Moleküle – Die Schlüsselfaktoren einer bezahlbaren Energiewende

Eine erfolgreiche Energiewende ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Um die Klimaziele zu erreichen und um eine nachhaltige, aber auch bezahlbare Energieversorgung zu gewährleisten, sind innovative und vielseitige Lösungen gefragt. Eine vielversprechende Rolle spielen hierbei Moleküle wie grüne Gase und Wasserstoff. Wie können sie also eingesetzt werden und welche Maßnahmen sehen wir ls Energieversorger DEW21 als notwendig an, damit wir das Potenzial voll ausschöpfen können?

Gase sind nicht nur eine Brückentechnologie
Erdgas, dass in Deutschland seit Jahrzehnten ein wichtiger Energieträger ist, wird auch in den kommenden Jahren eine wesentliche Primärenergie auf dem Weg zur einer CO2-freien Energiezukunft sein. Als fossiler Brennstoff ist es zwar nicht CO2-neutral, doch es verbrennt wesentlich sauberer als Kohle oder Öl. Ein Best-Practice-Beispiel für den effizienten Einsatz von Erdgas ist das Fernwärmesystem von DEW21. Bereits heute wird es ganzjährig zu über 75 Prozent aus unvermeidbarer Abwärme von Industrieunternehmen, also klimaneutral, gespeist. Um die Versorgungssicherheit an besonders kalten Tagen oder zu Zeiten, an denen die Industrieabwärme nicht zur Verfügung steht, zu gewährleisten, brauchen wir moderne Back-Up-Systeme. Diese basieren heute auf Erdgas. Das Erdgassystem fungiert dabei als Energiespeicher zur Abdeckung hoher Lastspitzen. Zukünftig wird dies auch durch grüne Gase, insbesondere Biogas, oder Wasserstoff möglich sein. Die kontinuierliche Modernisierung und Erweiterung des Dortmunder Fernwärmesystems ist ein zentraler Baustein der Unternehmensstrategie, um den CO2-Ausstoß auch in der Wärmeversorgung weiter zu reduzieren.

Wasserstoff: Ein weiterer Energieträger für eine klimaneutrale Zukunft
Während konventionell gefördertes Erdgas aufgrund seines CO2-Anteils mittelfristig immer weiter an Bedeutung verlieren wird, stellt Wasserstoff neben anderen grünen Gasen eine langfristige Lösung für eine nachhaltige Energieversorgung dar. Hierfür bedarf es einer klimaneutralen Herstellung bzw. einer entsprechenden CO2-Kompensation. Wasserstoff wie aber auch weitere grüne Gase ermöglichen die Speicherung und den Transport in großen Mengen und auch über lange Zeiträume. Besonders der sogenannte grüne Wasserstoff, der unter Einsatz von erneuerbaren Energien produziert wird. Hinzu kommt der netzdienliche Faktor zum Ausgleich der starken Schwankungen bei Stromversorgung. So wird im Sommer produzierter Grünstrom als Wasserstoff gespeichert im Winter nutzbar gemacht. In Dortmund beteiligt sich DEW21 an Pilotprojekten, die die Erzeugung, Speicherung und Nutzung von grünem Wasserstoff untersuchen. Ein besonders spannendes Projekt ist die Integration von Wasserstoff in unser bestehendes Gasnetz, die die flexible Nutzung erneuerbarer Energien ermöglichen würde und auch die Speicherung großer Energiemengen, die bei Bedarf schnell abrufbar sind. Um den Bedarf in den verschiedenen Sektoren zu decken, ist neben der heimischen Erzeugung auch der Import von Wasserstoff notwendig. Wasserstoff kann sowohl in Reinform als auch in gebundener Form, den sogenannten Derivaten, transportiert werden. Der leitungsgebundene Transport von reinem Wasserstoff ist sowohl lokal als auch über weite Distanzen an Land am effizientesten, während der Transport über den Seeweg per Schiff auf Derivate wie Ammoniak angewiesen ist, um praktikabel zu sein. Hier ist wichtig, dass die benötigten Mengen auch nach Deutschland und letztendlich zu Kunden gebracht werden. Eine Importstrategie ist daher essenziell.

Notwendige Schritte für die Transport- und Verteilinfrastruktur
Für eine ausreichende Transport- und Verteilinfrastruktur für grüne Gase und Wasserstoff sind klare wirtschaftliche Rahmenbedingungen erforderlich, wie sie auch in der Strom- oder Wärmeinfrastruktur vorliegen. Dazu gehören eine ganzheitliche Infrastrukturplanung, die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und die Stärkung der Investitionssicherheit. Prohibitiv hohe Netzentgelte in der Hochlaufphase sind zu vermeiden und regulatorische Regelungen zur zeitlichen Verteilung von Hochlaufkosten und Ausfallrisiken müssen etabliert werden. Dies ist speziell für die bisher weniger beachtete Verteilnetzebene notwendig. Bestehende Gasinfrastrukturen sollten als Basis für den Aufbau der Wasserstoff- und grüne Gase-Infrastruktur genutzt werden. Sinnvoll wäre hier eine ganzheitliche Betrachtung der Infrastrukturen soweit sie Moleküle betreffen. Es sollte daher keine Trennung von Erdgas- und Wasserstoffnetzen geben.

