Für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem werden enorme Mengen an grünem Wasserstoff benötigt. Gewonnen wird er in einer Elektrolyse mithilfe von elektrischem Strom aus erneuerbaren Quellen, indem Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten wird. Evonik entwickelt eine neuartige anionenleitende Membran, welche die kosteneffiziente Erzeugung von grünem Wasserstoff ermöglichen soll.
Der meiste Wasserstoff wird heute noch per Steam Reforming aus kohlenstoffbasierten Quellen wie Methan erzeugt – nicht zuletzt, weil das traditionelle Verfahren erheblich günstiger ist. Das liegt zum einen an den relativ hohen Strompreisen, zum anderen erfordern Elektrolyseaggregate sehr hohe Investitionssummen. Evonik will die Kosten der Aggregate durch eine neuartige Membrantechnologie reduzieren helfen. Experten trauen dieser AEM-Elektrolyse (kurz für Anion Exchange Membrane, Anionen-Austausch-Membran) zu, die Wasserstoffproduktion aus regenerativem Strom massentauglich zu machen.
In einem von der EU-geförderten Verbundprojekt namens CHANNEL, an dem neben Evonik und Enapter der Energiekonzern Shell, das Forschungszentrum Jülich, die Technisch-Naturwissenschaftliche Universität Norwegens (NTNU) und das norwegische Forschungsinstitut SINTEF beteiligt sind, soll bis 2022 ein Demonstrator entstehen, der die Leistungsfähigkeit der AEM-Elektrolyse beweist. Herzstück des Projekts soll die neue ionenleitende Membran von Evonik werden, die zurzeit in Anlagen von Enapter getestet wird.
Das Arbeitspferd unter den bisher üblichen Verfahren zur elektrolytischen Wasserstoffherstellung ist die alkalische Elektrolyse (AEL). Die Technik ist robust und kommt mit recht günstigen Zellmaterialien aus. In den Katalysatoren, die dafür sorgen, dass die Reaktionen in Gang kommen, werden zum Beispiel Nickel, Kobalt oder Eisen verbaut, in den Gehäusekomponenten Edelstahl. Pro Kilowatt Leistung fallen so etwa 800 € Investitionskosten an, bis 2025 erwarten Experten einen Rückgang auf bis zu 600 €. Die Anlagen können jedoch nur eingeschränkt unter Druck betrieben werden. Der Wasserstoff muss also unter hohem Energieaufwand komprimiert werden, damit er gespeichert und weitertransportiert werden kann. Außerdem kann diese klassische Elektrolyse nur bei geringen Stromdichten betrieben werden.
Bessere Stromdichten schafft ein anderes, bereits etabliertes Verfahren, die PEM-Elektrolyse (kurz für Proton Exchange Membrane). Ein PEM-Elektrolyseur wird nicht nur bei höheren Stromdichten betrieben als eine AEL-Anlage, er hält auch größere Lastschwankungen aus. Und da er unter Druck betrieben werden kann, wird nachher weniger Energie für die Wasserstoffkompressoren benötigt.
So groß die technischen Vorteile sind – die hohen Investitionskosten für eine PEM stellen eine erhebliche Markteintrittshürde dar: PEM-Zellen arbeiten im sauren Milieu, erfordern daher sehr robuste Materialien. Man benötigt Edelmetalle wie Platin und Iridium für die Katalysatoren, für die Zellen Titan oder sogar platiniertes Titan. Beim Stand der Technik rechnet man pro Kilowatt Leistung Investitionskosten von mindestens 1.000 €.“
Hier kommt der Hoffnungsträger AEM ins Spiel. Die Bauweise einer AEM-Zelle entspricht der einer PEM-Zelle, auch sie kann unter Druck und mit hoher elektrischer Leistung betrieben werden. In beiden Fällen ist das Herzstück eine Membran aus einem ionenleitenden Polymer. Auf beiden Seiten liegen Elektroden auf, welche mit Katalysatorpartikeln beschichtet sind. Bei der AEM können dafür signifikant günstigere edelmetallfreie Materialien wie Nickel verwendet werden, denn das Verfahren arbeitet im alkalischen Milieu. Entsprechend günstiger könnten die Investitionskosten für die Elektrolyse sein: 500 bis 600 € pro Kilowatt stehen als mittelfristiges Entwicklungsziel im Raum.
Die Vorteile der Membran von Evonik sind klar: Sie liegen in den sehr guten Materialeigenschaften, d.h. insbesondere in einer Kombination von hoher Ionenleitfähigkeit mit exzellenter chemischer und mechanischer Stabilität. Noch geht es darum, die Performance der Membran für die AEM-Elektrolyse weiter zu optimieren. Eine entscheidende weitere Herausforderung ist die Überführung der Herstellung der Membran aus dem Labormaßstab in einen skalierten Pilotmaßstab und danach in einen kontinuierlichen Fertigungsprozess.
Weitere Informationen zum Thema Wasserstoffwirtschaft finden sie hier https://elements.evonik.de/dossier/das-kommt-dabei-raus/
Dr. Christian Däschlein, Director Hydrogen Economy, verantwortlich für die Entwicklung der anionenleitenden Membran und neue Produkte für die Wasserstoffwirtschaft bei Evonik Operations GmbH