ESG − Nachhaltigkeit bei Unternehmensführung und M&A-Transaktionen

ESG hat sich als Schlagwort für die Bewertung nachhaltigen unternehmerischen Handelns etabliert und ist in den Fokus der GmbHGeschäftsführer gerückt. Insbesondere in den letzten Jahren hat ESG weiterhin zunehmend an gesellschaftlicher und rechtlicher Relevanz gewonnen und war Gegenstand von verschiedenen europäischen und nationalen Gesetzesinitiativen. Doch was sind die Auswirkungen auf das Tagesgeschäft des Geschäftsleiters aber auch auf den M&A-Transaktionsprozess?

I. „ESG“

ESG wird häufig verkürzt mit Nachhaltigkeit übersetzt. Dabei betrifft diese primär den Bereich „E“ (Environmental). So werden hierunter Aspekte wie Investitionen in erneuerbare Energien oder die umweltverträgliche Produktion gefasst.

Diese verkürzte Übersetzung führt dazu, dass die im „S“ (Social) enthaltenen sozialen Belange bei ESG-Diskussionen (noch) eine eher untergeordnete Rolle einnehmen. Hierzu zählen Diversity & Inclusion, Arbeitssicherheit, faire Bedingungen am Arbeitsplatz und angemessene Entlohnung. Aus deutscher Sicht ist die untergeordnete Rolle auch damit zu erklären, dass viele dieser Aspekte sich durch gesetzliche Regelungen etabliert haben. Beispielhaft steht hierfür das bereits 2006 eingeführte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Dieses verbietet die Diskriminierung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen aufgrund von unter anderem ethnischer Herkunft, Geschlecht und sexueller Identität. Der umfassende nationale Arbeitsschutz und das Mindestlohngesetz erfassen weitere Belange. Allerdings ist die Sensibilität in der öffentlichen Wahrnehmung für diese sozialen Belange gestiegen.

Die im „G“ (Governance) enthaltenen Aspekte der Unternehmensführung spielen hingegen für die GmbH-Geschäftsführung zumindest rechtlich noch keine gewichtige Rolle. Während die Vergütung des Vorstands von Aktiengesellschaften inzwischen an der nachhaltigen und langfristigen Entwicklung der Gesellschaft orientiert sein muss, entschied sich der Gesetzgeber diese Gesetzesanpassung (noch) nicht als Blaupause auch für die Geschäftsführervergütung zu verwenden. Diese kann wie gehabt frei vereinbart werden. Ebenso wenig sind bislang Frauenquoten für die Geschäftsführung vorgeschrieben.

II. Auswirkungen von ESG auf das Tagesgeschäft des GmbH-Geschäftsführers

Geschäftsführer haben tagtäglich unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Die ESG-Aspekte spielen dabei mittlerweile nicht nur durch ihre gesetzliche Ausprägung, sondern auch mittelbar aufgrund ihrer Relevanz entsprechend dem heutigen Zeitgeist eine nicht zu unterschätzende Rolle. Insbesondere kann der Unternehmensgegenstand hierbei für die Entscheidung über die langfristige Unternehmensplanung wichtiger Fixpunkt für die Geschäftsführung sein. Die Gesellschafter der Muttergesellschaft, aber auch deren Geschäftsführer gegenüber den Tochtergesellschaften, können ihn dazu nutzen, um der Unternehmens- und Konzernführung äußere Handlungsgrenzen abzustecken. Innerhalb dieser soll und muss die Geschäftsführung handeln. Durch ihn kann daher die Geschäftsführung zur Einhaltung von ESG-Kriterien wie insbesondere Nachhaltigkeitszielen verpflichtet werden.

