FIDA: Ein Baustein für Kundenzentrierung in der digitalen Versicherungswelt

Die geplante EU-Verordnung FiDA (Financial Data Access) wird voraussichtlich ab 2027/2028 den Zugang zu Finanzdaten revolutionieren und mehr Transparenz im Finanzsektor schaffen. Ziel der Verordnung ist der verpflichtende, standardisierte Austausch von Finanzdaten zwischen Versicherer, Banken, Vermögensverwaltern und anderen Finanzmarktteilnehmern. Das heißt, mit Zustimmung der Kunden sollen Daten zu Versicherungen, Ersparnissen, Krediten etc. in Echtzeit geteilt werden. Die Details der Regulierung befinden sich momentan jedoch noch im Trilog der europäischen Institutionen; es ist von einer schrittweisen Einführung der FiDA auszugehen – zunächst könnten Sparprodukte, Kredite und Kfz-Versicherungen betroffen sein. Was bedeutet die Verordnung für Versicherer? Und warum ist FiDA für Versicherer so wichtig?

Die Herausforderung der Versicherer: Geringe Kontaktfrequenz

Die Antwort liegt u. a. in der traditionellen Struktur der Branche und ihren Vertriebswegen begründet, denn Versicherer haben nur selten unmittelbaren Kontakt zu ihren Kunden. Die Interaktionen sind häufig auf Schadensfälle oder Rechnungsstellungen beschränkt, und das Wissen der häufig involvierten Versicherungsvermittler ist in der Regel nur dezentral verfügbar. Dies führt zu einer unzureichenden Erfassung und strukturierten Nutzung von Kundendaten. Entsprechende Informationslücken behindern eine kundenzentrierte Ausrichtung, erschweren personalisierte Kundenansprachen und Dienstleistungen. Ferner limitieren sie Produktinnovationen und Cross-Selling-Möglichkeiten. Vor diesem Hintergrund ist die mit der FiDA-Regulierung avisierte Datenverfügbarkeit strategisch wertvoll, zumal Automatisierung und der Einsatz von KI eine zunehmend größere Rolle für Versicherer spielen.

FiDA als Chance für mehr Transparenz und Kundenrechte

FiDA kann die skizzierte Herausforderung überwinden, wenn Kunden der Datenübermittlung und -verarbeitung zustimmen. Die Versicherer erhalten den Zugang zu dessen digitalen Finanzdaten – von Versicherungs- bis zu Kredit- und Sparinformationen. Die Verordnung fördert also die Rechte der Kunden über ihre Daten und sorgt dafür, dass diese Informationen in Echtzeit und standardisiert ausgetauscht werden. Im Ergebnis steigt die Transparenz im Finanzsektor und führt zu einer effizienteren und kundenfreundlicheren Nutzung von Daten.

Verbesserung der Datenqualität und -verfügbarkeit

Aus der Perspektive von Versicherern eröffnet FiDA schließlich eine wertvolle Möglichkeit, die eigene Datenbasis erheblich zu erweitern und zu verbessern. Denn die Finanzdaten, die im Kontext der FiDA-Verordnung geteilt werden sollen, sind im Grundsatz bereits bekannt und vertraut – sie beinhalten typische Informationen, die am Point of Sale bzw. im Beratungsgespräch schon heute erhoben werden. Die zentralisierte, standardisierte und effiziente Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Finanzdaten stellt insofern eine nächste Evolutionsstufe für die Systeme, Schnittstellen und Prozesse der Branche dar. Die im Rahmen der FiDA-Compliance anzustrebende Datenverfügbarkeit und -qualität bieten den Versicherern damit die Grundlage, Kundenbeziehungen besser zu verstehen und Produkte, Leistungen und Services gezielter als bisher anzubieten.

Kundennutzen: Komfort und maßgeschneiderte Angebote

Der größte Vorteil aus der Kundenperspektive liegt in der Vereinfachung der Datenübertragung. Anstatt manuell Informationen von Papierdokumenten in digitale Systeme übertragen zu müssen, können bereits hinterlegte Daten in Echtzeit verwendet werden. Dies ermöglicht maßgeschneiderte Angebote und personalisierte Beratung. Lücken im Versicherungsschutz können erkannt und doppelte Versicherungen vermieden werden, was zu einem besseren Schutz bei gleichzeitig geringeren Kosten führt.

