Gespräch mit Philip Grosse, CFO Deutsche Wohnen

Herr Grosse, Sie sind im Vorstand der Deutsche Wohnen auch für Nachhaltigkeit zuständig. Ihr Unternehmen hat sich als eins der ersten großen der Branche der Klimaneutralität verschrieben, will die Bundesregierung sogar überholen und bis zum Jahr 2040 den Gebäudebestand klimaneutral entwickeln. Woher stammt ihre Motivation? Haben Sie die Finanzierung im Auge? Liegt es an der neuen EU-Regulatorik, Stichwort Taxonomie?

Wir möchten unseren Beitrag für eine nachhaltige Transformation der Gesellschaft leisten.  Der Gebäudesektor ist ein enormer Hebel bei der Erreichung der Klimaziele. Ein Drittel der CO²-Emissionen entsteht in unserer Branche. Als ein führendes Immobilienunternehmen möchten wir vorangehen und haben uns daher das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität bis 2040 gesetzt.

Unser Ziel, bis zum Jahr 2040 die Klimaneutralität zu erreichen, ist machbar. Die dafür nötigen Maßnahmen werden wir sozialverträglich umsetzen. Mit den dafür erforderlichen Investitionen erreichen wir eine Kostenrendite von zwei bis drei Prozent.

Unser Klimaziel können wir erreichen, weil wir seit vielen Jahren in die energetische Ertüchtigung unseres Bestandes investieren. Daher haben wir verglichen mit vielen Wettbewerbern eine sehr gute Ausgangsposition. Bei der für unsere Branche wichtigen Kennzahl der CO2-Intensität erreichen wir heute bereits einen Wert unter 33 Kilogramm CO2-Verbrauch pro Quadratmeter.

Zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 werden wir allein in die Sanierung der Gebäude rund 2,5 Milliarden Euro investieren. Darüber hinaus erhöhen wir den Anteil energetischer Sanierungen bei komplexen Maßnahmen von 33% auf 50%. Wir ziehen also das Tempo an und fokussieren Investitionen stärker als bisher.

Beim Gebäudebestand ist es besonders schwierig, Klimaneutralität zu erreichen. Die Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen hat beispielsweise kürzlich in eine Studie ermittelt, dass heute gerade einmal 15 Prozent der untersuchen Bestandsgebäude zwei Drittel der EU-Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, die für die EU-Taxonomie ja wichtig werden. Das sind in Deutschland noch enorme Investitionen erforderlich. Ist das überhaupt ökonomisch sinnvoll zu erreichen?

In den vergangenen Jahren haben wir in der Regel etwa die Hälfte der Mieteinnahmen direkt wieder in den Gebäudebestand reinvestiert. Im vergangenen Jahr waren das knapp 400 Millionen Euro Unser Ziel bei energetischen Sanierungen ist einfach formuliert, mehr Wärme im Gebäude zu halten. Jedoch stoßen wir dabei irgendwann auf physikalische Grenzen.  Durch die energetische Ertüchtigung können wir den Energieverbrauch der Gebäude zwar um 30 Prozent senken.  Unser Klimaziel erreichen wir damit aber nicht. Beispielsweise ist das bei unseren rund 30.000 denkmalgeschützten Wohnungen aufgrund der gesetzlichen Auflagen schon nicht möglich. Zudem gibt es bei der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden ökonomische Grenzen. Der größere Hebel ist der Primärenergieeinsatz, also die Energie, die ins Gebäude fließt

Dadurch können wir in Ergänzung zu energetischen Sanierungen unser Ziel der Klimaneutralität erreichen, indem wir den Energiemix ändern, über grüne Fernwärme, Blockheizkraftwerke und Fotovoltaikanlagen in unseren Quartieren.

Physikalische Grenzen, das heißt, nicht jedes Haus lässt sich durch Dämmen zum Nullenergiehaus umrüsten. Wie wollen sie denn insgesamt die Klimaneutralität erreichen?

Am meisten erreichen wir über den Wechsel der Energieträger. Die schlechteste Energiebilanz haben Ölheizungen, die aber in unserem Bestand so gut wie keine Rolle mehr spielen. Am wirkungsvollsten ist es, den Anteil regenerativer Energien zu erhöhen. Wenn wir die gesamte Hausenergie aus regenerativer Energie beziehen, dann ist das Gebäude klimaneutral – egal wie gut oder schlecht es isoliert ist. Unser Ziel ist eine optimale Kombination aus Dämmung und regenerativer Energie.

