Georg Kalenbach, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, rugekrömer Fachanwälte für Arbeitsrecht
Der nachfolgende Beitrag will davor warnen, sich als Geschäftsführer beim Abschluss seines Anstellungsvertrages allein auf die Verhandlungen der wirtschaftlichen Konditionen zu konzentrieren. Vielmehr sollte der Geschäftsführer auch vermeintlich formelle Dinge, wie die Abschlusskompetenz auf Gesellschaftsseite, und die sonstigen Regelungen des Vertrages, wie beispielsweise eine im Vertrag enthaltene Koppelungsklausel, im Blick behalten. Ansonsten kann es passieren, dass der Geschäftsführer, der sich durch den Abschluss eines auf mehrere Jahre befristeten Anstellungsvertrages abgesichert glaubt, eine herbe Überraschung erlebt.
ABSCHLUSSKOMPETENZ AUF GESELLSCHAFTSSEITE UND DIE GEFAHR DES FAKTISCHEN VERTRAGES
In dem vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 20.08.2019 – II ZR 121/16) jüngst entschiedenen Fall war ein Geschäftsführer bereits seit vielen Jahren für eine GmbH auf dem Gebiet des Gesundheitswesens tätig. Gesellschafterin der GmbH war der Landkreis. Die Gesellschaft hatte außerdem nach gesellschaftsvertraglicher Bestimmung einen Aufsichtsrat, dem die Bestellung und Abberufung sowie Anstellung und Kündigung von Geschäftsführern oblag. Mit Dienstvertrag vom 07.01.2010 wurde die Anstellung des Geschäftsführers neu geregelt. Das Anstellungsverhältnis sollte mit einer Frist von zwölf Monaten erstmals zum 31.12.2014 kündbar sein. Der Vertrag wurde auf Seiten der Gesellschaft von dem Landrat unterzeichnet, der zu diesem Zeitpunkt auch Vorsitzender des Aufsichtsrats war und der den Vertrag „für den Gesellschafter“ schloss. Im weiteren Verlauf des Jahres 2010 wurde ein neuer Landrat gewählt. Zwischen dem neuen Landrat und dem Geschäftsführer kam es zu Meinungsverschiedenheiten. Der Geschäftsführer weigerte sich, bestimmten Weisungen nachzukommen, woraufhin der Vertrag des Geschäftsführers fristlos gekündigt wurde. Die vom Geschäftsführer gegen die Kündigung erhobene Klage wurde vom Landgericht abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Geschäftsführers war erfolgreich. Das Oberlandesgericht stelle fest, dass der zwischen den Parteien geschlossene Anstellungsvertrag bis zum 31.12.2014 fortbestanden habe. Der Bundesgerichtshof hob das Berufungsurteil auf und wies die Klage des Geschäftsführers in letzter Instanz ab.
Hierbei kam es für den Bundesgerichtshof nicht entscheidend darauf an, ob der Geschäftsführer durch die Weigerung, den Gesellschafterweisungen nachzukommen, einen fristlosen Kündigungsgrund geliefert hat.
Vielmehr hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Anstellungsvertrag vom 07.01.2010 bereits nicht wirksam zustande gekommen ist. Denn nach dem Gesellschaftsvertrag war der Aufsichtsrat der Gesellschaft für den Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrages zuständig.
Der Aufsichtsrat einer GmbH – wie auch der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft – bildet seinen Willen durch Beschlussfassung. Der Aufsichtsrat kann bei seiner Willensbildung vom Aufsichtsratsvorsitzenden nicht wirksam vertreten werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende kann lediglich aufgrund einer besonderen Bevollmächtigung einen zuvor vom Aufsichtsrat als Gremium gefassten Beschluss vollziehen.
Einen Beschluss, mit dem der Aufsichtsrat über den Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrages beschlossen und den Landrat als Aufsichtsratsvorsitzenden bevollmächtigt hatte, den Geschäftsführeranstellungsvertrag für die Gesellschaft abzuschließen, gab es jedoch nicht.
Das für den Geschäftsführer bittere Ergebnis bestand darin, dass aufgrund des unwirksamen Vertragsschlusses lediglich ein sogenanntes faktisches Anstellungsverhältnis vorlag.
Dieses wird zwar für die Dauer der Tätigkeit des Geschäftsführers so behandelt, als wäre es wirksam zustande gekommen. Hat der Geschäftsführer seine Tätigkeit auf Grundlage eines unwirksamen Anstellungsvertrages aufgenommen und geschah dies mit Wissen des für den Vertragsabschluss zuständigen Gesellschaftsorgans oder auch nur eines Organmitglieds, ist diese Vereinbarung für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit so zu behandeln, als wäre sie mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten wirksam.
Hat der Geschäftsführer seine Tätigkeit auf Grundlage eines unwirksamen Anstellungsvertrages aufgenommen […], ist diese Vereinbarung für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit so zu behandeln, als wäre sie mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten wirksam.
Das Anstellungsverhältnis kann aber für die Zukunft grundsätzlich jederzeit auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgelöst werden.
Nur ausnahmsweise kann der Vertrag auch für die Zukunft als wirksam behandelt werden, wenn beide Parteien ihn jahrelang als Grundlage ihrer Rechtsbeziehung betrachtet haben und die Gesellschaft den Geschäftsführer durch weitere Handlungen in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Vertrags bestärkt hat oder das Scheitern des Vertrags an einem förmlichen Mangel für den Geschäftsführer zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde. Diese Voraussetzungen sah der Bundesgerichtshof im entschiedenen Fall allerdings als nicht erfüllt an, sodass der Geschäftsführer leer ausging.
