Niels-Ansgar Maisch, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, QUANTUM LAW
Die Digitalisierung macht auch vor der Arbeitswelt nicht halt. Der Arbeitsmarkt wandelt sich. Desksharing, Mobile Office, Crowdworking…. Auch die Arbeitsweisen werden immer flexibler. Bereits jetzt findet nicht nur eine spürbare Loslösung von festen auf mobile Arbeitsplätze statt. Des Weiteren gibt es aber auch Umstellungen und eine Umorganisation von Arbeit über webbasierte Plattformen. Dass sich dabei eine Vielzahl von arbeitsrechtlichen Fragen stellt, liegt auf der Hand.
WAS IST EIGENTLICH CROWDWORKING?
Beim Crowdworking erfolgt die Auftragsvergabe über Online-Plattformen an eine unbestimmte Personengruppe (Crowd), die bei dieser Plattform registriert ist (Crowdworker) und die über die Plattform angebotenen Arbeitsaufträge übernimmt. Bei diesen Arbeitsaufträgen handelt es sich nicht zwingend nur um leicht auszuführende Arbeitsaufträge (wie z.B. Bildbearbeitungen, Texterstellungen, Kontrolltätigkeiten, Produktbeschreibungen, Auswertungen etc.), sondern oft auch um sehr komplexe Aufgaben (wie z.B. Programmierungen) oder sogar ganze Projekte. Für den Auftraggeber bietet dies die Chance, von dem Know-how aller bei der Plattform registrierten Crowdworker zu profitieren, ohne diese selbst fest anstellen zu müssen. Der Arbeitgeber bezahlt insofern nur das, was er wirklich braucht. Die Crowdworker hingegen schätzen die Möglichkeit, flexibel und selbstbestimmt an jedem Ort und zu jeder Zeit zu arbeiten oder auch für sie uninteressante Arbeitsaufträge einfach ablehnen zu können.
Man unterscheidet zwischen internem Crowdworking und externem Crowdworking. Internes Crowdworking bedeutet, dass Sie die entsprechende „Crowdworking-Plattform“ innerhalb Ihres eigenen Unternehmens installieren, wobei die Auftragsvergabe dann sogar an eigene Mitarbeiter erfolgt. Wenn man vom „Crowdworking“ spricht, ist aber regelmäßig von „externem Crowdworking“ die Rede, also die Erteilung von Aufträgen über eine Online-Plattform an Außenstehende.
WIE ORDNET DIE AKTUELLE RECHTSPRECHUNG DAS CROWDWORKING EIN?
Die Frage, die bei dieser Arbeitsform auf der Hand liegt, ist die, ob der Crowdworker eigentlich tatsächlich als selbständiger Unternehmer tätig wird oder nicht doch rechtlich als Arbeitnehmer einzustufen ist. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang zwei einschlägige Urteile des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 14.02.2019 (10 Ta 350/18) und des Landesarbeitsgerichts München vom 04.12.2019 (8 Sa 146/19).
a. Bei dem vom Landesarbeitsgericht Hessen zu entscheidenden Fall klagte ein Busfahrer, der über eine Plattform von einem Busunternehmern beauftragt wurde, gegen das Busunternehmen auf Zahlung des vereinbarten Honorars, nachdem er im Auftrag des Busunternehmers eine mehrtägige Busreise für diesen durchgeführt hatte. Der Kontakt kam über eine Crowdworking-Plattform zustande, auf der der Busfahrer Informationen zu seiner Person zur Verfügung stellte und sich als selbständiger Fahrer bewarb. Die Parteien vereinbarten sodann per E-Mail die Durchführung und die Einzelheiten der Busreise. Weitere Aufträge folgten nicht. Das Landesarbeitsgericht Hessen machte in seiner Entscheidung deutlich, dass es stets auf die Umstände des Einzelfalls und damit auf die allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen ankäme. Hier waren im Einzelfall aufgrund der weitestgehenden Weisungsfreiheit in der Durchführung der Busfahrt, der mangelnden Eingliederung in die Organisation des Busunternehmens sowie der nur auf kurze Dauer angelegten Zusammenarbeit die Gesamtumstände des Vertragsverhältnisses zu Gunsten einer selbstständigen Tätigkeit zu bewerten. Das Gericht betonte in diesem Zusammenhang insbesondere auch, dass der Busfahrer durch sein Profil auf der Plattform mit der Registrierung als „selbständiger Fahrer“ deutlich gemacht habe, gerade kein Arbeitsverhältnis begründen zu wollen.
