Eine saubere und sichere Energieversorgung muss auch bezahlbar sein

Wir stehen vor großen Herausforderungen. Geopolitische Konflikte, allen voran die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, sorgen für Instabilität. Mögliche Handelskonflikte schaffen weitere Verunsicherung. Lieferketten sind fragil geworden, was zu Produktionsengpässen und verzögerten Investitionen führt. Und die deutsche Wirtschaft schwächelt. Sie kämpft mit nachlassender Wettbewerbsfähigkeit. Deutschland muss und kann sich aus dieser Situation herausarbeiten, wenn Wirtschaft und Politik gemeinsam anpacken. Ich bin überzeugt: Mit weniger Staat und mehr Markt, mit Strukturreformen statt Subventionswettlauf und mit einem Rückschnitt der Bürokratie kann Deutschland wieder ein attraktiver Wirtschaftsstandort und Zugpferd in Europa werden. Hierin liegt die Chance für die künftige Bundesregierung.

Wir brauchen das ausbalancierte energiepolitische Dreieck
Eine der Herausforderungen besteht darin, eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung zu gewährleisten. Das sind die drei Eckpunkte des energiepolitischen Dreiecks, zwischen denen wieder eine gute Balance gefunden werden muss. Die gute Nachricht lautet: Die Stromerzeugung wird immer sauberer, denn der Ausbau der erneuerbaren Energien geht voran. Das ist ein wesentlicher Beitrag zum Klimaschutz. Damit die Versorgung auch sicher bleibt, braucht es neben dem weiteren Ausbau von Solar- und Windenergie jetzt den Zubau flexibler Erzeugungskapazität, von Speichern, einen tragfähigen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft sowie den beschleunigten Netzausbau. Wie sehr unsere Versorgung aktuell auf Kante genäht ist, haben die jüngsten Dunkelflauten verdeutlicht: So stieg beispielsweise Anfang November der Strompreis auf mehr als 800 Euro pro Megawattstunde – rund zehnmal so viel wie gewöhnlich. Der Bedarf konnte durch heimische Produktion und Importe gerade noch gedeckt werden.

Neue flexibel einsetzbare Erzeugungskapazitäten sind gefragt
Der Zubau von gesicherter Leistung lässt sich daher nicht weiter aufschieben. Das heißt: Die Energiewirtschaft braucht von der Politik endlich klare Rahmenbedingungen für den Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke. Die überfälligen Entscheidungen über die Kraftwerksstrategie und einen praktikablen Kapazitätsmarkt müssen zeitnah erfolgen. In vielen Ländern um uns herum gibt es solche Märkte und Mechanismen, die den Zubau von gesicherter Leistung anreizen. Warum also nicht auf Bewährtes setzen? Der für den klimafreundlichen Betrieb neuer Gaskraftwerke nötige H2-Hochlauf macht Fortschritte. Die Bundesnetzagentur hat das Kernnetz genehmigt, mit Pilotanlagen wie unserer in Lingen kommt die Erzeugung von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab in Sicht. Allerdings ist grüner Wasserstoff noch zu teuer. Nicht nur für den dauerhaften Einsatz in der Stromerzeugung, sondern auch für die Industrie. Es braucht eine Entschlackung der Regulierung und mehr Offenheit für alle Wasserstofffarben. Auch blauer Wasserstoff, gewonnen aus Erdgas mit CO2-Abscheidung, kann einen wesentlichen Beitrag leisten, ausreichend Volumen zu bezahlbaren Preisen bereit zu stellen.

Die Energiepreise müssen runter
Sauber und sicher sind die beiden Aspekte des energiewirtschaftlichen Dreiecks, die vor dem Hintergrund von Klima- und Energiekrise in den letzten Jahren im Vordergrund standen. Energie muss aber auch bezahlbar sein. Sonst verlieren wir die Akzeptanz für die Transformation und international an Wettbewerbsfähigkeit. Wir brauchen daher eine neue Balance für günstigere Strompreise. Die wichtigste Maxime zur Kostensenkung lautet für mich: mehr Vertrauen in den Markt. Daher sollte man den EU- Emissionshandel als effektives und effizientes Instrument viel stärker wirken lassen und nicht durch immer neue Regulierung aushebeln. Auch bei den Netzentgelten sollte mehr Marktrationalität zum Tragen kommen, mit effektiven Anreizen für netzdienliches Verhalten und Kostenverteilung nach dem Verursacherprinzip. Bleiben wir optimistisch: Die Energiewende kommt weiter voran. Wir alle wissen, das Rad zurückzudrehen ist keine Option. Aber wir müssen jetzt auch am Ball bleiben: für den weiteren Ausbau einer sauberen Stromerzeugung; für die sichere Versorgung durch Speicher und neue flexible Kraftwerke als Backup für Wind und Sonne; und für günstigere, bezahlbare Energie durch mehr Kosteneffizienz. Es geht darum, die aktuellen Herausforderungen zu adressieren, Schritt für Schritt, um die Geschwindigkeit der Transformation hochzuhalten und nicht stecken zu bleiben. ■

Wir müssen die Geschwindigkeit der Transformation hochhalten.

Dr. Markus Krebber,CEO, RWE AG
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