Gesundheitswesen im Wandel: Risiken und Chancen im Fokus

Die derzeitigen Herausforderungen für die Träger von Krankenhäusern sind vielfältig. Im Interview erklären die Healthcare-Experten Georg Alten und Ingo Fehlberg, beide Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner bei Forvis Mazars, wie der Strukturwandel bewältigt werden kann, und geben einen Ausblick, vor allem im Hinblick auf das geplante Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG).

Welche sind für Sie derzeit die drei größten Herausforderungen der Gesundheitsbranche

Ingo Fehlberg: Zuallererst belastet die Krankenhäuser eine fehlende Refinanzierung der steigenden Personal- und Sachkosten. Wir haben hier eine große Liquiditätslücke und sehen so viele Insolvenzen wie nie zuvor: Laut RWI Krankenhaus Rating Report 2023 wird der Anteil an insolvenzbedrohten Kliniken bis  2030 auf 44 % steigen. Hinzu kommt der Fachkräftemangel. Es gibt hierdurch aktuell im Schnitt 30 %  gesperrte Intensivbetten und auch andere Leistungen können nicht erbracht werden, weil Personal fehlt.

Georg Alten: Die dritte Herausforderung ist, dass das Konzept „Sanierung durch Wachstum“ nicht mehr funktioniert. Regulatorische Fehlanreize – auch durch die Fallpauschale – führten in der Vergangenheit zu einem starken Wachstum der Fallzahlen. Statistisch flachte diese Kurve 2016 ab. Daraus entstand eine Seitwärtsbewegung des Marktes bis 2019 und in der Pandemie dann ein signifikanter Rückgang in der gesamten Branche, der bislang nicht mehr aufgeholt wurde. Die Kliniken hätten daraufhin ihre Kapazitäten anpassen müssen. Das ist aber nicht geschehen und wird jetzt den Kräften des Marktes überlassen, da die Überkapazitäten nicht refinanziert werden.

Stellt für Sie die geplante Krankenhausreform eher eine Chance oder eine Herausforderung dar?

GA: Diese Reform ist Chance und Risiko. Gleichwohl ist eine Reform dringend erforderlich. Denn die wirtschaftliche Situation ist derzeit so dramatisch, dass wir damit rechnen müssen, dass die Gesundheitsbranche die Versorgung der Patient:innen nicht mehr im gewohnten Maße erhalten kann.

IF: Sie ist auf jeden Fall eine Chance für die Krankenhäuser, ihre medizinstrategische Ausrichtung zu überdenken und zu überlegen, wo z. B. Kooperationen mit anderen Kliniken gebildet werden können, um Leistungen zu bündeln. Das ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht wichtig, sondern auch, um eine langfristige Gesundheitsversorgung vor Ort in den Kommunen sicherzustellen. Den finanziellen Druck nehmen kann – neben einem geplanten Transformationsfonds der Bundesregierung – auch die Vorhaltefinanzierung einzelner Bereiche.

Mit dem KHVVG erhalten wir die Rahmenbedingungen, um den Transformationsprozess mit unseren Mandanten anzustoßen.

Georg Alten und Ingo Fehlberg

Wie können Krankenhäuser den Strukturwandel im Gesundheitssystem bestmöglich bewältigen?

GA: Unter anderem durch die Ambulantisierung. Die Krankenhäuser stehen damit vor der Herausforderung, mehr Leistungen ambulant anzubieten und so wirtschaftlicher zu arbeiten und gleichzeitig ihre Patient:innen auf einem gleichbleibend hohen Niveau zu versorgen. Allerdings kann man  hier nicht einfach den Hebel umlegen. Das Personal muss geschult, Risiken genau bedacht und viel  investiert werden – in Fachwissen und Arbeitsweisen ähnlich denen in Medizinischen Versorgungszentren  (MVZ) und in den Praxen niedergelassener Ärzt:innen.

Wenn Sie einen Ausblick in die Zukunft der Branche geben müssten – wie würde dieser aussehen?

IF: Es wird in jedem Fall weniger Krankenhäuser geben. Aber die verbleibenden werden mehr Schwerpunkte haben und mehr Leistungen anbieten, nach dem Vorbild von Universitätskliniken. Die Versorgung in der Stadt und auf dem Land bleibt sicher – im ambulanten Bereich, in der Unfallversorgung und der Geriatrie, da die Bevölkerung immer älter wird. Auch die Digitalisierung spielt definitiv eine große Rolle. Die Hoffnung ist, dass die Sektoren hierdurch ambulant und stationär besser zusammenarbeiten können, der Verwaltungsaufwand weniger und Bürokratie abgebaut wird. Eines wird sich jedoch nicht ändern: Das Gesundheitswesen bleibt ein großer Wirtschafts- und Beschäftigungsfaktor. Wie unterstützt Forvis Mazars Akteure der Gesundheitswirtschaft bei ihren Herausforderungen?

GA: Wir sehen uns als der Transformationsberater im Gesundheitswesen. Mit dem KHVVG haben wir bald die Rahmenbedingungen, damit wir diesen Prozess mit unseren Mandanten anstoßen können. Diesen bieten wir eine Strategie, bei der wir alle relevanten rechtlichen, steuerlichen und wirtschaftlichen Faktoren zusammenbringen. Außerdem unterstützen wir mit unserer fundierten Branchenexpertise bei der Neuorganisation von fusionierten Unternehmen, bewerten Anteile vor einem Merger und helfen bei Finanzierungs- sowie Nachhaltigkeitsfragen.

Unabhängige Beratung für eine faire Gesundheitsbranche:

Fotos: Forvis Mazars

Artikel aus dem Handelsblatt Journal How to future Health vom 05.11.2024

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