Aber auch Gesetzesänderungen beeinflussen unmittelbar das Tagesgeschäft von GmbH-Geschäftsführern. Ein Beispiel hierfür ist das jüngst verabschiedete Lieferkettengesetz, das erstmals ab 01.01.2023 zu beachten ist. Während der Großteil der mittelständischen Unternehmen auf die Nachhaltigkeit ihres eigenen Unternehmens Wert legt, ist es für sie oft nicht leicht zu überblicken, ob auch der Lieferant oder der Lieferant des Lieferanten nachhaltig agiert. Hierfür wird ein umfassender Katalog abgestufter Pflichten hinsichtlich unmittelbarer aber auch mittelbarer Zulieferer geschaffen. Diese dienen der Identifikation und Dokumentation menschenrechtlicher und umweltbezogener Risiken sowie der Vorbeugung insoweit gelagerter Verletzungen. Das Pflichtenprogramm ist äußerst umfangreich und bei Verletzung drohen erhebliche Bußgelder. Es findet zunächst nur auf Unternehmen mit mehr als 3.000, ab 2024 sodann mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern Anwendung. Auch wenn damit zunächst nur große Unternehmen verpflichtet werden, ist mit einer weiteren Absenkung der Anwendbarkeitsvoraussetzungen zu rechnen. Liefern kleinere Unternehmen zudem Waren an Unternehmen, die durch das Lieferkettengesetz verpflichtet sind, können sie daneben schon früher mittelbar von den Pflichten betroffen sein. So werden die großen Unternehmen zur Einhaltung ihrer Pflichten Informationen von ihren Zulieferern benötigen. Hier entsprechende Abläufe zu organisieren, ist sodann Aufgabe der Geschäftsführung.

III. Haftungsrechtliche Relevanz von ESG

Haftungsrechtlich relevant werden eine Vielzahl von ESG-Aspekten über die bekannte allgemeine Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Der Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, den der Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft anzuwenden hat, kann dabei durch ESG-Faktoren aufgefüllt werden. Exemplarisch bedeutet dies: Der Geschäftsführer verletzt seine Pflicht eines ordentlichen Geschäftsmannes, wenn das Unternehmen im Wettbewerb um Arbeitskräfte aussichtlos aufgestellt ist, weil schlechte Arbeitnehmerbedingungen zugelassen oder gefördert oder Frauen diskriminiert werden. Begrenzt wird der Haftungsmaßstab durch die sog. Business Judgment Rule – so mag eine unternehmerische Entscheidung, die sich letztlich als falsch bewahrheitet, zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung in nachvollziehbarer Weise vertretbar oder richtig erschienen haben. Wichtig ist hier eine umfassende Dokumentation des Entscheidungsprozesses und der zugrundeliegenden Erwägungen. Überschritten wird dieses Haftungsprivileg aber stets beim Verstoß gegen ausdrückliche Gesetzespflichten. Eine strafrechtliche Verantwortung des Geschäftsführers kann sich insbesondere aus der Verletzung von Fachgesetzen ergeben, so beispielsweise die vorsätzliche Schädigung der Umwelt.

IV. Auswirkungen von ESG im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen

ESG wird im Zusammenhang mit M&ATransaktionen verschiedentlich als „Game Changer“ bezeichnet. Die ESG-Kriterien machen dabei zwar keine gänzlich andere Herangehensweise notwendig, einige Prozesse der M&A-Transaktion werden aber facettenreicher. Eingang in die M&ATransaktion finden die Faktoren über die weithin übliche Prüfung des Zielunternehmens (Due Diligence). Dabei werden neuerdings neben betriebswirtschaftlichen Kennziffern verstärkt ESG-Faktoren bewertet. Die Prüfung der ESG-Faktoren dient dabei insbesondere der Bewertung der langfristigen wirtschaftlichen Ertragskraft eines Unternehmens. Einer der Leitgedanken ist, dass vor allem das nachhaltig wirtschaftende Unternehmen „enkelfähig“ ist, sodass ihm auch langfristig ein Wert innewohnt. Daneben können so Reputationsrisiken ausgemacht werden.

