Klimaschutz: Oh mein Gott. Wir können es tatsächlich schaffen!

Lassen Sie uns zunächst mal jeden Optimismus dämpfen und den Tatsachen tapfer ins Auge blicken: Nichts, aber auch gar nichts spricht derzeit dafür, dass die Menschheit den Klimawandel noch rechtzeitig und ausreichend bremsen kann. Wir haben den Planeten in eine „Burning Platform“ verwandelt und finden keinen Weg zu einem zukunftsorientierten, nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Wie eine Meute Lemminge laufen wir weiter Richtung Abgrund – wobei die todesmutigen Nager einem natürlichen Instinkt folgen, während wir als vernunftbegabte Wesen es eigentlich besser wissen müssten.

UN-Generalsekretär António Guterres hat den jüngsten Bericht des Weltklimarats als „Atlas des menschlichen Leids und eine vernichtende Anklage gegen die verfehlte Klimapolitik“ bezeichnet. Ob das Thema nun global, in anderen internationalen Wirtschaftsräumen, auf europäischer Ebene oder national in Deutschland diskutiert wird – diesen Schuh dürfen sich alle anziehen. Zu wenig, zu zögerlich, zu langsam. Was stimmt bloß nicht mit uns? Warum weigern wir uns inständig, uns selbst zu retten?

Reden wir kurz über Change-Management. Daher stammt nämlich der Begriff „brennende Plattform“. Er wird benutzt, um den Menschen in einer Organisation zu verdeutlichen, wie existenzbedrohend eine Situation ist und dass nur einschneidende Maßnahmen und radikales Umdenken eine Katastrophe verhindern können. Diese Konfrontation ruft bei vielen Angst und Abwehr hervor, solange sie nicht mit einer erstrebenswerten, wieder Sicherheit gebenden Vision verknüpft wird. Genau das erleben wir gerade.

In den westlichen Industriestaaten ist die Debatte über den Klimawandel geprägt von den Sorgen über den Verlust an Umsatz, an Marktpotenzialen, an unternehmerischer Effizienz, an Sicherheit, an Arbeit, an Wohlstand und an Lebensqualität. Dagegen kommt die Vernunft – wir wissen ja, dass wir uns radikal einschränken und sehr, sehr anstrengen müssen, um das 1,5-Grad-Ziel von Paris überhaupt erreichen zu können – derzeit noch nicht an. Hand aufs Herz: In der Folge werden Maßnahmen und Gesetze zum Klimaschutz maximal zähneknirschend hingenommen.

Den Wandel positiv besetzen

Was also tun? Wie wäre es, wenn wir den Diskurs über den Klimaschutz verändern und stärker mit positiven Gedanken und Emotionen verknüpfen? Auf welchem Zustand der Welt – ich spreche gerne vom „Hin zu“ – wollen wir uns hinbewegen? Worauf legen wir Wert? Es gibt so viel zu gewinnen: eine Zukunft für die nachfolgenden Generationen. Sozialen Frieden. Lebensräume, die von den Menschen nicht fluchtartig verlassen werden müssen. Erholung für die Natur, insbesondere für die Regenwälder. Biodiversität. Weniger internationale Spannungen und Verteilungskonflikte. Eine ausreichende, gesunde Versorgung mit Nahrungsmitteln.

Auf die Unternehmensebene bezogen, bedeutet eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie: Die Attraktivität für Kunden und Partner, Mitarbeiter und Bewerber sowie Banken und Investoren – sie üben immer mehr Druck auf die Firmen aus – bleibt gewährleistet oder nimmt zu. Die Innovationsfähigkeit wird an Dynamik zulegen, denn wir benötigen einen cleveren Umgang mit Energie und Rohstoffen. Green Tech und Green Engineering entwickeln sich zu Megamärkten. Die öffentliche Hand – das ist unausweichlich – wird „grüne“ Unternehmen finanziell und steuerlich deutlich besserstellen als Umweltsünder. Im Moment müssen die Unternehmen dafür bezahlen, dass sie die Umwelt schädigen. Schon bald werden sie dafür bezahlt, dass sie Umweltqualität verbessern helfen. Das gesamte Incentivesystem wird sich weg vom Malus und hin zum Bonus bewegen (müssen). Ich bin überzeugt, dass die ESG-Kompetenzen (Environment, Social, Governance) zügig zum entscheidenden Eckpfeiler der Wettbewerbsfähigkeit avancieren.

Worauf warten wir noch? Nur wenn wir, auch als Wirtschaft, endlich beginnen, mehr positive Botschaften senden, entwickelt sich eine mitreißende Dynamik im Umwelt- und Klimaschutz. Gefragt ist, wie es im Change-Management-Jargon heißt, ein neues Mindset. Das wird sich nie aus einem Gefühl der Bedrohung und des Verlusts, sondern nur aus der politischen und unternehmerischen Vorstellungskraft für die Chancen entwickeln.

Stehen wir nicht jeden Tag mit der belastenden Gewissheit auf, dass wir bei der Rettung des Planeten keinen entscheidenden Schritt weitergekommen sind? Zumindest vergeht fast keine Woche ohne neue Schreckensmeldung zu Ausmaß und Tempo des Klimawandels. Wie befreiend muss das Gefühl sein, eines Tages aufzuwachen mit dem Gedanken: „Oh mein Gott. Wir können es tatsächlich schaffen.“

Über den Autor:

Dr. Thomas M. Fischer ist Geschäftsführer der Allfoye Managementberatung. Der Experte für mittelständische Unternehmen sitzt zudem im Aufsichtsrat der Bauer Gruppe, ist Chairman des European Institute for Leadership (ILT) sowie Beirat der Agenturgruppe brandcom. Als Initiator des Gründerballs und des Networking-Events „Startup meets Mittelstand“ verknüpft er leidenschaftlich gerne die traditionelle Unternehmenslandschaft mit der Gründerszene. Der promovierte Betriebswirt fördert zudem als Investor mehrere Start-ups und engagiert sich im Senat der Wirtschaft.