Die neue Bundesregierung hat die Chance, den energiepolitischen Kompass so auszurichten, dass die Akzeptanz des Generationenprojekts Energiewende erhalten bleibt. Auch wenn die Unterstützung in der Bevölkerung weiterhin hoch ist, treten Fragen nach Versorgungssicherheit und einer fairen Lastenverteilung mehr in den Vordergrund.
Die Energiewende schreitet voran, der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung hat 50 Prozent überschritten. Wir spüren gerade deutlich, dass sich die großen Fragen und Herausforderungen dieses Generationenprojekts mit dem dynamischen Wachstum ändern. Zu Beginn ging es darum, den Start der Erneuerbaren zu ermöglichen, sie im Markt zu etablieren, sie aber auch vor den Marktkräften und Abwehrmechanismen der etablierten Marktteilnehmer zu schützen. Das wird jetzt deutlich anders. Die Erneuerbaren sind erwachsen und stehen bald in der vollständigen Verantwortung für eine sichere und preisgünstige Energieversorgung. Das glaubhafte Hineinwachsen in diese Rolle ist zentral für die künftige Akzeptanz der Energiewende. Diese ist ungebrochen hoch, aber die Fragen nach Versorgungssicherheit, Kosteneffizienz und -effektivität sowie einer fairen Lastenverteilung treten deutlich mehr in den Vordergrund.
Ohne Netzausbau keine Versorgungssicherheit
Als Übertragungsnetzbetreiber stehen wir dabei an zentraler Stelle und stellen uns unserem Teil der Verantwortung für eine versorgungssichere und kosteneffiziente Energiewende. Natürlich sehen wir, dass wir mit unseren Investitionen – bei Amprion 27,5 Milliarden Euro bis 2028 – ein wesentlicher Teil der Kostenfrage sind. Offensichtlich ist: Wenn wir unseren gesamten Kraftwerkspark umbauen, dann müssen wir auch das Netz entsprechend anpassen. Wir heben bei diesem Umbau Effizienzen, wo es nur geht – in der Beschaffung von Komponenten für den Netzausbau, in der Zusammenarbeit mit Partnern, beim Bau der Projekte und in der Systemführung. Damit schaffen wir Versorgungssicherheit und reduzieren die Gesamtkosten des Systems. Jeder neue Netzkilometer, jede fertige Umspannanlage wird sich mittel- bis langfristig rechnen – weil sie die aktuell hohen Kosten fürs Engpassmanagement nachhaltig reduzieren. Das wird sich wiederum positiv auf die Netzentgelte auswirken. Beim Netzausbau ist uns bei Amprion eines wichtig: Wir sollten nur bauen, was energiewirtschaftlich wirklich notwendig ist. Tunlichst darauf zu achten, dass es nicht nur „die eine Zukunft“ gibt, ist bei der Netzplanung die größte Herausforderung. Wir setzen uns im Rahmen der Debatten um den Netzentwicklungsplan daher für eine deutliche Verbreiterung der Szenarien ein. Dass wir die Zukunft nicht kennen, ist eine banale Weisheit. Sie gilt aber auch für den Weg zur Klimaneutralität bis 2045. Auf diesem Weg müssen wir die Fragen der Versorgungssicherheit und Systemstabilität mehr in den Fokus nehmen. Was dafür zu tun ist, wissen alle, die sich energiepolitisch engagieren: Kein Ausstieg ohne Einstieg – Back-Up-Kraftwerke so schnell wie möglich ans Netz bringen und diese dabei möglichst netzdienlich verorten. Die Erneuerbaren in die Systemstabilität integrieren – auch wenn das den Verlust der „Produce-and-don‘t-care“-Komfortzone bedeutet. Die Digitalisierung der Netzinfrastruktur beschleunigen – Stichwort: Smart-Meter-Rollout.
Eine Reform der Netzentgelte ist unabdingbar
Die Akzeptanz der Energiewende hängt vor allem auch an der fairen Verteilung der Kosten. Und gerade beim Netzentgelt ist hier einiges aus dem Ruder gelaufen. Wir haben es in den vergangenen Jahren zur Finanzierung netzfremder und politisch gewollter Themen missbraucht – zum Beispiel für Reservekraftwerke oder Redispatch. Das Netzentgelt ist zudem sozial unreflektiert und damit zur Finanzierung eines so großen gesellschaftlichen Gemeinschaftsprojekts ungeeignet. Eine grundlegende Reform ist unabdingbar. Die netzfremden Kosten müssen raus aus dem Netzentgelt. Es muss wieder stärker an der tatsächlichen Nutzung des Netzes ausgerichtet werden. Dann werden wir auch merken, dass der Eigenkapitalzinssatz nicht das Problem der Netzentgelte ist, aber zum Problem der Energiewende werden kann. Denn der beschleunigte Netzausbau bleibt weiterhin der schnellste Weg, die Kosten der Transformation zu senken. Für diese immensen Investitionen benötigen wir erstens ausreichend Eigenkapital und zweitens den internationalen Kapitalmarkt. Die Bundesnetzagentur hat zwar den Zinssatz für Neuinvestitionen bis 2028 erhöht – allerdings nicht für Bestandsanlagen. Zudem hat sie keine neuen Perspektiven für die Zeit ab 2029 gegeben. Im Gegenteil: Sie hat eher Signale gesendet, dass hier nicht mit Anpassungen zu rechnen ist. Im internationalen Vergleich ist die Eigenkapitalverzinsung nicht wettbewerbsfähig. Andere Länder in Europa bieten für ihre Netzinvestitionen deutlich bessere Renditen. Dass das Kapital zunächst dorthin fließt, ist nur effizient und fair – macht den deutschen Netzausbau am Ende aber teurer. Die neue Bundesregierung wird den energiepolitischen Kompass in diesen Bereichen neu ausrichten müssen, um die Akzeptanz der Energiewende zu erhalten. ■
