Die Untreue (§ 266 StGB) ist neben dem Betrug (§ 263 StGB) das Vermögensdelikt mit der größten wirtschaftsstrafrechtlichen Relevanz. Sie schützt das Vermögen des Treugebers vor Schäden infolge von Pflichtverletzungen des Treunehmers. Das Verhalten des Treunehmers hat sich am durch den Treugeber vorgegebenen Pflichtenprogramm zu orientieren. Anders als gewöhnliche vertragliche Pflichtverletzungen führt die Verletzung der sogenannten Vermögensbetreuungspflicht nicht nur zu einem zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen den Treunehmer, sondern sogar zu dessen Strafbarkeit. Begründet wird dies mit der besonderen Verantwortung des Treunehmers. Er ist in besonderer Weise in die organisatorische Sphäre des betroffenen Vermögens eingebunden und schädigt es von innen heraus.
Welche Anforderungen an die Pflicht zu stellen sind, fremde Vermögensinteressen zu wahren, ist Gegenstand andauernder Diskussionen. Unstreitig ist, dass der Geschäftsführer einer GmbH eine solche Pflicht gegenüber der Gesellschaft hat. Die GmbH ist eine eigene Rechtspersönlichkeit mit eigenem Vermögen. Es besteht jedoch die Besonderheit, dass seine Tätigkeit zugleich die Interessen der Gesellschafter der GmbH berührt. Die Gesellschaft gehört zum Vermögen der Gesellschafter. Treunehmer ist der Geschäftsführer. Treugeber ist die GmbH. Umstritten ist, welche Bedeutung der Zustimmung der Gesellschafter zu bestimmten Geschäften des Geschäftsführers zukommt. Fraglich ist, ob das Einverständnis der Gesellschafter das Pflichtenprogramm des Geschäftsführers derart modifiziert, dass eine Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft entfällt.
In den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts entschied das Reichsgericht, dass sich auch der einzige Gesellschafter einer GmbH einer Untreue zu Lasten der Gesellschaft – seiner Gesellschaft – schuldig machen könne. Das Reichsgericht hielt in einem obiter dictum ohne tiefergehende Ausführungen schlicht fest, dass die Pflichten der Gesellschaft gegenüber den Gläubigern „weder vereitelt noch gefährdet werden“ dürften. Die Rechtsprechung folgerte hieraus, dass die Zustimmung der Gesellschafter einer GmbH die Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers zulasten der Gesellschaft nicht entfallen lasse.
In den Fünfzigerjahren entschied erstmalig der Bundesgerichtshof, dass das Einverständnis der Gesellschafter die Untreuestrafbarkeit grundsätzlich entfallen lasse – solange die konkreten Handlungen des Geschäftsführers mit den Grundsätzen der Geschäftsführung eines ordentlichen Kaufmannes vereinbar seien.
In den Achtzigerjahren reformulierte der Bundesgerichtshof die Grenzen einer wirksamen Einwilligung der Gesellschafter. Die Gesamtheit der Gesellschafter bilde zwar das oberste Organ der Gesellschaft, so dass ihr Wille grundsätzlich maßgeblich sei. Der Bestimmung der Gesellschafter sei jedoch entzogen, was dem Wesen der Gesellschaft zuwiderlaufe oder was der Gesetzgeber überwiegend im Interesse der Gesellschaftsgläubiger vorgeschrieben habe. Hierzu zähle insbesondere der Erhalt des Stammkapitals der Gesellschaft. Der Gesetzgeber habe dieses im Interesse der Gesellschaftsgläubiger als Mindesthaftungsmasse vorgesehen.
Diese Rechtsprechung setzt sich seither – allenfalls feingestimmt in Nuancen – unverändert fort. Zu Recht erfährt sie jedoch von Rechtswissenschaftlern heftige Kritik. Die Untreue schützt das Vermögen des Treugebers vor schädigenden Pflichtverletzungen des Treunehmers. Sie ergänzt den strafrechtlichen Vermögensschutz durch Schädigungen von außen, wie etwa durch Betrug und Nötigung, und wird kriminalpolitisch für sinnvoll gehalten. Vor allem die Organuntreue steht hierbei im Zentrum der Diskussion: Das Auseinanderfallen von Management und Eigentümerschaft bei juristischen Personen ist eine für kapitalistische Wirtschaftsordnungen heute zentrale Struktur. Das entstehende Missbrauchspotenzial wird durch den Straftatbestand der Untreue kriminalisiert. Die Zustimmung des Treugebers, im Falle der GmbH der Gesellschafter, lässt eine Pflichtverletzung der Geschäftsführung hingegen entfallen. Der Missbrauch ist bei Zustimmung der Gesellschafter nicht gegeben – bei Vorliegen einer „Ein-Mann-GmbH“, d.h. alleiniger Gesellschafter der GmbH ist gleichzeitig deren Geschäftsführer, gar von vornherein ausgeschlossen.
