Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer

1. Einleitung

GmbH-Geschäftsführern ist es während der Dauer ihrer Organstellung von Gesetzes wegen untersagt, zu ihrer Anstellungsgesellschaft in Wettbewerb zu treten. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das erst nach Beendigung der Bestellung zum Geschäftsführer bzw. nach Beendigung des Anstellungsvertrages in Kraft tritt, gilt hingegen nicht von Gesetzes wegen, sondern bedarf einer besonderen Vereinbarung. An der Vereinbarung eines solchen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mit Führungskräften, die über besonderes Know-how verfügen, kann in bestimmten Konstellationen zum Schutz des Unternehmens ein überragendes Interesse bestehen.

Ein besonderes Ärgernis resultiert insoweit aus dem Umstand, dass durch neuere Tendenzen in der Rechtsprechung selbst dort, wo die Parteien bewusst ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart haben, dieses wegen der zunehmend strengen Rechtsprechung im Fall der Fälle nicht verbindlich wird. Dies mag für den einen – in privater Sache unverhofft vom Wettbewerbsverbot befreiten – Geschäftsführer ein Segen sein; für den anderen, die Interessen der Muttergesellschaft vertretenden Konzern-Geschäftsführer ist die drohende Unwirksamkeit hingegen ein Fluch. Anlass genug für einen schlaglichtartigen Überblick.

2. Bisheriger Prüfungsmaßstab

Die gerichtliche Überprüfung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote gegenüber GmbH-Geschäftsführern erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht anhand der – für Arbeitnehmer geltenden – §§ 74 ff. HGB. Zur Begründung führte der BGH seinerzeit interessanterweise aus, eine generalisierende Übertragung der §§ 74 ff. HGB auf Organmitglieder scheitere schon daran, dass diese nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Arbeitgeber seien. Dergestalt repräsentiere der Geschäftsführer das Unternehmen weit mehr als ein Angestellter. Eine Konkurrenztätigkeit, die er nach seinem Ausscheiden aufnehme, begründe dementsprechend auch in viel stärkerem Maße als bei einem Arbeitnehmer die Gefahr, dass das Unternehmen Schaden erleide. Als flexiblerer Prüfungsmaßstab sei daher die Sittenwidrigkeitskontrolle des § 138 BGB heranzuziehen, in deren Rahmen die Wertungen der §§ 74 ff. BGB berücksichtigt werden könnten.

Dieser vermeintlichen Flexibilität stand in der Praxis schon seit jeher das Erfordernis gegenüber, das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in Einklang mit der Berufsfreiheit des Geschäftsführers zu bringen. Wirksam vereinbar sind hiernach nur nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die „dem Schutze eines berechtigten Interesses des Gesellschaftsunternehmens dienen und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren“ (vgl. BGH, Urteil v. 26.03.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366, 2367).

3. AGB-Kontrolle

Neben die Sittenwidrigkeitskontrolle tritt allerdings auch in diesem Bereich eine – auch hier zunehmend ausufernde – AGB-Kontrolle, da nachvertragliche Wettbewerbsverbote typischerweise in arbeitgeberseitig vorformulierten Geschäftsführer-Anstellungsverträgen vereinbart werden. Sie stellen daher regelmäßig AGB dar und unterliegen insoweit einer Inhaltskontrolle am Maßstab der „unangemessenen Benachteiligung“, was per se eine erhebliche Verschärfung gegenüber der eigentlich vom BGH intendierten flexiblen Sittenwidrigkeitskontrolle bedeutet. Im AGB-Recht werden zudem Unklarheiten einer Klausel stets zu Lasten der GmbH ausgelegt. Eine Intransparenz führt ohnehin zur Unwirksamkeit der Klausel. Abgerundet wird diese „Abwärtsspirale“ durch das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. In ein gegenständlich zu weitgehendes Verbot darf hiernach als Minus kein weniger weitreichendes – zulässiges – Verbot hineingelesen werden. Die Klausel ist vielmehr insgesamt unwirksam.

4. Entscheidung des OLG München

Welch weitreichende Folgen dies für die Praxis hat, verdeutlicht eine jüngere Entscheidung des OLG München. Das OLG München hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Ansicht vertreten, dass eine Klausel, nach der jede Art von Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen verboten ist, zu weit gefasst und damit unwirksam ist. Denn darunter falle nach dem Wortlaut etwa auch eine „Tätigkeit als Hausmeister“. Eine solche Tätigkeit habe aber keinerlei Bezug zur vorherigen Tätigkeit des dortigen Geschäftsführers und werde daher nicht durch die berechtigten Interessen der beklagten GmbH gerechtfertigt.

In Anbetracht des Umstands, dass der dortige Geschäftsführer nicht etwa eine untergeordnete Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen anstrebte, sondern Geschäftsführer eines unmittelbaren Wettbewerbers der vorherigen Anstellungsgesellschaft werden wollte, zeigt sich die Skurrilität der Rechtsprechung auf den ersten Blick. Durch eine denkbar abwegige Auslegung des Wettbewerbsverbots wird das – zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von beiden Seiten anerkannte und schützenswerte – Interesse der Gesellschaft selbst dann mit einem Federstrich beseitigt, wenn der Geschäftsführer beabsichtigt, gegen den vollkommen unstreitigen Kernbereich des Verbots zu verstoßen.

