Im Laufe der Jahre hat jedes Unternehmen seine eigenen Prozesse zur Jahresberichterstattung entwickelt. Diese Prozesse werden nun auf den Prüfstand gestellt. Mit dem ESEF (European Single Electronic Format) wurde ein neues digitales Zeitalter für die Berichterstattung eingeläutet. Schon bald wird eine Flut von Verordnungen und Standards, bezogen auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Informationen (Environmental, Social and Governance, ESG), dazu führen, dass diesen Daten eine zentrale Rolle im Jahresbericht zuteil wird. Daher ist es von Vorteil, zunächst eine Bestandsaufnahme des aktuellen Stands vorzunehmen.
Ziel war es, den Status quo der Jahresberichterstattung zu ermitteln und herauszufinden, wie sich der Markt auf künftige Neuerungen vorbereitet. Aus diesem Grund befragten wir 539 Führungskräfte aus dem Finanzbereich (von Verantwortlichen für die Finanzberichterstattung bis hin zu Controllern und CFOs) in ganz Europa (konkret in Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Spanien, Schweden, der Schweiz und im Vereinigten Königreich).
Die Daten zeigen, dass sich der Markt im Umbruch befindet. Auf diesem Markt geht es inzwischen hauptsächlich um Risikominimierung. Diese Branche ist sich der Komplexität und des Aufwands bewusst, die mit der Jahresberichterstattung einhergehen und hat erkannt, dass diese angepasst werden muss. Nur so kann die Datenintegrität in allen Prozessen und erstellten Berichten gewährleistet und das Vertrauen der internen und externen Stakeholder gewonnen werden.
Doch dieser Markt zeichnet sich auch durch eine gewisse Ablehnung gegenüber Veränderungen aus. Und das ist durchaus nachvollziehbar: Zwar sind ihre altbewährten Prozesse nicht perfekt, aber immerhin funktionieren sie. Diese nur der Sache halber zu ändern, könnte als riskanter Schritt angesehen werden. Doch könnte nun ein Punkt erreicht sein, an dem die Kapazität dieser Prozesse ausgereizt ist, die Berichtsteams zu schwach besetzt sind und das Risikomanagement problematisch wird.
Nachfolgend ein paar nennenswerte Erkenntnisse auf einen Blick:
- Im Durchschnitt bearbeiten 50 Personen 227 einzelne Dokumente bei der Erstellung des Jahresberichts.
- 40 % gaben an, dass die Risikominimierung im Jahresbericht 2021 für sie oberste Priorität hat.
- 97 % der Führungskräfte im Finanzbereich haben Bedenken, was die Einbeziehung von ESG-Kennzahlen in den Jahresbericht angeht.
- 94 % der Führungskräfte im Finanzbereich mussten sich dieses Jahr aufgrund der Neuerungen verstärkt mit Kontrollmaßnahmen und Risiken auseinandersetzen.
Sind Unternehmen auf die ESG-Verordnungen vorbereitet?
Das Thema ESG wird durch Verordnungen wie die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) und die Empfehlungen der Arbeitsgruppe für klimabezogene Berichterstattung (Task Force on Climate-Related Disclosures, TCFD) mit großer Wahrscheinlichkeit in den Mittelpunkt des Geschäftsberichts rücken. Infolgedessen müssen Teams, die in der Vergangenheit weniger in den Berichterstattungsprozess eingebunden waren, wie z. B. die Abteilungen für Nachhaltigkeit, Unternehmenskommunikation und Personal, nun ebenfalls einbezogen werden müssen. Das bedeutet auch, dass unstrukturierte Nachhaltigkeitsdaten mit der gleichen Sorgfalt bearbeitet werden müssen wie strukturierte Finanzdaten – und dass sie in einem digitalen Format vorliegen müssen.
Damit das Vertrauen in die Daten gegeben ist und der Zeitplan eingehalten wird, müssen Unternehmen sichere und durchgängige Workflows für die Kommunikation und Zusammenarbeit einrichten: Das Arbeiten in Silos ist nicht mehr möglich. Deshalb war für 27 % der Befragten die Zusammenarbeit eines der drei vorrangigen Themen. Zudem benötigen sie einen uneingeschränkten Überblick über alle Daten des gesamten Berichtsprozesses, um unkomplizierte und effiziente Audits zu ermöglichen. Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind unerlässlich.
Höchste Zeit, den Status quo zu hinterfragen
Wenn wir davon ausgehen, dass die regulatorischen Neuerungen die Berichterstattungs- und Governance-Teams dazu veranlassen, ihre altbewährten Strategien und Prozesse zu überdenken, dass eine bessere Integration des Risikomanagements und der Kontrollmaßnahmen in die Jahresberichterstattung vorangetrieben wird und dass die Verpflichtung zur Risikominimierung bedeutet, Risiken in bestehenden Prozessen zu verringern, dann müssen wir auch davon ausgehen, dass sich der Status quo entsprechend verändert.
Strukturen, die sich in Unternehmen bewährt haben, unterliegen nun einer Belastungsprobe. Infolgedessen erhalten Kontrollmaßnahmen höchste Priorität: So arbeiten die Unternehmen nun daran, ihre Kontroll-, Risikomanagement- und Finanzteams besser miteinander zu vernetzen. Das Gleiche gilt für alle Teams, die sich mit der ESG-Berichterstattung befassen: Vertrauenswürdige Berichte, die den Unternehmenswert transparent wiedergeben, sind viel einfacher zu erstellen, wenn es keine Hürden mehr zwischen den verschiedenen Teams gibt.
Mit der zunehmenden Digitalisierung der Jahresberichterstattung werden sich für die Unternehmen Gelegenheiten ergeben, ihre Prozesse zu überdenken. So können sie eine Lösung finden, um die Compliance, Kontrollmaßnahmen und die Kommunikation über eine zentrale und sichere Umgebung zu verwalten.
Dabei ist es nicht möglich, einfach einen Schalter umzulegen und altbewährte Prozesse sofort zu verändern. Die Jahresberichterstattung ist eine komplexe Angelegenheit – und wird es auch immer bleiben. Für eine sichere und erfolgreiche Durchführung sinnvoller Umstrukturierungen müssen sich die Verantwortlichen gut überlegen, wie sie Verbesserungen schrittweise und möglichst ohne große Eingriffe in allen Bereichen des gesamten Prozesses umsetzen können.
Letztlich reicht der derzeitige Status quo nicht mehr aus. Es ist an der Zeit, einen neuen zu etablieren.