Interview mit Cedric Hanke, Leiter Sales Support im Vertrieb Immobilienfinanzierung der ING Deutschland
Wie reagiert der Baufinanzierungsmarkt auf die wachsende Bedeutung der Künstlichen Intelligenz (KI)?
Cedric Hanke: Die Stakeholder im Baufinanzierungsmarkt verfügen meist über langjährige Erfahrung und eingespielte Verhaltensweisen Dementsprechend kommt das Thema KI in unserem Markt vielleicht etwas später an, aber es kommt an – wie der Einsatz von ersten KI-Tools zeigt. Ob die KI-gestützte Entwurfsoptimierung in der Architektur, das automatisierte Dokumentenmanagement oder die intelligente Erkennung von Risiken in Bauprojekten: Es gibt immer mehr KI-Anbieter und -Tools auf dem Markt, die den herkömmlichen Prozess von der Planung bis hin zur Finanzierung einer Immobilie immens vereinfachen.
Was sind die größten Herausforderungen für den Einsatz im Vertrieb?
CH: Die größten Herausforderungen bestehen sicherlich im Einsatz von KI im bei der Leadgewinnung über Social Media. Hier gilt es aufzupassen, dass man die datenschutzrechtlichen Vorgaben nicht aus dem Auge verliert. Es gibt noch eine zweite Herausforderung, die man immer im Hinterkopf haben sollte: Bei der Erstellung einer Beurteilung, beim Schreiben von Texten oder beim Verfassen einer Empfehlung ist die Gefahr sehr groß, dass das KI-Modell noch frei erfundene und nicht belegbare Informationen – sogenannte Halluzinationen – generiert. Also: Quellen müssen geprüft und Empfehlungen gecheckt werden, bevor man sich blind auf die KI verlässt. Das sind nur zwei von vielen Punkten. Am besten man erarbeitet ein individuelles KI-Konzept. Es gibt übrigens KI-Managerinnen und -Manager, die einen dabei professionell unterstützen.
Apropos Regulatorik: Wie sollten die Rahmenbedingungen gestaltet sein?
CH: Grundsätzlich sollte der Einsatz von KI so gestaltet sein, dass das Thema Datenschutz immer im Vordergrund steht. Werden die Daten auch wirklich in Deutschland oder in Europa gesichert? Gibt es vom Anbieter eine verbindliche Zusage, dass die Daten nicht für Trainingszwecke der KI weiterverarbeitet werden? Das sind nur zwei von vielen Fragen. Es geht immer auch darum sicherzustellen, dass interne Informationen auch wirklich intern bleiben. Unsere Kundinnen und Kunden sollen eine Frage nach der Strategie der Bank nicht von der KI beantwortet bekommen. Da ist unser Key Account Management und unsere Vermittlerinnen und Vermittler die bessere Quelle. Das Gute dabei ist: Welche Daten von der KI für die effiziente Gestaltung von Prozessen genutzt werden dürfen, entscheiden am Ende die Menschen, die damit arbeiten – und nicht die KI.
Kann der Einsatz von KI die Entscheidungsfindung in der Baufinanzierung verbessern?
CH: Definitiv. Das fängt bei der Planung an. Wie kann mein Objekt aussehen? Oder beim Innenausbau: Steckdosen, Einrichtung, Home–Staging, Beleuchtung – da bietet die KI viel Support.
Das zu finanzierendes Objekt wird viel früher zu Realbedingungen vorstellbar. Angefangen bei der Bauzeichnung bis hin zur Virtualisierung einer kompletten Immobilie mit einer 3-D-Brille. Je besser sich eine Interessentin oder ein Interessent die Immobilie vorstellen kann, desto besser lassen sich auch die Kosten abschätzen, das macht die Kalkulation realistischer und stellt die Finanzierung auf sichere Beine. Und: Wenn die Kostenseite korrekt kalkuliert ist, entfallen Nachfinanzierungen, das spart den Kundinnen und Kunden Geld und verschlankt bei uns die Prozesse.
Wo lassen sich bei den Vermittlerinnen und Vermittlern Prozesse mit KI verbessern?
CH: Allen voran bei den Standardbesuchen. Hier werden der oben schon genannte Gesprächsmitschnitt und die Ableitung von To-Do-Listen zunehmend als Unterstützung eingesetzt. Aber auch bei der Vorqualifizierung von Leads leistet ein automatisiertes Beantworten von E-Mails wertvolle Dienste – zum Beispiel bei der Erfassung der Daten bis hin zum automatisierten Kalendereintrag. Ich denke, es macht Sinn, sich erst einmal im Kleinen auszuprobieren, die Stärken der KI aber auch die Schwächen kennenzulernen. Die Ausweitung in die betrieblichen Prozesse sollte dann mit professioneller Unterstützung angegangen werden.
Wird KI die persönliche Beratung ersetzen?
CH: Erste Versuche mit der digitalen Antragstrecke bei uns in der Bank haben – schon ohne KI – gezeigt: Die Nachfrage nach einer ‚beratungslosen‘ Antragstrecke hält sich in Grenzen. Für viele Menschen ist die Baufinanzierung eine der größten finanziellen Entscheidungen im Leben, da möchten sie auf Nummer sicher gehen und holen lieber einmal mehr den Experten-Rat ein als sich auf sich selbst – oder gar auf eine KI – zu verlassen. Es sieht aktuell nicht so aus, als ob sich daran in der nächsten Zeit vieles verändern wird.
Beispiele für einen erfolgreichen KI-Einsatz im Baufinanzierungsvertrieb
Leadgewinnung
Viele Anfragen lassen sich durch KI im Einsatz bei Social Media und eine ordentliche Sortierung viel kostengünstiger selbst gewinnen. Zum Beispiel in dem der Link zur Beratung mit dem Ausfüllen des Kontaktformulars kombiniert wird. Die KI übernimmt die Daten, stellt nochmal Rückfragen und plant – wenn alle Angaben passen – einen Termin mit der Interessentin oder dem Interessenten. Dieser wird direkt in den Terminkalender der Beraterin oder des Beraters eingetragen. Das wars. Wichtig ist, dass die Social Media Kampagne cool aufgesetzt ist, die Menschen interessiert sind und dann auch bereit sind, den Beitrag zu liken und zu kommentieren.
E-Mail-Beantwortung
Mit den passenden Tools lässt sich die E-Mail-Beantwortung zum Großteil automatisieren – auch dann übrigens, wenn wegen Rückfragen eigentlich ein zweiter Kontakt erforderlich wäre. Das erledigt eine gute KI gleich mit.
Dokumentenmanagement
Wichtig ist hier – eine reine Erkennung der hochgeladenen Daten reicht nicht aus. KI ist dann erfolgreich, wenn sie die Daten für die Weiterbearbeitung bereitstellt. Das bedeutet: Die Daten müssen tiefergelegt und entsprechend den Vorgaben des Unternehmens validiert werden. Dafür muss die KI trainiert werden – was aktuell nur von größeren Anbietern sichergestellt wird.
Vorsortierung von Kontakten
Nur ein kleiner Teil im Prozess einer Baufinanzierung finden ohne eine Person statt, die berät. Hier gibt es Potenzial. Dokumente können vorsortiert, geprüft und automatisiert freigegeben werden. Bei Konditionsänderungen könnte das Standardgeschäft so schnell „durchgewunken“ und damit Zeitpuffer für die individuellen Fälle generiert werden. Die ersten Beispiele gibt es schon – es bleibt aber abzuwarten, inwieweit sich der persönliche Kontakt dann wirklich ersetzen lässt.