Digitalisierung aus Sicht der Arbeitnehmervertretungsgremien

Die Digitalisierung der Arbeitswelt hat bereits vor der Corona- Pandemie ihren Siegeszug in Deutschland erlebt. Die letzten zwei Jahre haben nun auch den letzten Zweiflern gezeigt, dass eine Tätigkeit vom Betrieb aus nicht zwingend erforderlich ist – selbstverständlich vorausgesetzt die Tätigkeit der jeweiligen Mitarbeiter lässt eine Erfüllung ihrer Arbeitspflicht von außerhalb zu. Nichtsdestotrotz findet sie erst langsam Einzug in die Betriebsratsarbeit. Der effektive Einsatz digitaler Arbeitsmittel als moderne Arbeitsmethode beschäftigt den Betriebsrat zwar immer häufiger im Rahmen mitbestimmungsrechtlich relevanter Themen, seine eigene Arbeitsweise wird jedoch (bislang) vom Gesetzgeber nicht stets digital ermöglicht.

Die Digitalisierung bringt zahlreiche Aspekte mit sich, die vom Arbeitgeber und von den Betriebsratsgremien im betrieblichen Alltag zu beachten sind. Die größte Veränderung trat bereits zu Beginn der Pandemie ein. Der Gesetzgeber hat – ausnahmsweise – sehr schnell gehandelt und bereits Ende Mai 2020, also kurz nach Beginn der Pandemie, dem Betriebsrat in § 129 BetrVG, einem Paragraphen der die Überschrift „Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie“ trägt, die Möglichkeit eröffnet, Betriebsversammlungen per Videokonferenz durchzuführen. Ebenfalls wurde den Betriebspartnern die Möglichkeit eröffnet, die Teilnahme an Einigungsstellen per Videokonferenzen durchzuführen. Beides hat das Leben der Betriebspartner während der Dauer der Pandemie erheblich erleichtert.

Nunmehr hat der Gesetzgeber mit dem Betriebsrätestärkungsgesetz unter anderem Teile dieser Übergangsnorm in eine dauerhafte Regelung überführt. Allerdings hat der Gesetzgeber dennoch einen klaren „Vorrang der Präsenzsitzung“ normiert. Die Durchführung einer Betriebsratssitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz ist nur unter engen, im Gesetz regulierten, Voraussetzungen möglich: die Geschäftsordnung des Betriebsrats muss die Vorgaben regeln, es darf nicht mindestens ¼ der Mitglieder des Betriebsrats der Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist widersprechen und es muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Liegen diese Voraussetzungen bei Durchführung einer virtuellen Sitzung nicht vor, sind die hierbei gefassten Beschlüsse unwirksam. Ferner weist das Gesetz darauf hin, dass eine Aufzeichnung der Sitzung unzulässig ist und selbst dann, wenn eine Betriebsratssitzung mit der zusätzlichen Möglichkeit der Teilnahme mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgt, die Teilnahme vor Ort ebenfalls als erforderlich gilt. Dies ist wiederum maßgeblich für den Anspruch auf Arbeitsbefreiung (sowie die damit verbundenen weiteren Aspekte) derjenigen Mitarbeiter, die in Präsenz teilnehmen möchten.

Weiterhin besteht künftig die Möglichkeit, Betriebsvereinbarungen unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 126 a BGB abzuschließen. Das bringt in der betrieblichen Praxis sicherlich nicht überall Erleichterungen, allerdings kann es durchaus von Vorteil sein, wenn gewünscht ist, einen schnellen Abschluss herbeizuführen, die Parteien jedoch nicht an einem Ort zusammensitzen. Dies war bislang nicht möglich. Das Gesetz sah vor, dass die sog. Schriftform bei dem Abschluss von Betriebsvereinbarungen einzuhalten und das Dokument von den Betriebspartnern gemeinschaftlich zu unterzeichnen war. Bei anderen Normen wurde die geforderte „Schriftlichkeit“ durchaus weiter ausgelegt, sodass auch bereits bislang bei der Verweigerung der Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 Abs. 3 BetrVG oder bei der Äußerung von Bedenken bzw. der Erhebung eines Widerspruchs im Rahmen einer Kündigung nach § 102 BetrVG sogar nur die Textform nach § 126b BGB einzuhalten ist und war. Die elektronische Signatur nach § 126 a BGB wurde auch bereits in anderen Bereichen, in denen das Gesetz die Schriftform vorsah, gestattet. So genügte es bereits in der Vergangenheit, wenn die Übertragung von Betriebsratsaufgaben an den Betriebsausschuss oder andere Ausschüsse nach § 27 Abs. 2 BetrVG oder die Sitzungsniederschrift der Betriebsratssitzung nach § 34 Abs. 1 BetrVG in elektronisch signierter Form erfolgten. Auch wenn dies nicht in allen Bereichen zu erheblichen Erleichterungen im betrieblichen Alltag führt, so zeigt es zumindest die Bereitschaft des Gesetzgebers und der Rechtsprechung, sich den Erfordernissen der digitalen Arbeitswelt zu öffnen. Im Rahmen der sonstigen internen und externen Kommunikation im Verhältnis zum Arbeitgeber unterliegt der Betriebsrat in der Regel keinen Formzwängen, sodass diese Arbeit mobil und digital erfolgen kann. Auch besteht die Möglichkeit, die in § 39 BetrVG vorgesehenen Sprechstunden im Wege einer Videokonferenz durchzuführen. Insofern unterliegt der Betriebsrat nicht dem Zwang der persönlichen Teilnahme vor Ort. Allerdings ist der Betriebsrat verpflichtet sicherzustellen, dass auch in der „Videosprechstunde“ höchste Vertraulichkeit gewährleistet ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber jedoch in der Regel nicht verpflichtet sein dürfte, dem Betriebsrat zur Durchführung von „Videosprechstunden“ besondere Software zur Verfügung zu stellen, die ansonsten nicht im Betrieb genutzt wird. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Abhaltung einer Videosprechstunde erforderlich i. S. v. § 40 Abs. 2 BetrVG wäre – dies dürfte nur im Einzelfall gegeben sein. Ebenso sieht es mit der sonstigen Ausstattung des Betriebsrats mit digitalen Arbeitsmitteln aus. Sicherlich gehören heutzutage ein Telefon sowie ein PC mit der üblichen Ausstattung zu der gängigen Grundausstattung in den allermeisten Betrieben. Ob weitere Arbeitsmittel (Laptop, IPad, bestimmte Hard- und Software – beispielsweise für das Abhalten von Videokonferenzen) erforderlich sind, beurteilt sich maßgeblich nach den individuellen betrieblichen Anforderungen. Einzig der Aspekt der rechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes eines bestimmten Kommunikationsmittels bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, es einzuführen bzw. zur Verfügung zu stellen. Insofern ist stets das betriebsübliche Ausstattungsniveau zugrunde zu legen.