Tipp: Der Geschäftsführer sollte bei Abschluss seines Vertrages stets prüfen, welches Gesellschaftsorgan (Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat) für den Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrages zuständig ist und ob dieses Organ hierüber einen wirksamen Beschluss gefasst sowie den Vertragsunterzeichnenden zum Abschlussdes Vertrages bevollmächtigt hat.
Grundsätzlich liegt die Abschlusskompetenz bei der Gesellschafterversammlung als Annex zur Bestellungskompetenz (§ 46 Nr. 5 GmbHG). Allerdings kann der Gesellschaftsvertrag die Bildung eines sogenannten fakultativen Aufsichtsrats vorsehen (§ 52 GmbHG) und diesem die Zuständigkeit zuweisen. In einer GmbH mit mehr als 2000 Arbeitnehmern findet das Mitbestimmungsgesetz Anwendung, nach dem zwingend ein Aufsichtsrat zu bilden ist, der dann auch für die Bestellung des Geschäftsführers und den Abschluss des Anstellungsvertrages zuständig ist. Findet dagegen das Drittelbeteiligungsgesetz Anwendung, weil die GmbH mehr als 500, aber weniger als 2000 Arbeitnehmer beschäftigt, ist zwar ebenfalls ein Aufsichtsrat zu bilden. Die Kompetenz zur Bestellung des Geschäftsführers und zum Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrage verbleibt nach dem Drittelbeteiligungsgesetz jedoch bei der Gesellschafterversammlung.
KOPPELUNGSKLAUSEL
Eine weitere Problematik, mit der sich der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung zu befassen hatte, ist die Zulässigkeit sogenannter Koppelungsklauseln.
Koppelungsklauseln sind vertragliche Regelungen, durch die der Anstellungsvertrag vom Fortbestand der organschaftlichen Bestellung zum Geschäftsführer abhängig gemacht wird, z.B. durch folgende Formulierung:
„Der Widerruf der Bestellung (Abberufung) gilt als Kündigung dieses Vertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Der Dienstvertrag endet demnach im Fall der Abberufung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 626 BGB mit Zugang der Abberufungserklärung, ansonsten mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist gemäß § 622 BGB, gerechnet ab Zugang der Abberufungserklärung.“
Ob eine Koppelungsklausel wirksam ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Koppelungsklausel ab, sowie davon, ob die Abberufung ohne Vorliegen von Gründen möglich ist und weiterhin davon, ob es sich bei dem Geschäftsführeranstellungsvertrag um einen unbefristeten oder befristeten Vertrag handelt.
Ob eine Koppelungsklausel wirksam ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Koppelungsklausel ab, sowie davon, ob die Abberufung ohne Vorliegen von Gründen möglich ist und weiterhin davon, ob es sich bei dem Geschäftsführeranstellungsvertrag um einen unbefristeten oder befristeten Vertrag handelt.
Nach § 38 Abs. 1 GmbHG kann der Geschäftsführer jederzeit und ohne Vorliegen von Gründen abberufen werden. Etwas anderes gilt, wenn der Gesellschaftsvertrag die Abberufung von bestimmten Gründen abhängig macht oder im Fall der Anwendbarkeit des Mitbestimmungsgesetzes, das auf § 84 Aktiengesetz verweist, wonach die Abberufung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig ist.
Gilt der Grundsatz der freien Abberufbarkeit nach § 38 Abs. 1 GmbHG und handelt es sich bei dem Geschäftsführeranstellungsvertrag um einen befristeten Vertrag, bei dem die ordentliche Kündigungsmöglichkeit während der Vertragslaufzeit für beide Parten grundsätzlich ausgeschlossen ist, liegt das Problem für den Geschäftsführer auf der Hand. Mit einer Koppelungsklausel könnte sich die Gesellschaft durch eine Abberufung trotz der für beide Seiten festen Vertragslaufzeit vorzeitig von dem Anstellungsvertrag lösen.
Handelt es sich bei der Koppelungsklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, was bei Geschäftsführeranstellungsverträgen nahezu immer der Fall ist, richtet sich die Wirksamkeit nach AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB). Die Klausel darf nicht überraschend sein. Sie muss klar und verständlich sein und darf den Geschäftsführer nicht unangemessen benachteiligen.
Nach diesseitiger Auffassung liegt eine solche unangemessene Benachteiligung vor, wenn sich die Gesellschaft einseitig das Recht einräumt, sich nach ihrem Belieben vorzeitig und ohne Kompensation von dem Geschäftsführer zu trennen. Da die Koppelungsklausel in der Regel nur an die Abberufung anknüpft, nicht jedoch an die Amtsniederlegung, besteht eine vergleichbare Möglichkeit für den Geschäftsführer nicht. Liegt ihm beispielsweise ein besseres Angebot der Konkurrenz vor, kann er die vorzeitige Vertragsbeendung nicht in vergleichbarer Weise durch eine Niederlegung des Geschäftsführeramtes herbeiführen.
Tipp: Da in der Literatur Koppelungsklauseln teilweise auch bei Vorliegen eines befristeten Vertrages für wirksam gehalten werden und eine gefestigte Rechtsprechung hierzu nicht existiert, ist jedem Geschäftsführer anzuraten, sich auf eine solche Klausel möglichst nicht einzulassen.