Fragen an Astrid Hermann, CFO Beiersdorf

Fragen an Astrid Hermann, CFO Beiersdorf

„Dieses Jahr erwarten wir ein hohes Maß an Volatilität“

Der Konsumgüterkonzern investiert schon länger in das Risikomanagement und die Diversifizierung seiner Lieferketten. Die Finanzchefin gestaltet ihre Finanzplanung flexibel. Das hilft dem Unternehmen durch die volatilen Zeiten.

Derzeit gibt es in den meisten globalen Wertschöpfungsketten Störungen, die zu Engpässen und Preissteigerungen führen. Hinzu kommen die Unsicherheiten durch den Ukrainekrieg. Wie wirken sich die Störungen auf Ihren Konzern aus?

Ich möchte zunächst betonen, dass für uns gegenwärtig vor allem die Menschen, unsere Mitarbeiter, im Kriegsgebiet im Fokus stehen. Wir bemühen uns sehr, ihnen und ihren Familien angemessen zu helfen.

Aus finanzieller Sicht sind wir weniger betroffen. Unser Anteil am Umsatz in Russland und der Ukraine im Bereich Consumer beträgt weniger als drei Prozent und bei tesa weniger als ein Prozent. Die direkten Auswirkungen auf das EBIT auf Gruppenebene sind nicht signifikant. Allerdings hat der Krieg weitläufige Auswirkungen auf Material- und Transportkosten als auch Versorgungsengpässe. Wir sehen für das laufende Jahr 2022 ein hohes Maß an Volatilität.

Führen Sie die Störungen der vergangenen zwei Jahre vor allem auf die Corona-Pandemie zurück oder sind sie großteils strukturell bedingt?

Die Lieferausfälle und -verwerfungen getrieben durch die Pandemie haben uns vor Augen geführt, dass globale Lieferketten Herausforderungen mit sich bringen und Just-in-time Delivery aufgrund von langen Transportwegen oder Störungen in der Lieferkette nicht robust genug sind. Häfen, die geschlossen wurden, Schiffe, die Kanäle blockiert haben und ein signifikant steigender Bedarf haben einen sowieso schon knappen Markt in ein Ungleichgewicht gestürzt. Denn selbst Automobilhersteller, die ja bekannt für Just-in-Time- Anlieferungen sind, kehren wieder zu traditionelleren Bevorratungsmustern zurück. Also ja, die Störungen sind durch die Pandemie ausgelöst worden, aber haben auch zu einer Erkenntnis der Volatilität in den Lieferketten insgesamt geführt.

Ändert das Risiko von Lieferkettenstörungen ihre Strategie und Finanzplanung?

Unsere Strategie der Beschaffung haben wir schon vor der Pandemie angepasst und dies hat uns in den letzten beiden Jahren sehr geholfen, weiterhin hohe Service Levels zu halten. Wir haben stark in Business Continuity Planing investiert – durch breitere Aufstellung in der Lieferantenbasis, Flexibilität in der Formulierung als auch KI-basierte Tools des Risikomanagements der Lieferketten.

Unsere Finanzplanung mussten wir über die letzten zwei Jahre sehr flexibel gestalten, um uns den Spielraum zu geben, auf das volatile Umfeld zu reagieren. Wir haben dabei sichergestellt, dass wir die Investitionen in wichtige Bestandteile unserer Care+ Strategie weiterhin tätigen oder sogar erweitern, während wir in anderen Bereichen sowohl operative als auch kommerzielle Effizienzen generiert haben. Wir haben auch sehr viel mit ‚scenario planing‘ gearbeitet und tun es immer noch, um die Reaktionen auf mögliche Marktbedingungen im Voraus zu planen. Dies hat sich in der Corona Pandemie sehr bewährt.

Viele Unternehmen erwägen derzeit, Produktionen und Transportwege in weniger anfällige Regionen zu verlagern. Rechnen Sie damit, dass sich langfristig in Ihrer Branche und Ihrem Unternehmen die Wertschöpfungsketten verändern?

Eine kontinuierliche Risikobewertung der Produktion und der Lieferketten wurde bereits in der Vergangenheit durchgeführt. Wir haben bereits vor einigen Jahren damit begonnen, unser Lieferantennetz zu erweitern. Wie schon in der vorherigen Frage angedeutet, hat dies sich in den vergangenen Jahren ausgezahlt, da wir nur eine begrenzte Anzahl von Unterbrechungen der Lieferketten erlebt haben. Natürlich beobachten wir die Weiterentwicklung über die letzten Monate und passen unsere Prozesse weiterhin an, um flexibel zu bleiben und für unsere Kunden liefern zu können.

Vor allem durch die Lieferengpässe sind schon im Jahr 2021 bei Ihnen und anderen Unternehmen die Rohstoff- und Logistikkosten gestiegen; wie wird sich nach Ihrer Einschätzung die Kostenstruktur in Zukunft entwickeln?

Kurzfristig erwarten wir ein anhaltend hohes Niveau, starke Volatilität und weiterhin Lieferengpässe, die angemessen gemanagt werden müssen.  Mittelfristig würden wir davon aus, dass sich das Umfeld normalisiert und die Kosten auf ein normaleres Niveau zurückgehen. Allerdings machen es die jetzigen geopolitischen Gegebenheiten schwer voraussagbar.

Für uns ist wichtig, alle Möglichkeiten, den Kostendruck zu mindern, in Erwägung zu ziehen. Wir denken dabei an Preiserhöhungen, Ausschöpfen von Vorteil aus Mixeffekten als auch der Erzeugung von Effizienzen in allen Unternehmensbereichen.

Die aktuellen Entwicklungen haben auch das Nachfrageverhalten geändert. Spüren Sie einen Trend zu hochwertigeren und nachhaltigen Produkten?

Wir sehen einen langfristigen Trend hin zu mehr Premiumkategorien. Deshalb investieren wir in hochwertige Innovationen in der Gesichtspflege und haben unser Portfolio mit der Übernahme von Chantecaille um eine selektive Marke erweitert.

Mit NIVEA Naturally Good haben wir beispielsweise eine nachhaltige Produktlinie im Sortiment. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass unser gesamtes Sortiment die unter Nachhaltigkeitsaspekten bestmögliche Aufstellung hat, sowohl bei den Formulierungen als auch bei den Verpackungen.

Die Fragen stellte Sabine Haupt