Zudem sieht das Betriebsrätemodernisierungsgesetz im Hinblick auf die Ausgestaltung mobiler Arbeit ein neues Mitbestimmungsrecht in § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG vor. Der Gesetzgeber sieht vor, dass mobile Arbeit vorliegt, wenn Mitarbeiter die von ihnen geschuldete Arbeitsleistung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnik außerhalb der Betriebsstätte von einem Ort oder von Orten ihrer Wahl oder von einem mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort oder von mit dem Arbeitgeber vereinbarten Orten erbringen. Nicht nur die regelmäßige, auch die anlassbezogene mobile Arbeit ist erfasst – ebenso die Tätigkeit aus dem Home-Office. Insofern stellt sich allerdings die Frage, wie viel Neues dieses nunmehr in einer ergänzten Ziffer kodifizierte Mitbestimmungsrecht tatsächlich mit sich bringt. Dem Betriebsrat steht weiterhin kein Initiativrecht zu – er kann also die Einführung mobiler Arbeit nicht erzwingen. Ob der Arbeitgeber mobile Arbeit einführen möchte, obliegt ihm demzufolge weiterhin selbst und damit ist der größte Schrecken, der vor der Einführung mit dieser Ziffer einherging, obsolet. Abzuwarten bleibt jedoch, wie die Rechtsprechung den Begriff „Ausgestaltung“ auslegen wird. Die Gesetzesbegründung hilft hier zwar mit Ansätzen, allerdings birgt dieses neue Mitbestimmungsrecht noch sehr viel Unsicherheit, da die wesentlichen Fragen hinsichtlich seiner Grenzen offen sind. Es ist unklar, wie das Verhältnis zu den anderen Mitbestimmungstatbeständen, die in § 87 BetrVG geregelt sind, zu werten ist. § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG soll wohl einen Auffangtatbestand darstellen – auch sind beispielsweise § 87 Abs. 1 Nr. 1 der Nr. 2 sowie § 87 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 BetrVG einschlägig, wenn es um die Ausgestaltung mobiler Arbeit geht. Es bleibt daher abzuwarten, wie viel Platz noch für § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG vorhanden ist. Das hängt jedoch auch davon ab, wie weit die Rechtsprechung den Begriff der „Ausgestaltung“ auslegen wird. Diskutiert wird, ob tatsächlich der „zeitliche Umfang der mobilen Arbeit“ dem Mitbestimmungsrecht unterworfen sein kann – dies zu Recht, da durchaus in Zweifel zu ziehen ist, ob eine Mitbestimmung hinsichtlich des zeitlichen Anteils der mobilen Arbeit nicht zu sehr in Richtung des „Ob“ der Einführung mobiler Arbeit geht – es sei denn, es geht beispielsweise nur um die Verteilung des vorgegebenen Umfangs auf die Wochentage oder Ähnliches. Auch kann es um Arbeitsschutzgesichtspunkte sowie Datenschutzaspekte gehen, die tägliche Arbeitszeit sowie die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer, den konkreten Ort, von dem aus die Tätigkeit gestattet ist, die Ausstattung und deren Kostentragung sowie etwaigen verpflichtenden Anwesenheitstagen im Betrieb (zumindest deren Verteilung – ob auch die Anzahl erfasst sein wird, bleibt abzuwarten – siehe oben). All diese Fragen werden die Gerichte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beschäftigen.

Auch wenn noch sehr viel im Hinblick auf die Digitalisierung der Arbeitswelt und die damit einhergehenden Rechte und Pflichten des Betriebsrats unklar ist, so hat sich doch auch in diesem Bereich – insbesondere während der vergangenen zwei Jahre – sehr viel getan. Selbstverständlich wird die Rechtsprechung gefordert sein, sowohl den Aspekt der erforderlichen Ausstattung des Betriebsrats der fortschreitenden Digitalisierung anzupassen als auch die noch offenen Fragen rund um das neu eingeführte Mitbestimmungsrecht zu klären. Bis die ersten (höchstrichterlichen) Entscheidungen vorliegen, sollte vor der Einführung mobiler Arbeit/ der Änderung vorhandener Regelungen sehr genau geprüft werden, inwieweit das Erfordernis der Einbeziehung des Betriebsrats besteht. Sodann wird es Aufgabe der Rechtsprechung sein, die Grenzen des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG – möglichst eng – zu stecken und Arbeitgebern Leitlinien zum Umgang an die Hand zu geben.