So dramatisch sich die Situation nach dem russischen Angriff auf die Ukraine darstellte: Eine Gasmangellage haben wir in Deutschland nicht erlebt. Und auch in Zukunft ist unsere Gasversorgung ohne weitere Terminals für Flüssigerdgas (LNG) gesichert. Viel dramatischer stellt sich die Lage beim Klimaschutz dar. Es gibt weiterhin eine große Klimaziel-Lücke. Die Maßnahmen in den Sektoren Verkehr und Gebäude – letzterer ist für den Großteil unseres Gasverbrauchs verantwortlich – reichen nicht annähernd aus, um diese Lücke zu schließen.
LNG-Überkapazitäten können wir uns nicht leisten
Wir sind unbeschadet durch mehrere Winter gekommen, die drei bereits aktiven LNG-Terminals sind nicht ansatzweise ausgelastet und die Gasspeicher waren auch nach Ende der Heizperiode noch voll. Dennoch sollen auf Basis des LNG-Beschleunigungsgesetzes bis 2030 bis zu neun Terminals mit einer Kapazität von 64 Milliarden Kubikmeter Erdgas errichtet werden. Von einem solchen Tatendrang kann man beim Klimaschutz nur träumen. Mit Pipelines soll sich die Gas-Importkapazität Deutschlands 2030 auf 133 Milliarden Kubikmeter belaufen. Im gleichen Jahr erwartet das Wirtschaftsministerium einen Verbrauch von lediglich 74 Milliarden Kubikmeter. Das Bedürfnis nach einem Sicherheitspuffer ist verständlich. Eine derartige Überkapazität für fossile Energie aufzubauen, schießt aber weit über das Ziel hinaus. Der Naturschutz wird für den LNG-Hype geopfert. Jeder der Terminalstandorte schädigt gleich mehrere Naturschutzgebiete, zum Beispiel durch die Einleitung von Chlor in unmittelbarer Nähe des Nationalparks Wattenmeer. Zudem werden die Terminalanlagen trotz knapper Haushalte mit Steuergeldern in Höhe von mehreren Milliarden Euro subventioniert. Sie werden auch über langfristige Lieferverträge finanziert, die uns bis in die 2040er Jahre an den fossilen Energieträger binden. Ein derartiger fossiler Lock-In ist mit der Klimaneutralität 2045 nicht vereinbar. Wo ist der Sicherheitspuffer für das Klima?
Deutschland importiert das dreckigste Gas, das es kriegen kann
Der LNG-Boom ist nicht nur für Deutschland verheerend. Bei etwa 70 Prozent der deutschen LNG-Importe handelt es sich um US-Fracking-Gas. Der deutsche LNG-Ausbau befeuert also auch die Fracking-Bonanza in den USA. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurden die Fracking-Gebiete dort massiv ausgeweitet und die Exportkapazitäten verdoppelt. Die Umweltschäden, die die Risikotechnologie mit sich bringt, umfassen die Verschmutzung von Wasser und Atemluft sowie extremen Wasserverbrauch in oft schon wasserarmen Gebieten. Deshalb hat sich das Umweltbundesamt 2022 auch klar gegen Schiefergas-Fracking in Deutschland ausgesprochen. Auch die gesundheitlichen Auswirkungen, wie Krebs, Atemwegserkrankungen und Fehlbildungen bei Neugeborenen sind durch zahlreiche Studien belegt. Überproportional häufig sind insbesondere in den USA bereits benachteiligte Bevölkerungsgruppen von der fossilen Verschmutzung betroffen. Die Klimabilanz ist ebenso verheerend. Neue US-Studien belegen, dass die besonders klimaschädlichen Methanemissionen beim Fracken tatsächlich etwa dreimal so hoch sind wie offiziell angegeben. Teils werden in Fracking-Regionen Leckage-Raten von sechs Prozent erreicht. Bei drei Prozent Methanschlupf entlang der Lieferkette ist Erdgas bereits klimaschädlicher als Kohle. Mitnichten handelt es sich bei LNG also um „sauberes“ Gas, das eine Brücke in die klimaneutrale Zukunft bauen kann. Mit LNG richtet Deutschland seine Energiezukunft darauf aus, bis in die 2040er das gesundheits-, umwelt- und klimaschädlichste Gas zu importieren, das es auf dem Weltmarkt zu kaufen gibt.
Klimaschutz geht anders
Diese Politik ist kurzsichtig. Und sie ist unnötig: Der Gasverbrauch sinkt bereits. Wenn wir den Ausbau von Erneuerbaren und Wärmepumpen beschleunigen, sinkt er noch deutlich schneller. Das hat viele Vorteile, nicht zuletzt niedrigere Energiekosten, die Einhaltung der Klimaziele und eine größere geopolitische Unabhängigkeit. Denn wie Putin würde auch ein US-Präsident Trump nicht zögern, die Gasversorgung Deutschlands als politisches Druckmittel zu missbrauchen. Wir brauchen ein Umdenken der Bundesregierung: Deutschland muss endlich Verantwortung für seine fossilen Lieferketten übernehmen und den Erdgasausstieg einleiten. Ein logischer erster Schritt wäre es, den Import von Fracking-LNG zu verbieten. In Deutschland ist Schiefergas-Fracking schon verboten – warum also feuern wir den Einsatz dieser schädlichen Technologie im Ausland an? ■