b. Auch das Landesarbeitsgericht München hat in seiner Entscheidung vom 04.12.2019 die Annahme eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Crowdworker und der Plattform, bei der er registriert war, abgelehnt. In diesem Fall führte das beauftragte Unternehmen unter anderem für Markenhersteller Kontrollen von Warenpräsentationen im Einzelhandel oder bei Tankstellen durch. Die Aufträge hat das Unternehmen dann über eine appbasierte Plattform an Crowdworker vergeben. Der Abschluss der Basisvereinbarung berechtigte dazu, über eine App die auf einer Internetplattform angebotenen Aufträge, die in einem selbstgewählten Radius von bis zu 50 km angezeigt werden, zu übernehmen. Erfolgt die Übernahme des Auftrags, war dieser regelmäßig innerhalb von 2 Stunden nach Auftragsvergabe abzuarbeiten. Es bestand jedoch weder die Verpflichtung zur Auftragsannahme noch umgekehrt eine Verpflichtung für den Auftraggeber, überhaupt Aufträge anzubieten. Das Landesarbeitsgericht München begründete seine Entscheidung damit, dass für den Crowdworker keine Verpflichtung bestand, die Aufträge der Plattform anzunehmen. Damit sei der Crowdworker aber auch nicht zu einer weisungsgebundenen fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit von der Plattform verpflichtet. Im Gegenzug bestand auch keine Verpflichtung der Plattform, dem Crowdworker Aufträge anzubieten.
Auch wenn insbesondere durch die beiden Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Hessen und München das Crowdworking für den Auftraggeber weitestgehend risikolos erscheinen mag, muss dennoch vor dem Risiko dieser neueren Flexibilität gewarnt werden.
[…] die eigenen Allgemeinen Geschäfts- und Auftragsbedingungen zu ergänzen/anzupassen, wenn Sie als Geschäftsführer die Möglichkeit der Nutzung des Crowdworkings in Betracht ziehen.
Zwar achten die Anbieter der Crowdworking-Plattformen darauf, dass die bei ihnen registrierten Crowdworker selbständig tätig werden, jedoch machen beide Entscheidungen deutlich, dass es dennoch immer wieder einer Einzelfallprüfung bedarf. Insofern kommt es zum einen auf die vertragliche Grundlage zwischen Crowdworking-Plattform und Crowdworker an, aber auch auf die vertragliche Gestaltung der Auftragsbeziehung zwischen Auftraggeber und Crowdworking-Plattform. Gerade im Hinblick auf letzteres empfiehlt es sich, die eigenen Allgemeinen Geschäfts- und Auftragsbedingungen zu ergänzen/anzupassen, wenn Sie als Geschäftsführer die Möglichkeit der Nutzung des Crowdworkings in Betracht ziehen.
Zudem bleibt abzuwarten, wie die Sozialgerichtsbarkeit die Fälle des Crowdworkings bewertet, da auch nach den Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Hessen und München im Einzelfall gerade nicht ausschließen, dass es im Einzelfall auch nur eine sogenannte Scheinselbständigkeit sein kann. Zudem wäre es nicht das erste Mal, dass sich die Arbeitsgerichtsbarkeit und die Sozialgerichtsbarkeit bei der Bewertung von selbständigen Tätigkeiten uneins wären.
Schließlich hat der digitale Wandel auch das europäische Parlament auf den Plan gerufen, welches mit einer Entschließung die europäische Kommission und die Mitgliedstaaten aufforderte, ihre Rechtsvorschriften zu prüfen und im Bedarfsfall den Gegebenheiten anzupassen. Insofern muss zumindest damit gerechnet werden, dass auch der Gesetzgeber in Zukunft noch weitere Rahmenbedingungen für das Crowdworking schaffen wird.
WORAUF SOLLTE ICH BESONDERS ACHTEN, WENN ICH MICH FÜR EIN EXTERNES CROWDWORKING ENTSCHEIDE?
a. Sollten Sie als Geschäftsführer planen, Ihre Arbeitsabläufe durch Nutzung externem Crowdworkings zu verändern, so steht dem Betriebsrat nach § 90 Abs. 1 BetrVG ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht zu.
b. Sollten Sie als Geschäftsführer entscheiden, einzelne Arbeitsaufträge oder auch zeitlich begrenzte Projekte an externe Crowdworker zu vergeben, so sollten Sie im Rahmen der vertraglichen Gestaltung dringend darauf achten, dass im Rahmen der Auftragsvergabe keine Datenschutzrechte verletzt werden.
c. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Sicherung von Urheber- und Nutzungsrechten.
d. Schließlich sollten Sie vorab auch die Frage der Haftung bei Rechtsverletzungen durch den Crowdworker klären.
FAZIT:
Die neue Flexibilität des Crowdworkings kann sowohl für Unternehmen als auch für Crowdworker gleichsam interessant sein. Nach derzeitiger Rechtsprechung dürfte die Tätigkeit des Crowdworkers dem Grunde nach als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren sein, wobei es stets einer Einzelfallbetrachtung bedarf. Ob und inwieweit sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen hierzu zukünftig ändern, bleibt abzuwarten. Es empfiehlt sich jedoch vor der Auftragsvergabe dringend, wesentliche Rechtsfragen im Zuge des Crowdworkings vorab zu klären.