Dies ist umso bedenklicher, als nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbHGeschäftsführer in der Praxis meist ganz ähnlich formuliert werden bzw. wurden wie im Fall des OLG München. Zudem „schwappt“ das – bewusst plakativ gewählte – Hausmeister-Beispiel nunmehr auf andere klassische Verbotsalternativen über. So wird der verbotsbetroffene Geschäftsführer, der zuvor – wie im Fall des OLG München – Brillen hergestellt und vertrieben hat und das Konkurrenzunternehmen genau zu diesen Themen beraten möchte, nunmehr gegen ein allgemeines Verbot der Beratung von Konkurrenzunternehmen einwenden, die Regelung sei unwirksam, weil sie ihm zum Beispiel auch die Beratung in Fragen des Arbeitsschutzes verbiete. Diese Rechtsprechung ist schon Juristen schwer zu vermitteln; Mandanten lässt sie recht sprach- und verständnislos zurück.

5. Geltungserhaltende Reduktion

Die Entscheidung des OLG München überzeugt im Ergebnis auch deswegen nicht, da bei einer Anwendung der vorstehenden Grundsätze ein höherer Schutzstandard für GmbH-Geschäftsführer festgeschrieben wird als für Arbeitnehmer. Während im Falle zu weit gefasster nachvertraglicher Wettbewerbsverbote gegenüber Arbeitnehmern eine geltungserhaltende Reduktion gesetzlich angeordnet ist, greift gegenüber Geschäftsführern das vorgenannte Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.

Als letzter Notanker bleibt auch gegenüber Geschäftsführern der sog. „blue pencil test“. Danach kann ein Wettbewerbsverbot teilweise aufrechterhalten werden, wenn die unwirksame Klausel teilbar ist und nach Streichung des abtrennbaren unwirksamen Teils noch eine sinnvolle restliche Klausel verbleibt. Ist das nachvertragliche Wettbewerbsverbot beispielsweise mit Blick auf das Tätigkeitsverbot wirksam formuliert, allerdings im Hinblick auf das Beratungsverbot zu weit, könnte das Beratungsverbot gestrichen werden, wenn der Sinn der Klausel hinsichtlich des Tätigkeitsverbots nicht darunter leidet. Schon gibt es aber Entscheidungen, die argumentieren, der Blue Pencil-Test sei nicht dafür gedacht, eine in sich geschlossene Wettbewerbsklausel so lange zusammenzustreichen, bis ein zulässiger Teilinhalt übrigbleibt. Das liefe wiederum auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion hinaus und würde zudem dem Transparenzgebot widersprechen.

6. Fazit und einstweiliger Rechtsschutz

Vorgehende Ausführungen zeigen, dass jedenfalls eine entsprechende Anwendung der in § 74a HGB für Arbeitnehmer festgeschriebenen geltungserhaltenden Reduktion für GmbH-Geschäftsführer zu befürworten ist. Die gegenteilige Rechtsprechung ist nicht zuletzt in Anbetracht der Ausgangsbegründung des BGH, die Interessen der Gesellschaft an einem wirksamen Verbot seien im Verhältnis zu einem Geschäftsführer schützenswerter als gegenüber einem Angestellten, wertungswidersprüchlich.

Solange der BGH die gebotene Korrektur seiner überholten Rechtsprechung noch nicht vorgenommen hat, ist allerdings besondere Vorsicht bei der vertraglichen Gestaltung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Organmitgliedern geboten. Das Wettbewerbsverbot steht unter dem Damoklesschwert des Unwirksamkeitsverdikts, falls es den zulässigen Umfang der Wettbewerbsbeschränkung überschreitet oder eine zu niedrige Karenzentschädigung vorsieht. Die Einholung eines anwaltlichen Expertenrats ist hier geradezu unerlässlich. Geht es um die prozessuale Durchsetzung bzw. Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots herrscht meist „Gefahr im Verzug“. Hier sind zusätzlich die Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes zu beachten, innerhalb dessen ein Gericht vorläufigen Rechtsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache gewährt.

Der Entscheidung des OLG München lag insoweit die – tendenziell ungewöhnliche – Konstellation zu Grunde, dass der dortige Geschäftsführer das einstweilige Verfügungsverfahren (gerichtet auf die Feststellung der Unwirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots) anstrengte, nachdem ihm durch die Gesellschaft ordentlich gekündigt worden war. Die für den einstweiligen Rechtsschutz erforderliche Dringlichkeit bejahte das OLG München hier im Mai 2018, obwohl der Kläger schon im Juli 2017 mit Wirkung zum 31.7.2018 ordentlich gekündigt und sofort freigestellt worden war, und begründete dies schlicht damit, dass der Geschäftsführer zum 1.8.2018 eine Stelle als Geschäftsführer eines Konkurrenzunternehmens antreten könne. Für den umgekehrten Fall, in dem eine GmbH ihren Geschäftsführer abberuft und mit sofortiger Wirkung freistellt, weil ihr Vorbereitungshandlungen des Geschäftsführers für die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit bekannt geworden sind, sollte die Gesellschaft mit der Ergreifung einstweiligen Rechtsschutzes hingegen nicht zuwarten, bis die ordentliche Kündigungsfrist sich ihrem Ende nähert. Zwar droht erst dann eine Gefährdung ihrer Interessen, so dass nicht die Dringlichkeit, sehr wohl aber das Rechtsschutzbedürfnis verneint werden könnte. Angesichts der Dauer von Hauptsachverfahren hätte sich die Sache für die GmbH dann bereits aus prozessualen Gründen wohl erledigt.