Mit Gas in die klimaneutrale Zukunft: Versorgung sichern, Wandel gestalten

Der Weg zur Klimaneutralität bis 2045 stellt unsere Energieversorgung vor immense Herausforderungen – technisch, wirtschaftlich und (geo)politisch. Mit den internationalen Entwicklungen sind Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit neben dem Ziel der Klimaneutralität in der energiepolitischen Debatte wieder verstärkt in den Fokus gerückt.

Um es auf den Punkt zu bringen: Die Herausforderung in den nächsten Jahren wird sein, die Gasversorgung zu sichern, aber gleichzeitig die Transformation hin zu erneuerbarem und kohlenstoffarmem Wasserstoff sowie Biomethan entscheidend voranzubringen. Dieser transformatorische Prozess von Erdgas hin zu erneuerbaren und kohlenstoffarmen Gasen bedeutet, eine bestehende Versorgung abzulösen und in neue Wertschöpfungsketten zu investieren für die noch kein unmittelbares Geschäftsmodell besteht und ein Markt fehlt. Dazu muss das notwendige Vertrauen bestehen, dass ein Markt entsteht. Die gemeinsame Herausforderung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist, zum ersten Mal einen neuen Energieträger beschleunigt und unter den Bedingungen des Wettbewerbs und der Entflechtung einzuführen. Denn Wasserstoff ist mehr als nur ein Energie träger – er ist das Bindeglied zwischen erneuerbarer Stromerzeugung, sicherer Versorgung und einem innovativen Industriestandort. Das Erreichen der Klimaneutralität im Jahr 2045 setzt Innovationen, Investitionen und neue kluge Technologielösungen voraus.

Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft birgt darüber hinaus das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der europäischen Innovationsfähigkeit und Technologieführer schaft Europas sowie zur Energie- und Technologiesouveränität zu leisten. Die künftige Wettbewerbsfähigkeit Europas kann so entwickelt werden, denn Wasserstoff und seine Technologien haben das Potenzial, jene komplexen Wertschöpfungsketten zu modernisieren, die für Europas Wirtschaftskraft stehen. Auch besteht bei H2-Importen im Ver gleich zu Gas und LNG das Potenzial einer viel breiteren Diversifizierung der Herkunftsländer mit Akteuren wie beispielsweise Indien, Brasilien und weiteren südamerikanischen sowie nordafrikanischen Ländern.

Neue Normalität nach der Gaskrise

Als wäre das nicht schon genug der Herausforderung erfordert auch die konventionelle Gasversorgung noch Aufmerksamkeit und Ressourcen. Zwar scheint nach der ein schneidenden Gaskrise in Folge des russischen Angriffskrieges eine „neue Normalität“ eingekehrt. Aber die Krise hatte fundamentale Auswirkungen auf die Märkte. Der „Epochenbruch“ exponiert Deutschland und Europa gegenüber geopolitischer Einflussnahme und marktlichen Verwerfungen. Die neue Normalität für Deutschland und Europa besteht darin, ein „Nehmer“ der globalen LNG-Marktentwicklungen und damit den Volatilitäten dieses Marktes ausgesetzt zu sein. Die neu aufgebauten LNG-Terminals und Importe über Pipelines nach Europa werden ein stabilisierendes Element und Teil einer klugen Diversifizierung bleiben müssen, solange Methan ein signifikanter Bestand teil unseres Energiemixes ist. Ein zusammenhängendes Gasnetz wird auch für die europäischen Nachbarländer noch so lange funktionieren müssen. Damit kommt unserer Branche vor allem im Midstream-Segment beim Transport, bei der Speicherung, bei den Importen und beim Handel eine wichtige Rolle zu, über Portfolio-Management und die Bündelung von Liefermengen („Riskwarehousing“) Schwankungen am Markt abzufedern und so für Stabilität und Liquidität sorgen, aber gleichzeitig die Transformation voranzutreiben. Umso wichtiger ist es, den Aufbau internationaler Importstrukturen jetzt aktiv zu gestalten – gemeinsam mit Partnerländern, die über erneuerbare Ressourcen und wirtschaftliche Bedingungen für wettbewerbsfähige Wasserstoffproduktion verfügen. Um entsprechende Importe zu realisieren, ist es notwendig, dass die Infrastruktur – Anlandeterminals, Flächen für Tanklager, oberirdische Speicher sowie Ammoniak-Cracker – hinreichend vorhanden ist. Dafür ist die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren erforderlich. Neben den Importen sind Speicheranlagen ein zentrales Element für Versorgungssicherheit. Die BDEW-Strategie fordert hier klare, verlässliche Voraussetzungen und Investitionssicherheit für langfristige Partnerschaften, heute noch für Gas, aber eben auch schon für Wasserstoff und seine Derivate. Zudem spricht sich der BDEW für klare und kohärente rechtliche Rahmenbedingungen für den Wasserstoffhochlauf auf europäischer und nationaler Ebene sowie die Schaffung einer Europäischen Wasserstoffallianz aus – analog etwa zur Europäischen Atomallianz.

