Klimawandel formt die Zukunft der Versicherung

Die vielen Naturkatastrophen des vergangenen Jahres verdeutlichen, dass der Klimawandel unser Leben dramatisch verändert und weiter verändern wird. Entweder, weil wir nichts dagegen unternehmen und uns extreme Hitzewellen und heftige Stürme treffen, wie wir sie dieses Jahr in Europa und Asien erlebt haben. Oder aber, weil wir dem Klimawandel durch eine veränderte Lebensführung, etwa durch angepasstes Verkehrs- und Konsumverhalten, begegnen. Es braucht eine starke Führungskultur, um in diesem Prozess die richtigen und notwendigen Entscheidungen zu treffen. Als Chief Sustainability Officer der Allianz sehe ich zunehmend, dass diese Entscheidungen und daraus resultierende Veränderungen mit großen Dilemmas einhergehen, und das unter großem Zeitdruck. Während die industrielle Revolution rund 200 Jahre dauerte, bleiben uns jetzt nur 25 Jahre, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels einzudämmen – eine gewaltige Transformation ist notwendig.

Versicherungen als Wegbereiter für nachhaltige Ökonomien
Für globale Unternehmen wie die Allianz sind solche Fragen von zentraler Bedeutung. Als Versicherung mit einer langen Historie in der Absicherung von Naturkatastrophen sehen wir die Auswirkungen des Klimawandels jedes Jahr in unseren Bilanzen. Mit Tochtergesellschaften in über 70 Ländern kennen wir die unterschiedlichen sozialen Bedürfnisse und Herausforderungen der verschiedenen Weltregionen. Einige unserer Unternehmen sind in Ländern tätig, in denen Großteile der Bevölkerung immer noch unter der Armutsgrenze leben. Daher wird sich eine Diskussion über die Integration von Nachhaltigkeit in diesen Märkten grundlegend von der in Deutschland unterscheiden. Eine zentrale Rolle des Versicherungssektors besteht darin, finanzielle Belastungen aufzufangen, die im Schadensfall die wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer Kunden übersteigen würden. Ich war schon immer der Überzeugung, dass wir damit eine grundlegend soziale Aufgabe tragen: Wir sorgen für Stabilität in Gesellschaften und Ökonomien. Nach einer Naturkatastrophe helfen wir zum Beispiel, dass Unternehmen schnell in Betrieb genommen werden und Menschen ihr Leben wieder aufbauen können. Während uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten neue soziale und wirtschaftliche Schocks treffen werden, wissen wir bereits, dass der Klimawandel die einzige Konstante bleibt. Dementsprechend muss sich der Finanzsektor in den kommenden Jahrzehnten intensiv mit dem Klimawandel auseinandersetzen. Während wir selbst alle Anstrengungen unternehmen, um die Erderwärmung so weit wie möglich einzudämmen, müssen wir parallel gemeinsam mit Kunden und Partnern an der Transformation von Branchen und Unternehmen arbeiten. Hier sind zahlreiche Innovationen erforderlich.

Was wir tun um Klimaziele zu erreichen
Auf der Investitions- und Versicherungsseite sowie bei Allianz Global Investors treiben wir unser Engagement für das Netto-Null-Ziel bis 2050 durch Partnerschaften, die Netto-Null-Allianzen, voran. Wir sind zum Beispiel Gründungsmitglied in der von den Vereinten Nationen ins Leben gerufenen Net-Zero Asset Owner Alliance. Sie hat heute 74 Mitglieder, darunter Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften, die ein verwaltetes Vermögen von mehr als 10 Billionen Dollar repräsentieren. Die Initiative wurde gegründet, weil wir der Meinung sind, dass Vermögensbesitzer eine einzigartige Rolle in der Weltwirtschaft und den Finanzsystemen spielen. Als Mitglieder haben wir uns verpflichtet, unsere Portfolios bis 2050 auf Netto-Null-Treibhausgasemissionen umzustellen, im Einklang mit dem Pariser Ziel eines maximalen Temperaturanstiegs von 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau. Dafür verpflichten wir uns, alle fünf Jahre Zwischenziele zu erreichen, die den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Und wir verpflichten uns, regelmäßig und öffentlich darüber zu berichten, wie wir als Mitglieder auf diesem Weg entsprechend unserer Ziele vorankommen. Wir wollen zeigen, dass wir bereit sind, mit gutem Beispiel voranzugehen, indem wir uns selbst verändern und dann andere auffordern, sich uns anzuschließen. Ebenso wichtig ist jedoch die Versicherungsseite, und obwohl sie erst damit beginnt, sich nachhaltig auszurichten, bin ich von den wichtigen Entwicklungen ermutigt, die im Rahmen der von den Vereinten Nationen einberufenen Net-Zero Insurance Alliance stattfinden. In unseren eigenen Betrieben werden wir die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien weiter ausbauen und dabei neue Wege zur Emissionssenkung finden. Wir konzentrieren uns auch auf die Weiterbildung unserer Mitarbeiter weltweit, da die Mehrheit der Beschäftigten in den kommenden Jahren und Jahrzehnten Nachhaltigkeit in ihrer täglichen Arbeit berücksichtigen muss.

Zukunft der Netto-Null-Versicherung
Große Transformationen sind immer herausfordernd, in diesem Fall absolut notwendig. Und während die Herausforderungen für alle offensichtlich sind, lassen Sie uns die vielen Chancen im Auge behalten, die eine Netto-Null-Umstellung mit sich bringen wird. Wir haben noch nicht alle Antworten, und deshalb ist es schwer, sich genau vorzustellen, wie eine Netto-Null-Zukunft aussehen wird, einige wenige Entwicklungen sehen wir jedoch bereits: Als Investoren und Versicherer haben wir eine Schlüsselrolle für Innovationen und sind ein Partner für unsere Kunden. In der Realwirtschaft werden Innovationen für die Transformation notwendig sein, zum Beispiel im Energie- und im Transportsektor. Bis 2050 bedeutet eine Netto-Null-Welt, dass Teile des bisherigen Energiesektors abgestellt oder stark umgebaut sind, während neue Arten von erneuerbaren Energien entstehen werden. Das wiederum bedeutet, dass die Finanzindustrie Kompetenzen entwickeln muss, um als Partner für die Transformation ihre Kunden zu begleiten. Auch der Transportsektor wird sich vollständig in Richtung Elektrifizierung entwickeln. Für die Versicherungsunternehmen bedeutet dies, dass sich auch die Versicherung von Kraftfahrzeugen verändern wird. Die EU-Gesetzgebung schreibt bereits vor, dass bis 2035 alle neuen Autos elektrisch sein müssen. Versicherungen spielen bei diesem Übergang eine Schlüsselrolle. Die jetzige Zeit ist eine spannende, um die Wegbereiter der Zukunft zu identifizieren und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Wenn wir im Jahr 2050 zurückblicken, werden die Gewinner unserer Branche diejenigen sein, die den Netto-Null-Umstieg ermöglicht haben. Ich freue mich darauf, diese und andere wichtige Themen mit Ihnen auf dem Handelsblatt-Versicherungsgipfel zu diskutieren. ■

Während die industrielle Revolution rund 200 Jahre dauerte, bleiben uns jetzt nur 25 Jahre, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels einzudämmen – eine gewaltige Transformation ist notwendig.

Als Investoren und Versicherer haben wir eine Schlüsselrolle für Innovationen und sind ein Partner für unsere Kunden.

Das aktuelle Handelsblatt Journal
Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Versicherung“ erschienen. Das vollständige Journal können Sie sich hier kostenlos herunterladen:
Zum Journal