Energie im Wandel: Wie Start-ups den Strommarkt aufmischen

Artikel aus dem Handelsblatt Journal „Energiewirtschaft“ vom 23.01.2024

Um den globalen Klimawandel einzudämmen und den Übergang von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energiequellen zu schaffen, brauchen wir die Energiewende. Sie verlangsamt die Erderwärmung und reduziert die negativen Auswirkungen auf das Klima. Zudem verringert die Energiewende die Abhängigkeit von endlichen Ressourcen, indem sie die Versorgung aus nachhaltigen Quellen sicherstellt.

Die Energiewende ist aber nicht nur eine Frage der Umsetzung, sie erfordert auch immer noch einiges an Innovation. Denn sie bringt einige offene Fragen mit sich: Wie fängt ein erneuerbares Energiesystem es ab, wenn mal kein Wind weht und es dunkel ist? Wie geht man mit dem stark steigenden Strombedarf um? Für die Antworten auf diese und ähnliche Fragen spielen Start-ups eine entscheidende Rolle.

Start-ups gestalten das Stromnetz von morgen

Hinzu kommt, dass die Nachfrage enorm steigt: Strombetriebene Wärmepumpen ersetzen immer häufiger Gasheizungen, Elektroautos wollen aufgeladen werden. Grundsätzlich ist das eine klimafreundliche Entwicklung, jedoch ist das deutsche Stromnetz, das vor 50 Jahren aufgebaut wurde, für diese starke Nachfrage nicht ausgelegt. Laden alle ihre E-Autos gleichzeitig, brechen die Netze zusammen.

Deshalb braucht es smarte Technologien, um diese Probleme lösen zu können. Tatsächlich gibt es einige Start-ups, die versuchen, auf diese zentrale Problemstellung eine Antwort zu finden, weil sie vergleichsweise agiler, innovativer und datengetriebener arbeiten können als etablierte Energieanbieter.

Dynamische Stromtarife als Alternative

Es gibt verschiedene Ansätze. Einer sind sogenannte dynamische Stromtarife, wie sie derzeit von Energie-Startups angeboten werden. Sie sind eine innovative Form der Strompreisgestaltung, bei der die Kosten für Strom je nach Nachfrage und Angebot in Echtzeit variieren können. Ist die Nachfrage gering, sinkt der Strompreis. Ist die Nachfrage hoch, steigt er. Das kann beispielsweise in den Abendstunden sein, wenn viele Menschen nach Hause kommen und elektrische Geräte nutzen. Dieser Ansatz schafft Anreize für Verbraucher:innen, Strom – gerade für programmierbare Geräte wie Wärmepumpen und E-Autos – zu Zeiten niedriger Nachfrage zu nutzen und dadurch ihre Energiekosten zu optimieren.

Das erfordert für tradierte Energieanbieter oft nicht nur technologische Anpassungen, sondern auch eine Veränderung der Unternehmenskultur und eine aktive Kommunikation mit den Verbraucher:innen. Einem Stadtwerk beispielsweise mangelt es in der Regel an der technologischen Affinität und an der Agilität, ein Dashboard, eine App und eine digitale Plattform zu bauen, die dynamische Stromtarife abbildet und weiß nicht, wer wann genau und wie viel Strom verbraucht hat. Da gibt es oft maximal einmal im Jahr einen Brief des Stadtwerks, mehr nicht. Start-ups, die sehr viel datengetriebener arbeiten, verfügen über genau solche Daten – beispielsweise den viertelstundengenauen Stromverbrauch sowie die Ladehistorie des E-Autos – und unterstützen somit bei der Stromkostenoptimierung.

Start-ups arbeiten an Energiespeicherlösungen

Ein anderer Ansatz, mit dem Start-ups versuchen, das Kernproblem des volatilen Energiemarktes zu lösen, sind Energiespeicher. Die Herausforderung dabei ist, dass die Integration von Energiespeichern in den Strommarkt oft komplex ist und erhebliche Investitionen erfordert, bei denen tradierte Anbieter oftmals zögern. Start-ups leisten hier bereits einen Beitrag, indem sie innovative Energiespeicherlösungen entwickeln, die kosteneffizient und leicht integrierbar sind – etwa Batteriespeicher. Sie tragen dazu bei, die Zuverlässigkeit des Stromnetzes zu verbessern und erneuerbare Energien besser zu nutzen.

Letztlich kommt es darauf an, dass wir technologische Innovationen nutzen, um die Netzstabilität auch in Zeiten der Dunkelflaute zu sichern. Start-ups haben in der Energiebranche oftmals den Vorteil, schneller auf neue Chancen zu reagieren, flexiblere Geschäftsmodelle zu entwickeln und sich besser an die sich verändernden Anforderungen des Energiemarktes anzupassen als etablierte Unternehmen. Diese stehen vor der Herausforderung, nicht nur technologische Anpassungen vorzunehmen, sondern auch eine Veränderung der Unternehmenskultur herbeizuführen und den smarten Umgang mit Daten zu erlernen.

Die Energiewende ist nicht nur eine Frage der Umsetzung, sie erfordert auch immer noch einiges an Innovation.

Matthias MartensenEnergie-Experte, CEO und Co-Founder von Ostrom
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