Die nachhaltige Geschäftsstrategie glaubhaft finanzieren

Im Interview: Jürgen Baudisch, CEO und Country Head der SEB Deutschland

Herr Baudisch, Sie wollen Unternehmen und Investoren bei der Transformation zu klimaneutralen Geschäftsmodellen unterstützen. Welche Möglichkeiten haben Finanzinstitute und wie gehen Sie bei der SEB konkret vor?

 „Wir wollen die Unternehmen nicht nur unterstützen, wir tun es schon längst. Seit knapp 15 Jahren sind wir als nachhaltiger Finanzierungspartner der Unternehmen gefragt. Angefangen hat alles im Jahr 2008, als wir gemeinsam mit der Weltbank das Konzept der grünen Anleihen entwickelt haben. In den letzten zwei bis drei Jahren unterstützen wir die Unternehmen bei der Transformation ihrer Geschäftsmodelle verstärkt auch in Deutschland, ganz gleich ob Großkonzern oder gehobener Mittelstand. Die Palette an Instrumenten ist dabei weit gefasst, von der verwendungszwecknahen Finanzierung wie dem Green Bond oder Green Loan über den Sustainability Linked Loan sowie weiteren Bonds und Schuldscheinen bis hin zu ganz normalen Krediten und Garantien. In der Regel besteht dann auch die Möglichkeit, die jeweiligen Konzepte auf alle Finanzierungsinstrumente, über die ein Unternehmen verfügt, auszudehnen. Stark zugenommen hat in der jüngeren Vergangenheit zudem die Ausgestaltung von Green Financing Frameworks. Und auch auf der Equity- und Fund-Seite bieten wir den Unternehmen Investitionsmöglichkeiten nach Artikel 8 und 9, denn die Pensionsverbindlichkeiten müssen natürlich ebenfalls transformiert werden.“

Eine exakte und verbindliche Definition, was ein nachhaltiges Finanzprodukt ist, fehlt bisher. Einige Banken setzen sich daher selbst ein Regelwerk auf. Nach welchen ESG-Kriterien beurteilen Sie?

„Eine gezielte Definition ist tatsächlich schwierig, aber es setzen sich vermehrt Standards, freiwillige Principles oder Guidelines durch. Diese führen dazu, dass es immer einen ‚Best Market Practise‘ gibt, der sich wiederum ständig weiterentwickelt. Was vor zwei Jahren noch bewährte Marktpraxis war, sieht heute schon wieder ganz anders aus und wird in zwei Jahren vermutlich erneut überholt sein. Auch Branchen- und Interessenverbände wie die International Capital Market Association (ICMA) oder die Loan Market Association (LMA) tragen zur Vereinheitlichung bei. Zudem arbeitet die Europäische Union derzeit an der Einführung eines EU-Green-Bond-Standards, wobei eine vorläufige politische Einigung des Europäischen Parlaments und der EU-Mitgliedstaaten über die Inhalte der Verordnung jüngst erfolgte. Und wir als Bank schauen uns natürlich jedes Unternehmen je nach Branche ganz genau an und beurteilen situativ, wo der größte Optimierungsbedarf liegt. Dabei vertrauen wir nicht nur auf unsere ganz eigenen Principles und KPIs, sondern sind auch Teil der Net Zero Banking Alliance, innerhalb derer wir gemeinsam mit anderen Banken Methoden zum Klimaschutz durch Kreditportfolios entwickeln.“

Welchen Einfluss haben derzeit die Taxonomie-Verordnung oder die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) auf Bankenfinanzierungen und was sind aus Ihrer Sicht die nächsten wichtigen EU-Initiativen zu ESG und Sustainable Finance?

„Die EU-Taxonomie ist zunächst für die Unternehmen von großer Bedeutung, weil sie sich stark danach ausrichten müssen. Ist das Alignment da, können wir als Bank die Taxonomie beim Investment über die verschiedenen Artikel 8 und 9 und natürlich auch für die Green Financing Frameworks nutzen. Gleiches gilt für die SFDR, die fast alle Finanzmarktteilnehmer – mit Ausnahme der Unternehmen im Privatbesitz – dazu verpflichtet, die erforderlichen Informationen offenzulegen. Das sorgt für größtmögliche Transparenz. Darüber hinaus gibt es weitere gute Initiativen auf EU-Ebene sowie das global tätige International Sustainability Standards Board (ISSB). Dieses unabhängige Gremium, eine Tochter der IFRS, erarbeitet internationale Standards, wie Unternehmen ihren ökologischen Fußabdruck am besten messen und reporten können. Nicht weniger wichtig sind die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Während erstere maßgeblich dazu beitragen wird, die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf eine Stufe mit der Finanzberichterstattung zu stellen, soll letztere für in der EU tätige Unternehmen umfangreiche Vorschriften für die Achtung der Menschenrechte und der Umwelt entlang ihrer Aktivitätskette festlegen.“

ESG-Daten sind für die Zukunft von fundamentaler Bedeutung, bilden die Basis für wichtige Geschäftsentscheidungen und die Risikobeurteilung im eigenen Portfolio. Wie ist hier der aktuelle Stand, haben Sie dazu denn überhaupt genug Daten?

„Es gibt schon sehr, sehr viele Daten, nur die Qualität ist nicht besonders gut. Die Datenlage in Bezug auf Scope-1- und Scope-2-Emissionen – also direkte Emissionen und indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie – ist schon sehr gut, beim Scope-3-Reporting (indirekte Emissionen innerhalb der Wertschöpfungskette) gibt es noch ordentlich Nachholbedarf. Diejenigen in unserem Portfolio mit guten Scope-3-Daten würde ich auf circa 15 Prozent schätzen. Generell ist es aber so: Je größer die Unternehmen und je stärker sie einer externen Regulierung unterliegen, desto besser die Datenlage.“

Wenn wir uns die aktuelle Klimasituation anschauen, einen Blick in die Zukunft wagen und die Rolle der Finanzbranche miteinbeziehen: Wie sieht Ihre Prognose aus und was sind Ihre Hoffnungen?

„Da das Volumen grüner Anleihen weiter zunehmen wird, bin ich sehr zuversichtlich gestimmt. Die meisten Unternehmen in Deutschland haben sich den Pariser Klimazielen verschrieben und tätigen schon jetzt vielversprechende Investitionen in die Energiewende. Wenn ich auf unser Portfolio blicke, dann interessieren sich fast alle Unternehmen für nachhaltige Finanzprodukte. Und wer heute keine glaubhaften Transformationspläne hat, für den wird die Refinanzierung ungleich schwieriger. Der Horizont muss in meinen Augen erweitert und auch Themen wie Biodiversität oder Wasser – als unsere wichtigste Ressource – mit auf die Agenda genommen werden. Gleichzeitig darf der regulatorische Rahmen nicht überspannt werden. Denn oftmals erzwingt die Regulatorik Dinge, die der Markt noch nicht bereit ist zu tun. Vielleicht können wir in Europa in dieser Hinsicht etwas von den USA lernen, die weniger auf Regulatorik setzen und stattdessen mehr auf die Marktkräfte. Das ist meine Hoffnung – weniger Regulatorik, mehr Marktorientierung.“