Lieber Herr Talmon l’Armée, ESG bestimmt immer stärker die wirtschaftliche Debatte. Wie wichtig ist das Thema für SEMODU?
Bei uns von SEMODU steht ESG ganz oben auf der Agenda. Das kommt auch vom modularen Bauen, da dieses bis zu 27% Ressourcen sparen kann und zusätzlich den CO2-Fußabdruck klein hält, wenn beispielsweise Materialien wie Holz verwendet werden. Neben dem Aspekt der Nachhaltigkeit eigenen sich die standardisierten Module aber auch besonders zur Unterstützung des Bereichs Soziales, da diese einerseits sehr unterschiedlich kombiniert werden können, um für verschiedene Zielgruppen Wohnraum zu schaffen und andererseits auch da es möglich ist, kompaktere Grundrisse zu schaffen. Heißt, dass der Flächenverbrauch pro Person geringgehalten wird, ohne dass es eine eingeschränktere Nutzung gibt. Dafür aber mit dem positiven Effekt, dass ein kleinerer Grundriss grundsätzlich auch mit geringeren Kosten einhergeht und so Wohnungen geschaffen werden, die für sozial schwächere Gruppen bezahlbar sind. Vor dem Hintergrund bemühen wir uns auch immer darum, mit integrativen und innovativen Konzepten zu arbeiten, was dann auf den Faktor der Unternehmensführung – also Governance – einzahlt.
Hat ESG für den Markt auch diese hohe Priorität?
Was den Markt im Gesamten angeht, so kommt der Druck besonders von der Nachfrage. Auch hier sind es gerade jungen Menschen, die sich Gedanken darüber machen, wo sie wohnen wollen, und den Wunsch haben, dass die Objekte nachhaltig und sozial ausgerichtet sind. Sie und die Gesetzgebung sind die treibende Kraft hinter dem Wandel. Das führt dazu, dass Banken mittlerweile nur noch Immobilien finanzieren, die nachweislich ein ESG-Konzept haben, beziehungsweise nur diese Immobilien eine Finanzierung zu guten Konditionen erhalten.
Sie haben eben den Gesetzgeber angesprochen. Wie sehen Sie die EU-Taxonomie, geht diese weit genug oder sollten die Vorschriften schärfer sein?
Natürlich gibt es hier Spielraum nach oben, das ist gar keine Frage. Das selbst umzusetzen ist jedoch schwierig. Wenn man sich exakt an die Verordnung hält, dann braucht man sich weniger Sorgen, um die Baubewilligung machen. Versucht man aber, auf einem anderen Weg dieses Optimum oder eben mehr zu erreichen, dann hat man nicht selbstverständlich die Rechtssicherheit, die man hätte, wenn man sich exakt an die Verordnung hält.
Sind nachhaltige Immobilien grundsätzlich besser und bieten eine höhere Rendite?
So direkt kann man das tatsächlich nicht sagen. Aber wenn ich ein gutes ESG-Konzept habe, dann schaffe ich eine Immobilie mit vielfältiger Einsetzbarkeit, die den Ansprüchen des Gesetzgebers, der Finanzinstitute und Nutzer entspricht. Das macht eine Immobilie nicht per se wertvoller, aber sie verliert langsamer an Wert. Am Markt ist es so, dass mit der Zeit eine Immobilie immer unattraktiver wird. Das passiert umso schneller, desto beschränkter die Einsetzbarkeit ist, da die Folgevermietungen so nur eingeschränkt oder zu reduzierten Mieten möglich sind. Ein weiterer Punkt sind, wie sich aktuell stark zeigt, die Nebenkosten. Mit nachhaltigen Konzepten ist es möglich, die Gebäude energetischer zu bauen, das macht eine Wohnung attraktiver und verhindert eine Reduzierung der Kaltmiete.
Wie sehen Sie den Nutzen von Zertifikaten für Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche?
Zertifikate sind sehr wichtig, da große Immobilienentwickler diese mittlerweile als Voraussetzung ansehen und sie die Akzeptanz am Markt stärken. Wobei ich auch hier der Meinung bin, dass man noch mehr im Sinne von Nachhaltigkeit rausholen kann. Wir erzielen hier noch nicht das Optimum, das möglich ist. Zudem stellt sich auch immer die Frage, ab wann Nachhaltigkeit gemessen wird. Betrachte ich die Auswirkungen auf die Umwelt erst ab Betrieb der Immobilie oder messe ich bereits ab dem Bau und beziehe alle verbrauchten Ressourcen mit ein.
Wie sieht die aktuelle Lage am Immobilienmarkt aus?
Durch die aktuellen Krisen, Ukrainekrieg, steigende Zinsen und Inflation sind Immobilien als Assetklasse aktuell ins Abseits gerückt, da sie immer teurer zu finanzieren sind. Das bedeutet aber auch, dass der Wettbewerb immer stärker wird, und hier haben dann nachhaltige Immobilien die Nase vorne. Die wenigen Gelder, die vorhanden sind, fließen eher in Immobilien, die beispielsweise geringere Energiekosten haben.