Fünf politische Hebel für eine schnellere Wärmewende in der Industrie

Fünf politische Hebel für eine schnellere Wärmewende in der Industrie

„Ich kann Ihnen versprechen, die nächsten sechs Monate werden viel im Bereich Wärme und Effizienz mit sich bringen. Sie werden erleben, dass da jetzt ein völlig anderer Drive dahinter ist.“ Mit diesen Worten hat Energiestaatssekretär Dr. Patrick Graichen auf der Jahreskonferenz der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF e.V.) Ende Juni die Marschrichtung für eine beschleunigte Wärmewende vorgegeben.

Konkrete Maßnahmen und Vorgaben gibt es bislang jedoch vor allem für den Gebäudesektor. In der Industrie macht die Nutzung von Prozesswärme über 60 Prozent des Energiebedarfs aus. Hier entstehen knapp ein Viertel aller deutschen CO2-Emissionen! Will Deutschland die Abhängigkeit von fossilen Energien effektiv verringern und die Dekarbonisierung entscheidend voranbringen, muss die Politik in diesem Feld endlich aktiver werden.

Doch wie könnten die politischen Rahmenbedingungen aussehen, damit technologische Lösungen für grüne Prozesswärme wie thermische Speicher zügig und im großen Stil implementiert werden?

Wir haben dazu fünf Ideen:

  1. Ausbauziele für Speicher. Es gibt sie für Windkraft, es gibt sie für Solaranlagen. Für Speichertechnologien sind politische Zielvorgaben auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045 bislang jedoch Fehlanzeige. Dabei wird die Stromerzeugung durch den wachsenden Einsatz erneuerbarer Energien volatiler und unbeständiger über den Tages- und Jahresverlauf. Speicher im Netz und in der Industrie können diese Schwankungen ausgleichen und sind deshalb die fehlenden Puzzlestücke, um das Bild einer robusten und zugleich nachhaltigen Energieversorgung zu vervollständigen.
  2. Quoten für Prozesswärme-Erzeugung und Abwärmenutzung. Im Gebäudebereich sollen Neubauheizungen ab 2024 verpflichtend mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Eine ähnliche gesetzliche Vorschrift würde auch in der Industrie helfen, den Umstieg auf eine grüne Wärmeerzeugung zu beschleunigen – etwa über die Elektrifizierung vormals gasbasierter Dampferzeugung.
  3. Gleichwertige Behandlung von Strom und Gasen. Der Gaspreis steigt aktuell gewaltig und schafft somit spürbare Anreize für einen Umstieg auf Strom – doch auch die Strompreise steigen deutlich an. Die aktuellen Netzentgelte sind für viele Industrieunternehmen eine von mehreren Hemmnissen für die Elektrifizierung ihrer Prozesse. Technologieoffenheit – gerade von der Wasserstoff-Lobby häufig gefordert – muss in beide Richtungen gelten. Um Power-to-Heat neben Power-to-Gas und Wasserstoff-Technologien gleiche Marktvoraussetzungen zu geben, bieten sich deshalb temporär auch Steuerbefreiungen oder ein umlagebefreiter Wärmestromtarif an. Auch ein „Dekarbonisierungsstrompreis“ für industrielle Prozesswärme, wie ihn der Verband der Energieabnehmer (VEA) fordert, kann gerade im industriellen Mittelstand Transformationspotenziale freisetzen.
  4. Berücksichtigung in Förderprogrammen. Während andere europäische Länder ein Stück weit innovationsfreundlicher und mutiger sind, bilden Fördergelder und Teilfinanzierungen für Referenzprojekte in Deutschland häufig den notwendigen Anschub für den Markthochlauf. Es ist deshalb wichtig, dass Prozesswärme-Projekte zügig Einzug halten bei Förderprogrammen für die Dekarbonisierung der Industrie, beispielsweise beim Programm des Kompetenzzentrums Energieintensive Industrie (KEI) in Cottbus.
  5. Ambition und Verlässlichkeit. Auch die bestehenden Instrumente zur marktbasierten Minderung von Emissionen können Lenkungswirkung entfalten und Anreize für die Skalierung von Technologien schaffen. Viele Unternehmen wünschen sich für einen Ausstieg aus ihrer fossilen Prozesswärmeerzeugung deshalb einen Minderungspfad im EU-Emissionshandel, der ambitioniert und zugleich verlässlich planbar ist. Auch eine schnelle nationale Umsetzung des möglichen ETS-2 unter Einbezug von Prozesswärme-Emissionen kann die Unsicherheit bei Entscheiderinnen und Entscheidern in der Wirtschaft senken. So wird aus Zögern Handeln – und diese Fortschritte in der Wärmewende sind in der aktuellen Energiekrise wichtiger denn je.

Für weitere Impulse zu einer Wärmewende für Versorgungssicherheit in der Industrie empfehlen wir das Positionspapier des Bundesverbands Energie Speicher Systeme (BVES) und des Deutschen Industrieverbands Concentrated Solar Power (DCSP).