Haftungsrisiken im Außenwirtschaftsrecht: Sanctions Compliance im Fokus

Sanctions Compliance: Ein weiteres Haftungsrisiko für Geschäftsführer im Fokus

In Ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer sind Sie häufig als Ausfuhrverantwortlicher gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) benannt. Damit sind Sie für die Einhaltung der Exportkontrollvorschriften persönlich verantwortlich. Diese Position umfasst auch die Einhaltung der geltenden europäischen Sanktionen und Embargos. Die aktuellen Sanktionen gegen Russland nehmen wir zum Anlass, um die entsprechenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten in aller Kürze darzustellen.

EU-Sanktionen gibt es nicht erst seit 2022

Wirtschaftssanktionen und Embargos sind ein seit vielen Jahren etabliertes Instrument der politischen Einflussnahme durch Verhängen von (überwiegend) Export- und Importbeschränkungen gegen Staaten und Personen. Durch die aktuellen Wirtschaftssanktionen gegen Russland als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine haben die Sanktionen aber eine nochmals gesteigerte Bedeutung erlangt – auch wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Russland und Deutschland.

Bereits im Jahr 2004 bekannte sich die EU in den „Grundprinzipien für den Einsatz restriktiver Maßnahmen“ dazu, dass „der wirkungsvolle Einsatz von Sanktionen ein wichtiges Mittel darstellt, um Frieden und Sicherheit auf internationaler Ebene im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen und unserer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu erhalten und wiederherzustellen“. Sie verpflichtete sich, die uneingeschränkte, wirkungsvolle und fristgerechte Umsetzung der vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Maßnahmen sicherzustellen und, wenn nötig, eigene autonome Maßnahmen zu ergreifen. Heute bestehen mehr als vierzig verschiedene Sanktionsregime der EU.

Was sind Sanktionen und Embargos? Sanktionen sind ein wichtiges Instrument der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik (GASP) der EU, mit dem die EU bei Bedarf eingreifen kann, um Konflikte zu verhindern oder auf entstehende oder aktuelle Krisen zu reagieren. Trotz ihrer umgangssprachlichen Bezeichnung „Sanktionen“ haben diese Maßnahmen keinen ausgesprochenen Strafcharakter. Sie sollen vielmehr eine Änderung der Politik oder der Aktivitäten bewirken, indem sie auf Nicht-EULänder sowie auf Einrichtungen und Einzelpersonen abzielen, die für ein schädliches Verhalten als verantwortlich angesehen werden.

EU-Sanktionen können sich gegen Regierungen von Nicht-EULändern sowie gegen Unternehmen, Gruppen, Organisationen oder Einzelpersonen richten. Im Wesentlichen gibt es vier Kategorien von Maßnahmen, die entweder einzeln oder auch in Kombination verhängt werden können:

  • Waffenembargos
  • Einreisebeschränkungen (Reiseverbote)
  • personenbezogene Finanzsanktionen sowie
  • andere wirtschaftliche Maßnahmen wie Dienstleistungs-, Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen oder Finanzmarktbeschränkungen

Welche Ausfuhrbeschränkungen gelten im Rahmen von Sanktionen?

Viele Sanktionsregime beinhalten Beschränkungen und Verbote der Ausfuhr bestimmter Güter, Technologien und Software. Diese können entweder einzelne Güter betreffen, die im Anhang der entsprechenden Verordnung aufgelistet sind, oder sämtliche Güter, die für einen definierten Wirtschaftssektor bestimmt sind, z. B. alle Güter, Technologien und Software, die für den militärischen Einsatz oder für Cyber-Surveillance genutzt werden könnten.

Während sich einige Beschränkungen nahezu aufdrängen, erschließt sich der Grund für die Kontrolle bei anderen erst auf den zweiten Blick. So ist es beispielsweise verboten, aufblasbare Boote zu Sportoder Vergnügungszwecken nach Libyen zu exportieren. Denn diese könnten für den Menschenschmuggel verwendet werden. Auch Einzelteile und Komponenten können kontrolliert sein, selbst wenn sie zunächst unbedeutend erscheinen. Die Sanktionen greifen also sehr viel weiter als etwa die Dual-Use Kontrollen. Daher kann nahezu jedes Unternehmen in den Geltungsbereich von Sanktionen geraten – auch wenn die hergestellten oder vertriebenen Produkte auf den ersten Blick völlig „harmlos“ sind.

Es ist daher unumgänglich, dass jedes Unternehmen die Sanktionsregime kennt und prüft, ob Produkte von einem dieser Regime erfasst ist. Es ist die Aufgabe des Ausfuhrverantwortlichen, die innerbetriebliche Exportkontrolle zu organisieren und die dafür zuständigen Mitarbeiter so anzuleiten, dass nicht gegen Ausfuhrbeschränkungen und -verbote der Sanktionen verstoßen wird.

Was sind personenbezogene Finanzsanktionen?

Personenbezogene Finanzsanktionen stellen oftmals ein weiteres zentrales Element der Sanktionspolitik dar. Wenn eine natürliche oder juristische Person im Anhang einer Finanzsanktionsverordnung, der sog. Sanktionsliste, gelistet ist, werden ihre Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen eingefroren. Den gelisteten Personen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zugutekommen.

Die Sanktionierung betrifft auch Unternehmen, an denen sanktionierte Personen 50 % oder mehr der Anteile halten oder die von sanktionierten Personen kontrolliert werden. Das gilt auch dann, wenn das betreffende Unternehmen selbst nicht auf einer Sanktionsliste geführt wird.

