Sicher und nachhaltig – wie geht das in der Energierevolution?
Was im letzten Jahrhundert über Dekaden sicher planbar war, muss sich nun innerhalb von Jahren grundlegend ändern: die komplette Energieversorgung der Industriegesellschaft! Zwar wird der Stromverbrauch in Deutschland (2020: 570 TWh) etwa zur Hälfte aus regenerativen Quellen gespeist, aber die Energieversorgung insgesamt basiert immer noch zu 80% auf fossilen Ressourcen. Um Deutschland bis 2045 komplett klimaneutral zu stellen, müsste sich der Beitrag erneuerbarer Energie vervielfachen.
Es kommt eine weitere Herausforderung hinzu: Insbesondere in Deutschland wird die Debatte über Klimaziele und Nachhaltigkeit auf „Grünstrom- und Batterielösungen“ verengt. Dies verkennt den großen Bedarf an Rohstoffen wie Kupfer, Lithium, Nickel, Kobalt, welche in riesigen Mengen für Stromleitungen und Batterien bzw. Akkus gebraucht werden. In vielen Ländern sind die Bedingungen fragwürdig, unter denen diese Metalle abgebaut werden – ganz davon abgesehen, dass eine solche rein strombasierte Dekarbonisierung die Frage aufwerfen würde, mit was es gerechtfertigt ist, dass Industriestaaten sich diese Reserven weitestgehend sichern, bevor alle anderen Länder nachziehen könnten; der immense Preisanstieg dieser Rohstoffe stellt eine zusätzliche Hürde für Schwellenländer dar. Recyclinglösungen müssen dringend forciert werden, ebenso die über unabhängige Zertifizierer nachgewiesene nachhaltige Batterie-Herstellung.
Was ist der Vorteil von Wasserstoff?
Je stärker erneuerbare Energien in Energiesystemen und zur Dekarbonisierung zum Einsatz kommen, umso wichtiger wird die Rolle von Wasserstoff als Speicher sowie der in weiteren Prozessschritten hergestellten grünen Treibstoffe, Gase und Chemikalien. In klimatisch begünstigten Regionen erzeugter Grünstrom muss über weite Strecken in die Metropolen und Industriegebiete gebracht werden und sollte nahezu beliebig speicherbar sein, um tages- und jahreszeitliche Schwankungen der Erzeugung auszugleichen. Stromleitungen und Batteriespeicher eignen sich nur im Nah- und mittleren Entfernungsbereich bzw. zur Kurzzeitspeicherung. Wasserstoff kann hingegen in großer Menge aus regenerativen Quellen erzeugt, gespeichert und transportiert werden und das mit bereits vorhandener Gas-Infrastruktur! Zudem ist er seit über hundert Jahren in der Industrie (Ammoniak- bzw. Düngerherstellung) und in Raffinerien umfangreich genutzt bzw. erprobt und beispielweise Stahl lässt sich aus direkter Reduktion des Eisenerzes nur mit Wasserstoff weitestgehend CO2-frei erzeugen.
Erneuerbare Stromquellen günstig wie nie
Die Stromgestehungskosten aus Wind und Fotovoltaik sind mittlerweile deutlich niedriger als bei allen anderen Energieträgern (Studie Fraunhofer ISE März 2018) und die Kostendegression ist insbesondere bei Offshore-Wind noch nicht ausgeschöpft. Seriöse Studien sehen Kostenparität von grünem Wasserstoff mit konventionellem in begünstigten Regionen für 2030 vorher und dadurch eine mächtige Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten. Länder, die wirtschaftlich stark von fossilen Rohstoffen leben wie beispielsweise Australien, Südafrika, Russland oder Saudi Arabien kommen als Exporteur von nachhaltig erzeugtem Wasserstoff in Frage – ein wichtiger Beitrag zur Stabilität des Welthandels!
Sicherheit in der Anwendung und Glaubwürdigkeit im Handel
Wasserstoff bewegt über direkte Verbrennung oder Brennstoffzelle Eisenbahnen, Lastwagen, Schiffe und Flugzeuge: Alle Komponenten und natürlich die Verkehrsmittel selbst müssen dem Stand der Technik entsprechen und nach menschlichem Ermessen sicher sein. Es existieren zwar bereits umfassende Regelungen zur Materialgüte von Tanks, Pipelines und Industrieanlagen und zum Explosionsschutz; diese müssen aber auf die neuen Anwendungen übertragen werden, um den sicheren Einsatz des leicht entzündlichen Gases zur flächendeckenden Dekarbonisierung aller Systeme zu garantieren. Da sich der Wasserstoff als Molekül beim Verbraucher nicht hinsichtlich seiner Erzeugung unterscheidet, brauchen die Märkte in Europa und weltweit verlässliche und neutral bewertete Wasserstoff-Herkunftsnachweise, die die CO2-Reduktionen bei der Erzeugung messen und belegen. Ein erster Schritt dazu ist das europäische CertifHy-Schema (https://www.certifhy.eu/): Dies wurde unter Mitwirkung von TÜV SÜD geschaffen und stellt die verlässliche Basis zur Zertifizierung und Registrierung von Herkunftsnachweisen für grünen Wasserstoff dar.
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