Und was wir Versicherer dazu beitragen können
Kriegen Sie auch manchmal die Krise vor lauter Krisen, wenn sie aktuelle Diskussionen um wichtige Themen wie geopolitische Stabilität, Klimawandel, Wirtschaft, Inflation und Altersarmut verfolgen? Es gibt viele Gründe sich Sorgen zu machen. Aber wir dürfen unsere Debatten nicht mit ausschließlich pessimistischen Blickwinkeln führen. Das ist gefährlich, weil dieser verengte Blick lähmen kann. Wie soll dabei ein positiver Blick auf die Zukunft entstehen? Wir brauchen weniger „German angst“ und mehr „German optimism“. Gründe gibt es in Deutschland genug dafür: Der deutsche Mittelstand ist stark, innovativ und hat schon viele Krisen überstanden und sich weiterentwickelt. Die Anzahl der internationalen Patentanmeldungen deutscher Unternehmen hat 2022 weiter zugenommen, pro Kopf meldet Deutschland mehr Patente an als China oder die USA. Wir haben hocherfolgreiche Industriecluster und ein duales Ausbildungssystem, um das die Welt uns beneidet.
Es gibt keine Vollkasko fürs Leben
Zur realistischen Einschätzung gehört: Es gibt kein Leben ohne Risiko. Manche Risiken sind nicht zu verhindern: Krankheit, Unfälle, Brände. Auch wenn eine Versicherung sie nicht verhindert, so lindert oder behebt sie zumindest die Konsequenzen. Manche Risiken helfen uns dabei, Entscheidungen abzuwägen. Ein Risiko einzugehen – oder nicht einzugehen – sollte eine bewusste persönliche oder unternehmerische Entscheidung sein. Aber: Wer nur Risiken sieht, ohne sie mit den Chancen abzuwägen, der trifft gar keine Entscheidungen, oder zumindest keine guten. Bevor ich rausgehe, schaue ich auf die Wettervorhersage und nehme mir notfalls einen Schirm mit. Das ist besser, als drin zu bleiben aus Angst, nass zu werden, und die notwendigen Dinge nicht zu erledigen. Wenn ich als Privatmensch ein Haus kaufe, versichere ich es gegen Elementargefahren, damit ein Hochwasser nicht meine Existenz bedroht. Wenn ich als Unternehmer mein Kapital in Form von Vorprodukten in einer Halle lagere, achte ich auf Brandschutz und versichere mich zusätzlich – damit ich im Falle eines Feuers nicht ruiniert bin.
Risiken, ja bitte!
Ich würde mir wünschen, dass Gesellschaft und Politik die Existenz von Risiken als selbstverständlich ansehen. Entscheidend ist die Frage, wie ich mit ihnen umgehe und sie „manage“. Wir als Versicherer leisten dabei einen wichtigen Beitrag. Unsere Kernkompetenz ist das nüchterne Bewerten von Risiken – ohne Panikmache, aber auch ohne Schönfärberei. Das Managen von Risiken hat eine lange Tradition. Rund 3.000 Jahre vor Christus stachen phönizische Händler in See mit der Gewissheit, dass sie einen Ausgleich bekommen, wenn ihr Schiff untergehen sollte. Kam das Schiff an, wurde eine Zahlung fällig, wie eine Art Prämie. Wir als Versicherer können helfen, Entscheidungen zu fundieren und zu unterstützen, weil wir das Risiko in Form der Prämie vergleichbar mit anderen ökonomischen Faktoren machen. Dadurch ermöglichen wir es Menschen und Unternehmen, sich auf die Chancen zu konzentrieren, die es zu ergreifen gilt. Etwa für Privatleute, wenn sie ihr größtes Kapital, ihr Leben oder ihre Arbeitskraft absichern. Oder für Firmen, die Ihre Unternehmenswerte absichern, um handlungsfähig zu sein.
