen Informationsaustausch weitgehend digital durchführen, aber gebaut werden muss an Ort und Stelle. Um ein derartiges Projekt aufgrund von Reisebeschränkungen nicht einfach auf unbestimmte Zeit stillzulegen – mit entsprechenden finanziellen Folgen für alle Beteiligten –, muss flexibel reagiert werden. Im konkreten Fall wurden beispielsweise Maschinen nicht wie geplant beim Kunden vor Ort aufgebaut, in Betrieb gesetzt und abgenommen, sondern bei Giesecke+Devrient in München. Die Kundenabnahme erfolgte auf digitalem Weg per Livestream, nachdem dessen Ingenieure krisenbedingt ebenso wenig reisen können. Anstelle des Site Acceptance Test (SAT) beim Kunden wird nun ein Factory Acceptance Test (FAT) vorgenommen, was ursprünglich in den Verträgen so nicht vorgesehen war. Insofern müssen alle Beteiligten in der Lage sein, schnell und flexibel zu agieren.

Aufgrund der engen  Verflechtung von Projekt und Finanzierung muss auch hier der CFO eng in die Prozesse eingebunden sein. Die zeitnahe Information über Abweichungen von der ursprünglichen und beantragten Liefer- und Leistungsplanung an Euler Hermes und an die finanzierende Bank ist zwingend erforderlich; eventuell verlängerte Risikolaufzeiten müssen beantragt werden. Ebenso können die Verschiebungen im Projektablauf auch den eigenen Finanzierungsbedarf und die Kostenkalkulation auf Konzernebene beeinflussen.

Im Beispielfall wurden im Anschluss an den FAT die vom Kunden abgenommenen Anlagen abgebaut, verpackt, versandt und am Bestimmungort wieder aufgebaut. Voraussetzung dafür ist, dass die Logistik weiterhin funktioniert, was jedoch in der Corona-Krise – wenn auch über Umwege – stets der Fall war. Allerdings fallen Logistikkosten eventuell höher als ursprünglich geplant an, da beispielsweise Luftfracht statt Schiffstransport verwendet werden muss. Fazit: Andere Prozessschritte führen grundsätzlich zu anderen Kosten, was ein flexibles Finanzierungskonzept ebenfalls berücksichtigen muss.

Das Beispiel aus der Praxis zeigt, dass gerade angesichts einer plötzlich entstandenen weltweiten Krise, wie wir sie seit März erleben, Flexibilität sowohl in der Projektdurchführung selbst wie auch in der begleitenden Finanzierung unverzichtbar ist. Es zeigt auch, wie weit das Aufgabenfeld des CFO mittlerweile reicht; es geht weit über klassisches Controlling, Rechnungswesen und Bilanzierung hinaus. Heute umfasst es Bereiche des Vertriebs und schließlich auch der Projektdurchführung. Damit sind der CFO und seine Finanzabteilung ein entscheidender Faktor bei der Realisierung von internationalen Großprojekten und deren Finanzierung auch in anspruchsvollen Märkten und unter erschwerten Bedingungen.

 

„ Eine flexibel konzipierte Exportfinanzierung ist mehr und mehr zu einem integralen Bestandteil des Projektgeschäfts geworden und damit zu einem wesentlichen Wettbewerbsfaktor.“

 

Dr. Peter Zattler
Group CFO von Giesecke+Devrient

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