Das große Bedürfnis nach Risikobegrenzung führt dazu, dass bereits zwei Drittel der von Käuferseite in Auftrag gegebenen Due-Diligence Prüfungen ESG-Faktoren berücksichtigen.1 Durch verstärkte Gesetzgebung insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes wird dabei auch der Bewertungsstandard zunehmend einheitlich möglich. So kann die Einhaltung dieser Gesetze im Rahmen einer Legal, d.h. auf Rechtseinhaltung fokussierten, Due Diligence nach objektiven Maßstäben überprüft werden, und die ESG-Faktoren sind nicht mehr frei zu gewichten.

Identifizierte ESG-Risiken können dabei inzwischen mitunter das Kaufinteresse schwinden lassen.2 Im Übrigen werden die ESGRisiken mit den gängigen Instrumenten zwischen Käufer und Verkäufer verteilt. Einfachstes Instrument ist der Kaufpreis. Die notwendige Feindifferenzierung kann durch Garantien und (Haftungs-)Freistellungen für den Eintritt bestimmter Risiken erfolgen.

Mangelnde ESG-Konformität kann das Unternehmen vor Finanzierungsprobleme sowohl hinsichtlich Eigen- wie auch Fremdfinanzierung stellen. Zum einen achten insbesondere Finanzinvestoren verstärkt auf die hieraus folgenden Risiken. So kündigte BlackRock an, keine weiteren Investitionen mit hohen Umweltrisiken zu tätigen. Zum anderen machen aber auch „klassische“ Kreditgeber die Entscheidung über die Kreditvergabe an ESG-Aspekten fest. Eine Umkehr hiervon ist nicht zu erwarten. So werden beispielsweise Banken zunehmend durch EU-Regulierungen (wie die Offenlegungsverordnung oder die „Green Asset Ratio“) zu grünen Investitionen angehalten. Sie müssen nach diesen Vorschriften Informationen zur Nachhaltigkeit ihrer Investitionsentscheidungen veröffentlichen. Diese Regulierungen werden aus Sicht der Banken mitunter kritisch rezipiert, dabei aber auch als ernst zu nehmendes Risiko für die Finanzierung bislang noch nicht nachhaltig wirtschaftender Unternehmen angesehen.

V. Fazit

Es fällt auf, dass hinter dem bewusst vagen Begriff „ESG“ vielfach altbekannte Pflichten des GmbH-Geschäftsführers stehen – er muss das Unternehmen so führen, dass es längerfristig wirtschaftlich rentabel ist, Kredite für Investitionen erhält und im Wettbewerb um den Zugang zu Arbeitskräften jedenfalls der Konkurrenz nicht nachsteht. In all diese Pflichten wirken die ESG-Faktoren hinein. So erhalten bereits derzeit und weiter zunehmend nur nachhaltig wirtschaftende Unternehmen Kredite zu besseren Konditionen. Auf der anderen Seite meiden Arbeitnehmer verstärkt Unternehmen mit unzureichender Arbeitnehmerkultur.

Dabei darf nicht unterschätzt werden, dass sich die Sensibilität für die ESG-Kriterien teilweise erheblich gesteigert hat. Beispielhaft hierfür steht der Umweltschutz und die kulturelle wie sexuelle Vielfalt. Viele bislang moralische Standards werden in gesetzliche Pflichten gegossen. Es ist davon auszugehen, dass dieser Trend anhält, beispielweise das Lieferkettengesetz.

In diese Richtung zielen auch EU-Vorhaben, nach welchen umfangreiche Reportingpflichten – vergleichbar zum bereits bestehenden nichtfinanziellen Bericht nach dem Handelsrecht – in Zukunft auch von mittelständischen GmbHs zu beachten sein könnten.

1 vgl. M&A PANEL 2021/II VON CMS UND FINANCE, abrufbar unter:
https://cms.law/de/deu/news-information/m-a-panel-2021-ii-von-cms-und-finance-m-a-markt-steht-esg-noch-zwiegespalten-gegenueber 2 vgl. M&A PANEL 2021/II VON CMS UND FINANCE, abrufbar wie zuvor.