Die aktuell längste Finanzsanktionsliste der EU ist die Verordnung 269/2014 als Teil der Sanktionen gegen Russland, auf der über 1.400 Personen und 175 Unternehmen und Organisationen gelistet sind. Personenbezogene Finanzsanktionen sind besonders dynamisch und können sich täglich ändern.

Um sicherzustellen, dass nicht gegen diese Sanktionen verstoßen wird, ist ein sog. Sanctions-Screening einzurichten und regelmäßig durchzuführen. Dabei werden die Namen von Geschäftspartnern und Mitarbeitern mit den Einträgen der Sanktionslisten abgeglichen. Die genaue Ausgestaltung des Screenings kann sich durchaus an der konkreten Risikoexposition orientieren (sog. risikobasierter Ansatz). Idealerweise findet ein Screening jedoch kontinuierlich statt und erfasst auch Geschäftspartner im Bestand, da sich die Listen ständig ändern.

Gelten auch Sanktionen anderer Länder?

EU-Sanktionen gelten für alle Personen, die sich in einem Mitgliedsstaat der EU aufhalten, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, und für nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete oder eingetragene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union. Sie sind daher von allen Mitarbeitern deutscher Unternehmen unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft zwingend zu befolgen.

Daneben müssen Mitarbeiter mit ausländischer Staatsbürgerschaft oder Aufenthaltserlaubnis bei ihrer Tätigkeit auch die Sanktionen des Staates befolgen, dessen Staatsbürgerschaft oder Aufenthaltserlaubnis sie tragen; auch wenn sie sich im Ausland aufhalten. USSanktionen gelten außerdem auch für Inhaber einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis (sog. Green Card). Es ist also wichtig, die Nationalitäten der Unternehmensmitarbeiter zu kennen und auf diese extra-territoriale Wirkung hinzuweisen.

Außerdem kann das US-Recht für EU-Unternehmen sog. extraterritoriale Wirkung haben. Teilweise geht das US-Recht von einer unmittelbaren Anwendbarkeit aus, auch wenn ansonsten keine Verbindung zu den USA besteht (sog. Secondary Sanctions). Ob diese Wirkung auch rechtlich durchgesetzt werden kann, ist sehr fraglich. Aus Angst, selbst sanktioniert zu werden, haben viele EU-Unternehmen, die Verbindungen oder Geschäfte in den USA haben, aber dennoch die Policy, keine Geschäfte zu machen, die nach US-Recht sanktioniert wären.

Welche Rolle spielen Sanktionen im internen Compliance-System?

Wie die sonstige Exportkontrolle ist auch die Sanctions Compliance im internen Compliance-System (ICP) abzubilden. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) fordert in seinem Merkblatt „Firmeninterne Exportkontrolle, Betriebliche Organisation im Außenwirtschaftsverkehr“

  • Angaben zu Arbeitsmitteln, insbesondere zum Zugang zu maßgeblicher Rechtstexten einschließlich der Güter- und Sanktionslisten in der jeweils geltenden Fassung
  • Vorschriften zur Überprüfung der einschlägigen Embargoregelungen,
  • Angaben zu Sanktions-Screenings, inkl. Wiederholungen der Prüfungen, mögliche Nutzung einer Software, Beschreibung der Prüfroutine
  • Verfahrensregeln, die im Einzelnen angeben, wie Treffer verifiziert werden und wahrscheinliche Übereinstimmungen zu behandeln sind.

Alle diese Abläufe und Ergebnisse sind zu dokumentieren. Es ist Teil der Aufgabe des Ausfuhrverantwortlichen, dieses ICP zu etablieren und regelmäßig zu prüfen.

Haftung für Sanktionsverstöße

Verstöße gegen Sanktionen können – bei Vorsatz – mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafen sanktioniert werden. Fahrlässiges Handeln oder Unterlassen kann als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden.

Diese Haftung ist gleichlaufend mit der Haftung des Geschäftsführers nach § 130 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Danach haftet, wer als Inhaber eines Unternehmens bei der Delegation eigener Pflichten vorsätzlich oder fahrlässig erforderliche Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die Verstöße gegen diese Pflichten verhindert oder wesentlich erschwert hätten. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch die Bestellung, die sorgfältige Auswahl und die Überwachung von Aufsichtspersonen. Über § 30 OWiG kann zudem (und wird in der Regel) eine Unternehmensbuße verhängt werden.

Die Verwirklichung von Verstößen gegen Sanktionen kann außerdem eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers im Innenverhältnis gegenüber dem Unternehmen darstellen. Das kann zu einer zivilrechtlichen Haftung des Geschäftsführers gegenüber dem Unternehmen führen, gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG. Danach haftet ein Geschäftsführer, welcher seine Obliegenheiten verletzt, gegenüber der Gesellschaft für den entstandenen Schaden.

Außerdem werden Sanktionsverstöße häufig auch in der Presse thematisiert und können zu einem erheblichen Reputationsschaden für das Unternehmen führen.

Um diese Risiken weitestgehend zu minimieren, ist es unerlässlich, dass der Geschäftsführer als Ausfuhrverantwortlicher auch Sanctions Compliance bei der Einrichtung des internen Compliance-Systems berücksichtigt und sachkundige Mitarbeiter auswählt und fortbildet. Außerdem hat der Ausfuhrverantwortliche systematische Kontrollen durchzuführen, wobei es nicht notwendig ist, dass er jeden Ausfuhrvorgang prüft.