ESG-Rating: ein Label mit vielen Facetten

Uneinheitliche Bewertungskriterien und mangelnde Transparenz verschiedener Anbieter haben die Bedeutung von ESG-Ratings zuletzt sinken lassen. Doch ist es längst auch Standard, dass Investor*innen oder Banken grüne Finanzierungen an bestimmte Key Performance-Indikatoren (KPIs) koppeln. Unternehmen, die über ein ESG-Rating nachdenken, können die unterschiedlichen Bewertungsmethoden am Markt für sich strategisch nutzen.

Angebot von ESG-Ratings ist schwer überschaubar

Angaben des Deutschen Investor Relations Verbandes (DIRK) von vor zwei Jahren zufolge, gibt es rund 80 Organisationen, die Unternehmen Ratings, Zertifikate oder Siegel im Bereich ESG anbieten. Die Methodik der einzelnen Agenturen variiert allerdings, wodurch die Ergebnisse untereinander nur bedingt vergleichbar sind. Dazu haben in der Vergangenheit auch Transparenzlücken beigetragen. Der eigentliche Sinn der ESG-Ratings wird damit konterkariert. Und statt eine einfache Entscheidungshilfe zu sein, müssen Investor*innen und andere Stakeholder genau hinschauen, wie Agenturen vorgehen, und welche möglichen Verzerrungen sich daraus ergeben könnten. Zusätzlich unterscheiden sich die Anbieter nach thematischen Schwerpunkten, die bei den einen im Bereich Umwelt (dem E) liegen, und bei anderen wiederum bei Governance- (dem G) oder sozialen (dem S) Themen. Dennoch: Die Daten, KPIs und strategischen Zielsetzungen lassen sich durchaus vergleichen, wenn man die Bewertungsergebnisse analysiert und diese unterschiedliche Gewichtung berücksichtigt.

Regulierung von Rating-Anbietern kommt langsam voran

Zwar gibt es mit den Principles for Responsible Investment (PRI) eine von den Vereinten Nationen (UN) unterstützte globale Initiative mit Vorgaben zur Datenqualität, Transparenz, Unabhängigkeit und Konsistenz von Ratings. Doch die Zahl der Player, die sich diesem Regelwerk verschreiben, wächst erst seit wenigen Jahren deutlich. Aus den anfänglich 100 Unterzeichner*innen im Jahr 2006 sind inzwischen mehr als 4.000 Befürworter*innen aus 80 Ländern geworden, die zusammen ein Vermögen von mehr als 100 Millionen US-Dollar verwalten. Damit steigt der Druck des Marktes auf die Rating-Anbieter.

Auf der politischen Ebene ist speziell in Europa zu beobachten, dass verschiedene Initiativen das Ziel verfolgen, ESG-Agenturen zu regulieren und damit auch ihre Macht einzugrenzen. Wie stark der Druck auf Anbieter auch von dieser Seite aus zunimmt, ist seit Ende vergangenen Jahres gut daran zu sehen, dass beispielsweise die aktuellen Ratings einen sehr großen Methodenteil mitliefern. Und auch bei den Disclosures werden Stakeholder mit Informationen überschüttet, sodass am Ende kaum klar ist, was damit ausgesagt wird.

Neben der Expertise ihrer Analyst*innen greifen viele Anbieter außerdem vermehrt auf Künstliche Intelligenz (KI) bei der Datensammlung zurück. Der Haken dabei: Für diese recht jungen Systeme gibt es noch keine Qualitätskontrolle, wie etwa nach dem Vorbild des TÜV. Nicht jedes dieser Tools mag daher ausgereift genug sein. KI-Systeme können damit bestimmte Verzerrungen produzieren, die in das abschließende Rating einfließen.

Vergleichen von ESG-Methodiken lohnt sich

Unternehmen sollten sich also bei der Auswahl einer Ratingagentur Zeit nehmen. Wichtig ist, sich vor der Beauftragung zu überlegen, welche Zwecke man mit der Bewertung verfolgt und welche Stakeholdergruppen angesprochen werden sollen. Manche Ratings zielen stärker auf das Feld Governance ab, andere setzen eher einen Schwerpunkt bei dem Thema Umwelt. Wer als Unternehmens- oder Nachhaltigkeitsverantwortliche*r die unterschiedlichen Herangehensweisen kennt und mit der vorhandenen Datenbasis vergleicht, kann das Ergebnis ein Stück weit steuern.

Die Kriterienkataloge und Methodiken sind inzwischen in der Regel öffentlich zugänglich und lassen sich damit vergleichsweise gut recherchieren. Das hilft bei der Auswahl einer Agentur mit einem thematischen ESG-Schwerpunkt, der zu den eigenen Zielen passt. Die Verantwortlichen wissen dann außerdem schon, welche Dokumente und Daten höchstwahrscheinlich benötigt werden sowie aufzubereiten sind. Das erhöht die Chance auf ein gutes Rating. Zusätzlich kann der Rating-Prozess selbst Impulse für mehr Nachhaltigkeit setzen, indem Unternehmen ihre Stärken gezielt ausbauen und identifizierte Verbesserungspotenziale systematisch angehen.