Finanzierung der Netzentwicklung
Eine der zentralen Herausforderungen bei der klimaneutralen Transformation des Energiesektors ist die Weiterentwicklung der notwendigen Infrastrukturen, um die Anwendung von Wasserstoff zu integrieren. Insbesondere muss die Finanzierung dafür geklärt werden. Dazu gehört neben dem Wasserstoffkernnetz auch die „letzte Meile“ bis zum Kunden, die noch unzureichend betrachtet wird. Verzögerungen bei der Verteilung dieser Kosten könnten den Weg zur Klimaneutralität gefährden. Hier ist vor allem entscheidend, dass die Kosten der zukünftigen Infrastruktur weiterhin in größtmöglichem Maße sozialisiert werden.

Prioritäre Maßnahmen und Handlungsfelder
Um die Transformation des Energiesektors erfolgreich umzusetzen, ist ein wesentlicher Baustein die Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Stromerzeugung in Deutschland. Dieser bildet die Grundlage sowohl für die Elektrifizierung als auch für die Erzeugung von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten. Parallel dazu sollte die Förderung der dezentralen Erzeugung erneuerbarer Gase neben dem Import vorangetrieben werden, um den Übergang zur Klimaneutralität zu erleichtern. Hierzu gehört auch die Einbeziehung kleinerer, dezentraler Elektrolyseure in Förderprogramme.

Beitrag zentraler und dezentraler Energiespeicher
Ein resilientes Energiesystem wird auch zukünftig auf Gasspeicher angewiesen sein, um bei der volatilen Energieerzeugung die Netzstabilität zu gewährleisten. Die aktuelle energiepolitische Lage hat die Bedeutung der Gasspeicher für die Versorgungssicherheit unterstrichen. Bestehende Gasspeicher können umgerüstet werden, und zusätzlich ist der Ausbau weiterer Gas- und Wasserstoffspeicher notwendig.

Entwicklung der Strom-, Gas- und Wasserstoffnetze in NRW
Einer der größten Vorteile auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft ist die Nutzung der bestehenden Gas-Infrastruktur. Viele dieser Leitungsinfrastrukturen sind bereits jetzt H2-tauglich und können durch die Ertüchtigung einzelner Komponenten vollständig wasserstoffverträglich gemacht werden. Hierdurch können zukünftig sowohl grüne Gase wie auch Wasserstoff kostengünstig transportiert und gespeichert werden. Entscheidend ist, dass es zu einer ganzheitlichen Entwicklung der Strom-, Wärme- und Gasnetze im Sinne einer Sektorenkopplung kommt. Eine erfolgreiche Energiewende bedarf der Akzeptanz der Mehrheit der Bevölkerung. Diese ist nur erreichbar, wenn sie für den Einzelnen bezahlbar bleibt.

Fazit
Grüne Gase und Wasserstoff sind zentrale Bausteine für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende. Wasserstoff bietet dabei eine weitere langfristige, molekül-gebundene Option für eine nachhaltige und CO2-freie Energieversorgung. Aus der Sicht eines Energieversorgers wie DEW21 sind gezielte Anreize für Investitionen in die Weiterentwicklung der bestehenden Gas- Infrastruktur seitens der Politik, Forschung und internationale Kooperationen entscheidend, um das volle Potenzial aller Moleküle auszuschöpfen. Dortmund zeigt bereits heute, wie die Integration von Gas und Wasserstoff in die städtische Energieversorgung gelingen kann und kann damit als Vorbild für andere Städte und Regionen dienen. Die Energiewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammen bewältigen müssen. Mit einer klaren Strategie und dem gezielten Einsatz von grünen Gasen und Wasserstoff können wir die Herausforderungen meistern und eine nachhaltige Energiezukunft gestalten. Als kommunaler Energieversorger benötigen wir von der Politik klare und stabile, d.h. längerfristig wirkende Rahmenbedingungen sowie finanzielle Unterstützung für den Infrastrukturaus- und -umbau. Kurzfristig ist ein integrativer Ansatz in der Regulierung erforderlich, der Gas- und Wasserstoffnetze, als das was sie sind, als eine Einheit behandelt. Nur dann ist eine kostengünstige, sozialverträgliche Weiterentwicklung der bestehenden Infrastruktur möglich. ■

Einer der größten Vorteile auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft ist die Nutzung der bestehenden Gas-Infrastruktur.

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