Und da spielt in der ganzen Branche das Thema Fotovoltaik eine entscheidende Rolle. Wir wollen die Flächen der Gebäudedächer nutzbar machen und Energie nachhaltig erzeugen. Aus unserer Sicht sollte in diesem Bereich regulatorisch nachjustiert werden, damit die Mieter auch die Energie nutzen können, die auf ihren Gebäuden erzeugt wird. Derzeit wird das noch steuerlich benachteiligt, so dass wir die Energie erst ins Netz einspeisen und uns anschließend wieder zurückholen. Das ist ausgesprochen ineffizient.

Wie können Sie Ihre Mieter von ihren ehrgeizigen Klimazielen überzeugen?

Wir haben in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um Mieter mit geringem Einkommen wirksam vor Modernisierungskosten zu schützen. So verzichten wir auf Mieterhöhungen oder kappen diese, wenn die Miete nach Modernisierung den Mieter finanziell überfordert. Die Grenze ziehen wir bei 30% des Haushaltseinkommens. Mehr muss ein Mieter der Deutsche Wohnen nach Modernisierung nicht zahlen. Übrigens haben wir diese Regel inzwischen auch für Mieterhöhungen nach Mietspiegel eingeführt. Darüber hinaus begleiten wir unsere Mieterinnen und Mieter eng im Sanierungsprozess und stehen mit vielen Serviceangeboten zur Seite. Unsere Maßnahmen zeigen Erfolg, die Akzeptanz für energetische Modernisierung ist gestiegen.

Das allein löst aber nicht das Dilemma. Noch immer führt die Ablehnung gegen energetische Sanierungen dazu, dass wir bei Sanierungen auf die Bremse treten müssen, obwohl eine Beschleunigung für die Umwelt dringend erforderlich ist.

Stößt da ihre Strategie, sich auf Metropolen zu konzentrieren nicht an Grenzen? Besonders in Berlin haben sie ja Probleme mit Protesten nach dem Motto: „Enteignet Deutsche Wohnen und Co“. Und auch die Politik unterstützt sie nicht unbedingt…

Vviele politische Weichenstellungen weisen in die richtige Richtung. So kommt beispielsweise die staatliche Unterstützung der energetischen Sanierung durch das Bundesenergiegesetz (BEG) letztlich den Mietern zugute. Denn die Subventionen reduzieren die Investitionssumme, die auf den Mieter umgelegt werden. Das erhöht die Akzeptanz für Modernisierungen.

Solche Instrumente reichen jedoch nicht aus, um bei Mietern wirklich den Rückhalt für energetische Modernisierungen zu steigern. Wir haben darum ein eigenes Konzept vorgelegt, wie das Klimaschutz-Wohnkosten-Dilemma aufzulösen ist: Vereinfacht gesagt wollen wir erreichen, dass die staatlichen Einnahmen durch die CO2-Bepreisung der Energiekosten in den Immobiliensektor zurückfließen und die Mieter bei der Modernisierungsumlage entlasten. Dieser Zuschuss könnte am Anfang 100 Prozent der Umlage umfassen und dann jährlich schrittweise zurückgefahren werden. Die Mieter profitieren sofort durch geringere Heizkosten und steigen erst über die Dauer von 15 Jahren in die Klimakosten ein.

Wir werden den gewaltigen Kraftakt eines deutschlandweit klimaneutralen Gebäudebestandes nur meistern, wenn wir die Mieter mitnehmen. Dazu gehört eine vernünftige Lösung für Mieter wie für Vermieter.

Jedes Unternehmen ihrer Branche verfolgt gerade eine andere Strategie, um die Kimaziele zu erreichen. Ihr größerer Wettbewerber Vonovia hat einen Nachhaltigkeitsindex SPI entwickelt. Sie sind der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauern beigetreten. Könnten sie nicht mit einem gemeinsamen Konzept mehr erreichen?

Unser Markt ist sehr heterogen. Die größeren privaten Wohnungsunternehmen stehen gerade einmal für rund drei Prozent des Marktes. Es sind vor allem individuelle Eigentümer, die den Wohnungsmarkt in Deutschland bestimmen. Zwei Drittel des Vermietungsmarktes werden von Privaten gehalten, die eine oder wenige Wohnungen besitzen.

In unserer Branche herrscht erfreulicherweise Konsens, dass der Primärenergiebedarf und damit die CO2-Intensität gesenkt werden muss.

Denn langfristiger Erfolg lässt sich nicht allein in finanziellen Dimensionen messen. Auch die nichtfinanziellen Dimensionen, speziell das Thema Umweltschutz müssen wir berücksichtigen – genau wie das Thema sozialer Ausgleich. Bei unserer nächsten Hauptversammlung werden wir deshalb ein Konzept vorschlagen, das einen wesentlichen Teil  der Vorstandsvergütung an genau solche Ziele koppelt.