Apokalypse wow
Es ist also richtig, Risiken in den Blick zu nehmen, weil sie uns beim Abwägen helfen. Zugleich ist es falsch, den Blick auf Risiken zu verengen und sich dadurch handlungsunfähig zu machen. Dieser Spagat fällt manchmal schwer. Vor allem bei übermächtig wirkenden, großen und globalen Risiken wie dem Klimawandel. Wegschauen und Leugnen helfen leider nicht. AXA fragt jedes Jahr im „Future Risks Report“ Expert: innen und die Bevölkerung aus der ganzen Welt nach ihren Einschätzungen: Welche sind die größten Risiken der Zukunft? Beide Gruppen sind sich in diesem Jahr wieder einig: Der Klimawandel ist das Risiko Nr. 1. Das zu erkennen, ist richtig. Falsch ist, deswegen in Pessimismus und Nichtstun zu verfallen. Falsch ist auch das Argument, es sei irrelevant, was ich selbst mache, da der Beitrag im Verhältnis zum Gesamtproblem zu klein sei. Wir müssen bei uns selbst anfangen, mit vielen kleinen und großen Schritten. Nicht Apokalypse wow – sondern act now!
Wir schaffen das
Diesen vieldiskutierten Satz möchte ich in den Kontext der Klimakrise stellen und wie wir ihr begegnen können. Das Risiko ist real. Nichtstun ist keine Option – auch aus Sicht unserer Branche. Eine vier Grad wärmere Welt ist nicht versicherbar. Wir als Versicherer können und müssen unseren Beitrag leisten, und zwar auf drei Ebenen. Die erste und wichtigste Ebene: Unsere Macht als Investor. Versicherer können viel mehr als nur Risiken zu bewerten und abzusichern. Wir wollen langfristig investieren, weil wir unseren Versicherten auch langfristig Sicherheit geben. Die deutschen Versicherer haben insgesamt rund 1,9 Billionen Euro investiert. Die AXA Gruppe verwaltet weltweit rund 840 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Der deutsche Bundeshaushalt umfasst knapp 480 Milliarden Euro. Allein diese Zahlen zeigen, wie groß der Hebel der Versicherer als Investoren im Kampf gegen den Klimawandel ist. Wir als AXA haben uns weltweit zum Ziel gesetzt, bis 2050 in unseren Investments klimaneutral zu werden. Wir finanzieren gezielt nachhaltige Geschäftsmodelle und begleiten Unternehmen beim Wandel zu mehr Nachhaltigkeit, gerne auch in Deutschland. Hier bremst sich Deutschland bisweilen selbst aus, wenn zum Beispiel die Genehmigungen neuer Windparks so lange dauern, dass Investoren ihr Kapital lieber in saubere Energieprojekte in anderen europäischen Ländern anlegen. Zusätzlich kann die Politik unterstützen, indem die regulatorischen Vorschriften bei nachhaltigen Anlagen attraktiver werden. Die zweite Ebene, auf der wir gegen den Klimawandel aktiv werden, ist unser Versicherungsgeschäft. Als Gründungsunterzeichner der UN-Prinzipien für nachhaltige Versicherungen (PSI Principles for Sustainable Insurance) haben wir unter anderem Zeichnungsbeschränkungen für die Kohle- und Ölsandindustrie sowie für die Öl- und Gasindustrie eingeführt. Gleichzeitig sind wir einer der größten und erfahrensten Versicherer erneuerbarer Energien. Die dritte Ebene ist unser eigener Fußabdruck als Unternehmen: Seit 2008 misst AXA Deutschland seine Umweltkennzahlen. Von 2019 bis 2022 konnten wir die Scope 1 CO2-Emissionen um 36 Prozent und die Scope 2 CO2-Emissionen um 68 Prozent verringern. Und diese Entwicklung wird weitergehen.
Für ein Morgen voller Möglichkeiten
Im Herzen bin ich Optimist. Obwohl mich beruflich jeden Tag mit Risiken beschäftige – vielleicht aber auch gerade deshalb. Weil ich geübt darin bin, mit ihnen umzugehen. Und weil ich sehe, dass viele Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen sich ebenfalls anstrengen, ihren Beitrag zu leisten. Lasst uns dazu beitragen, dass wir als Gesellschaft optimistisch in die Zukunft blicken. Wir Versicherer können das am besten, indem wir uns auf unsere Kernkompetenz konzentrieren. Dadurch, dass wir Risiken professionell bewerten und absichern, setzen wir Kräfte bei Menschen und Unternehmen frei, um die Zukunft positiv zu gestalten. Eine Zukunft, zu der zwar selbstverständlich auch Risiken gehören, die dadurch aber nicht definiert wird. Sondern durch die Chancen und Hoffnungen, die sie der Menschheit bietet. ■