Wasserstoff als Schlüsseltechnologie

Gas bleibt auf absehbare Zeit ein essenzieller Bestandteil unseres Energiesystems und Gase der strategische Partner der Energiewende. Das gilt insbesondere für gesicherte Leistung in einer zunehmend strombasierten Welt – etwa, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Neben der Versorgung mit Erdgas muss parallel die Transformation hin zu erneuerbaren und kohlenstoffarmen Gasen erfolgen. So sind z.B. Biomethan und andere erneuerbare bzw. kohlenstoffarme Gase unverzichtbar, um die Gasversorgung nachhaltiger und resilienter zu gestalten. Das Potenzial ist erheblich, wird aber bislang noch nicht ausreichend genutzt. Sie gleichen saisonale Schwankungen und Leistungsspitzen aus und sichern die Energieversorgung in Krisenzeiten. Gleichzeitig müssen gesetzliche Vorgaben wie Speicherfüllstandspflichten so gestaltet werden, dass sie keine Fehlanreize setzen und Kosten unnötig erhöhen.

Mit Fokus auf Kosteneffizienz, Pragmatismus und Technologieoffenheit sowie eine stärkere europäische Koordination und zielgenaue Fördermechanismen kann der Wasser stoffhochlauf zu einer europäischen Erfolgsgeschichte werden. Denn die Weichen für den Großteil der relevanten Regulierung werden auf EU-Ebene gestellt.

Als Verband nimmt man die Forderungen an die Politik in den Blick, die für die Sicherung der Versorgung und die Transformation notwendig sind. Eine wesentliche Grundlage für die weiteren Transformationsschritte ist die zeitnahe, nationale Umsetzung des EU Gas- und Wasserstoffpakets. Die eigentliche Herausforderung aber ist, das Miteinander von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf eine Basis zu stellen. Denn der Epochenbruch sowie die neue Normalität erfordern nachhaltige Resilienz und die wird nur über gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen sein.

Internationale Kooperationen: Wasserstoffimporte gezielt ermöglichen

Angesichts des absehbaren Bedarfs kann Deutschland den künftig benötigten Wasserstoff langfristig nicht allein durch Eigenproduktion decken.

Mit der EU-Methanemissionsverordnung kommen ab 2025 stufenweise strengere Anforderungen auf die Branche zu: von Berichtspflichten über gleichwertige Standards für Vorkettenemissionen bis hin zu verbindlichen Methanintensitätsgrenzen ab 2030. Diese Vorgaben sind klimapolitisch wichtig, bringen aber auch erhebliche Herausforderungen mit sich: unklare Sekundärgesetzgebung, unbestimmte Rechtsbegriffe und die Gefahr einer Marktsegmentierung, bei der EU-Importe durch strengere Standards teurer wer den. Um Versorgungssicherheit und Investitionsbereitschaft nicht zu gefährden, setzt sich der BDEW für praktikable Vertragsklauseln und klare Abgrenzungen von Pflichten und Haftungsrisiken ein.

Heimische Erzeugung stärken – Resilienz erhöhen

Doch auch im Inland muss gehandelt werden: Der Ausbau von Elektrolyseuren, Biogas anlagen und dezentralen Infrastrukturprojekten erhöht die Resilienz des Systems. Regionale Wertschöpfung, Innovation und Versorgungssicherheit gehen hier Hand in Hand. Denn mit dem weiteren Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten aus Erneuerbaren Energien nimmt die Bedeutung von Wasserstoff aus der Elektrolyse mit überschüssigem regenerativem Strom als heimischem Energieträger zu. Um eigene Produktionskapazitäten anzureizen, ist die (gesamt-)systemdienliche Erzeugung von Wasserstoff voranzu bringen und insbesondere die Förderrichtlinie für systemdienliche Elektrolyseure zu ver abschieden und mit ausreichenden Mitteln auszustatten.

Aktuelle Projekte zeigen: Die Technologien sind vorhanden – jetzt braucht es Tempo und Planungssicherheit!

Darüber hinaus spielen auch Biogas und Biomethan eine wichtige Rolle, um die Energieversorgung nachhaltiger zu gestalten. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, ist eine Erhöhung der Produktionskapazitäten unter Berücksichtigung lokaler Entwicklung der Gasnetze sowie bestehender Wärmenetze notwendig. Dafür müssen beispielsweise Genehmigungsverfahren für neue Biomethananlagen beschleunigt und die Regelungen zur Einspeisung in die Gasnetze angepasst werden, die Nachweisführung für Nachhaltigkeit und Treibhausgasminderung vereinfacht sowie der EU-weite Handel gefördert werden.

Fazit

Für den Übergang zur Wasserstoffwirtschaft ist entscheidend, dass bestehende Erdgasinfrastrukturen flexibel umgerüstet werden können und unter anderem Biomethan als kohlenstoffarmer Energieträger eine Brücke bildet. So können Versorgungssicherheit, Klimaschutz und die schrittweise Transformation Hand in Hand gehen. Gas und insbesondere Wasserstoff spielen eine zentrale Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität und Versorgungssicherheit. Um den Wandel erfolgreich zu gestalten, braucht es ver lässliche Transformationsregelungen, zügige Umsetzungen auf EU-Ebene sowie Investitionssicherheit für Unternehmen. Der Hochlauf erneuerbarer und kohlenstoffarm erzeugter Gase muss national und europäisch koordiniert werden. Wasserstoff ist dabei mehr als ein Energieträger: Er ist Schlüsseltechnologie, Speicherlösung und industriepolitischer Faktor zugleich. Jetzt kommt es auf Tempo, Pragmatismus und klare Rahmenbedingung.

Weitere Informationen zum Hochlauf der neuen Gase gibt es mittels der Roadmap Gas des BDEW, die sukzessive um Themengebiete erweitert wird.