Marktverschiebungen: Eine Herausforderung für kleinere Versicherer

Die Umsetzung von FiDA, insbesondere der Anschluss an eines oder mehrere Systeme zur Teilung von Finanzdaten (Financial Data Sharing Scheme, FDSS), wird für viele Versicherer mit hohem Aufwand verbunden sein. Vor allem kleinere Unternehmen werden belastet, da die Verordnung keine Unterscheidung nach Unternehmensgröße vorsieht. Kleine Versicherungen wird dies vor 2 Herausforderungen stellen: zum einen werden die benötigten Investitionen in Relation zum kleinerem Prämienvolumen vermutlich stärker ins Gewicht fallen. Zum anderen wird das Produktportfolio eine Rolle spielen, um das Ertragspotenzial (Cross- und Upselling; Herstellung individualisierter Bündelprodukte etc.) zu nutzen. Große Versicherungsunternehmen befinden sich daher vermutlich in einer vorteilhafteren Situation als kleine. Für die Umsetzung ist daher eine besonders effektive und fokussierte Auswahl der umzusetzenden Use Cases wichtig.

Strategische Ausrichtung der Versicherer: Anpassung an die FiDA-Regulierung

FiDA wird voraussichtlich 2025 verabschiedet und muss bis voraussichtlich 2027/2028 umgesetzt werden. Auf Basis des aktuellen Ratsvorschlags könnte der Scope der ersten Phase der Umsetzung Sparverträge, Kredite und Kfz-Versicherungen umfassen. Weitere betroffene Versicherungsprodukte und andere Produktkategorien (z.B. Ersparnisse und Investitionen in Finanzinstrumente) folgen später. Eine kontinuierliche Beobachtung der europäischen Gesetzgebung ist daher wesentlich, um die tatsächlichen Notwendigkeiten zu identifizieren. So oder so sollten Versicherer bis zur Veröffentlichung des finalen Gesetzestextes eine strategische Grundhaltung entwickeln, um die Chancen und Risiken der Verordnung zu verstehen und gezielt anzusprechen. In diesem Kontext sollte eine detaillierte Positionierung ausgearbeitet werden, die sowohl funktionale Bereiche wie IT und Vertrieb, als auch die Ausrichtung in bestimmten Produktsegmenten umfasst.

Zur Gewährleistung der FiDA-Compliance und Sicherstellung eines adäquaten Go-to-Markets der gewählten Use Cases, ist eine dezidierte FiDA-Strategie notwendig. Die ersten fachlichen Projekte sollten bereits 2025 starten; die IT-Umsetzung sollte im Wesentlichen 2026 erfolgen

Der Vertrieb als treibende Kraft

Welcher Bereich des Versicherers sollte die Umsetzung von FiDA leiten? Drei Abteilungen kommen grundsätzlich in Frage: Regulatory/Compliance, IT und Vertrieb. Bei einer eher passiven Strategie, die auf Compliance fokussiert ist, sollten Regulatory oder IT die Führung übernehmen. Bei einer aktiveren, wachstumsorientierten Positionierung ist der Vertrieb jedoch der natürliche Lead. Schließlich sind es die Vertriebseinheiten, die die neuen Daten direkt nutzen und für Neukundengewinnung sowie Cross-Selling einsetzen können.

Fazit: FiDA als Enabler von Open Insurance und als Wachstumsstrategie für Versicherer

Für Versicherungen, die eine kundenzentrierte Strategie verfolgen, ist FiDA ein unverzichtbares Werkzeug. Die Verordnung ermöglicht eine bessere Nutzung von Kundendaten, bietet die Grundlage für personalisierte Marketingstrategien sowie schließlich eine optimierte Kundenbetreuung. Versicherungen, die FiDA als Chance begreifen und eine proaktive, wachstumsorientierte Strategie verfolgen, können ihren Kunden echten Mehrwert bieten und sich im Wettbewerb differenzieren. Diejenigen, die sich lediglich auf die Einhaltung der Vorschriften konzentrieren, werden hingegen mit den reinen Umsetzungskosten konfrontiert. Darüber hinaus riskieren sie Umdeckung und Kundenabwanderung durch intensivierten Wettbewerb.