Dem BGH ist zuzustimmen, dass die Zustimmung der Gesellschafter eine Gefährdung von Gläubigern nicht entfallen lasst. Allein: Die Vermögensinteressen Dritter liegen nicht im Schutzbereich der Untreue. Hierfür bedarf es anderer Regularien, da Dritte außerhalb der Beziehung zwischen Treugeber und Treunehmer stehen.
Diese Aufgabe obliegt den allgemeinen Vermögensdelikten, wie dem bereits genannten Betrug, oder den Insolvenzstraftatbeständen, wie den Bankrottdelikten. Dabei wird zu Recht nicht jedes wirtschaftlich riskante Verhalten inkriminiert. Dies wäre einer Marktwirtschaft wesensfremd. Ein an die Leistungsfähigkeit des Schuldners knüpfender Schutz ist, abgesehen vom Sonderfall der Täuschung des Gläubigers, erst im Moment der Krise geboten. Ein gesonderter strafrechtlicher Schutz von Gläubigerinteressen wird erst bei Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung bzw. drohender Zahlungsunfähigkeit, notwendig.
Die strafrechtlichen Regeln zum Schutz von Gläubigerinteressen durch Gefährdung der (Haftungs-)Masse treffen die sogenannten Bankrotttatbestände der §§ 283 ff. StGB. Diese liefen durch die vom Bundesgerichtshofs bisher vertretene Interessentheorie häufig ins Leere. Die Bankrotttatbestände sollten nur anwendbar sein, wenn der Täter im Interesse des Haftungssubjekts handelte. Dies war besonders in Fällen der Ein-Mann-GmbH relevant: Der Geschäftsführer, der für seine Person Vermögenswerte sichern wollte, handelte nicht im Interesse seiner Gesellschaft, sondern aus eigennützigen Motiven. Die Rechtsprechung erkannte hierin eine unangemessene Strafbarkeitslücke und suchte diese in einem Kunstgriff durch die Bemühung der Untreue zu schließen.
Zwischenzeitlich hat der Bundesgerichtshof die Interessentheorie zu Recht aufgegeben. Die Schutzbedürftigkeit der Gläubiger wird durch die Motivlage des Täters nicht berührt. Der Anwendungsbereich der Bankrotttatbestände, §§ 283 ff. StGB wird durch diese Rechtsprechungsänderung deutlich ausgeweitet. Insbesondere die Fälle, in denen der Geschäftsführer der Ein-Mann-GmbH Vermögenswerte für eigene Zwecke entzieht, werden nun von den Bankrottdelikten erfasst. Die selbst geschaffene und erkannte Strafbarkeitslücke besteht nicht mehr und wurde mit der konsequenten Anwendung der Bankrottdelikte aus der richtigen Richtung geschlossen.
Seine überdehnende Anwendung der Untreue hat der Bundesgerichtshof bisher jedoch (noch) nicht aufgegeben. Für Geschäftsführer, die mit Zustimmung der Gesellschafter handeln, ergeben sich damit unerwartete Strafbarkeitsrisiken auch außerhalb wirtschaftlicher Krisensituationen. Ebenso überrascht dürften die Gesellschafter sein, die sich durch die Zustimmung des Gesellschafterkreises auf einmal der Gefahr der Strafverfolgung wegen des Vorwurfs der Teilnahme an einer Untreue zulasten ihrer eigenen Gesellschaft ausgesetzt sehen. Dies wiegt umso schwerer, als die Rechtsprechung eine Konkretisierung, was überwiegend im Interesse der Gesellschaftsgläubiger vorgeschrieben und damit einer wirksamen Einwilligung entzogen sein soll, nicht vorgenommen hat. Eine Absicherung hiergegen ist für alle Beteiligten, bis zur hoffentlich baldigen Aufgabe der wesensfremden Anwendung der Untreue, nur durch die vorhergehende Einholung von Rechtsrat möglich.