Dr. Daniel Rubner, Rechtsanwalt/Counsel, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München
Dr. Lutz Pospiech, Rechtsanwalt/Assoziierter Partner/Dipl.-Kfm., GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München
I. Einleitung
Die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie führen weiterhin zu erheblichen Einschränkungen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in Deutschland. Der Bund hat zur Abmilderung dieser Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft eine Vielzahl von Maßnahmen beschlossen und Schutzschirme aufgespannt – unter anderem auch das Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz, WStFG). Dadurch soll eine Sanierung von Unternehmen ermöglicht werden, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind.
Instrumente des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) sind Garantien des Bundes, Rekapitalisierungen und Refinanzierungen zur Krisenbewältigung. Die daraus resultierenden Eingrie in das Gesellschaftsrecht und die Möglichkeiten für GmbHs, sich mit Hilfe des WSF zu rekapitalisieren, sollen im Folgenden überblicksartig dargestellt werden (vgl. zu den Vorschriften im Einzelnen Becker/Heyder/Pandtke, Kommentar zum WStFG, 2021).
II. Aufbau und Zweck des WStFG
Der WSF hat ein Volumen von insgesamt 600 Mrd. €. Davon sind für mögliche staatliche Garantieübernahmen 400 Mrd. € (§ 21 StFG) und für Rekapitalisierungsmaßnahmen 100 Mrd. € (§§ 22, 24 StFG) vorgesehen. Des Weiteren kann der WSF der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Darlehen in Höhe von 100 Mrd. € für die Refinanzierung ihrer COVID-19-Sonderprogramme gewähren (§§ 23, 24 StFG).
Zweck des WSF ist die Stabilisierung von Unternehmen durch (i) die Überwindung von Liquiditätsengpässen und (ii) die Schaung der Rahmenbedingungen für eine Stärkung der Kapitalbasis, wenn eine Bestandsgefährdung dieser Unternehmen erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, die technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt hätte.
Art. 1 WStFG beinhaltet Änderungen des 2008 geschaenen Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (StFG). Durch das StFG wird ein nichtrechtsfähiges Sondervermögen geschaen – der WSF. Dieser richtet sich an Unternehmen der sog. Realwirtschaft (§§ 15 . StFG).
Art. 2 WStFG enthält das neu gefasste Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz – WStBG (bisher Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz). Zentrale Bestandteile des WStBG sind die Erleichterungen für die Beschlussfassung und Durchführung von Kapitalmaßnahmen; dem WSF soll die Möglichkeit erönet werden, sich an Unternehmen der Realwirtschaft zu beteiligen.
1. Beteiligungserwerb durch den WSF
Für einen Beteiligungserwerb durch den WSF kommen Unternehmen in Betracht, die in den letzten beiden bereits bilanziell abgeschlossenen Geschäftsjahren vor dem 1. Januar 2020 mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt haben: (1.) eine Bilanzsumme von mehr als 43 Mio. €, (2.) mehr als 50 Mio. € Umsatzerlöse sowie (3.) mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt (§ 16 Abs. 2 StFG).
Die Beteiligung erfolgt prinzipiell rechtsformunabhängig. Die Vorschriften, die die Rekapitalisierung von Unternehmen mit Hilfe des WSF begünstigen sollen, orientieren sich in erster Linie am Aktienrecht (§§ 7 . WStBG) und ordnen aber eine weitgehend entsprechende Geltung für andere Rechtsformen an, so auch für die GmbH (§ 9a WStBG).
2. Verpflichtungen gegenüber dem WSF
Mit den Stabilisierungsmaßnahmen werden regelmäßig umfangreiche Verpflichtungen der Unternehmen gegenüber dem WSF einhergehen. Hierfür kommen vor allem die folgenden Punkte in Betracht: Aufnahme weiterer Kredite, Mittelverwendung, Untersagung von Dividendenausschüttungen, umfassende Berichtspflichten und Entwicklung einer Ausstiegsstrategie für die Staatsbeteiligung.
III. Inanspruchnahme des WSF durch GmbHs
Das WStBG enthält erhebliche gesellschaftsrechtliche und sonstige Erleichterungen, die die Umsetzung der Rettungsmaßnahmen durch den Staat beschleunigen und rechtssicher gestalten sollen. Gesellschaften, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Schwierigkeiten eine Rekapitalisierung durch den WSF anstreben, können unter vereinfachten Voraussetzungen Kapitalmaßnahmen durchführen, um so einen Einstieg des WSF als Eigenkapitalgeber zu ermöglichen.
1. Kapitalmaßnahmen
In der GmbH bleibt die Gesellschafterversammlung für die reguläre Kapitalerhöhung zuständig, wenn es um Kapitalmaßnahmen geht, durch die ein Beteiligungserwerb seitens des WSF ermöglicht werden soll. Die Vorbereitung und Durchführung der entsprechenden Gesellschafterversammlungen werden jedoch erleichtert und zu diesem Zweck die Rechte der Altgesellschafter eingeschränkt.
Gemäß 9a Abs. 2 WStBG i.V.m. § 2 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Vereins-, Genossenschafts- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie (COVMG) können Gesellschafterbeschlüsse im Umlaufverfahren gefasst werden, auch wenn es an entsprechenden Satzungsbestimmungen fehlt und auch wenn dem Umlaufverfahren nicht alle Gesellschafter zustimmen. Insoweit wird von den strengen Anforderungen des § 48 Abs. 2 GmbHG abgewichen.
Der Gesellschafterbeschluss über eine Kapitalerhöhung, die der Rekapitalisierung durch den WSF dient, bedarf abweichend von § 53 Abs. 2 GmbHG nur der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Abweichende Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag sind unbeachtlich (§ 9a Abs. 1 S. 1, 2 WStBG).
Um den WSF am Stammkapital der Gesellschaft zu beteiligen, bedarf es regelmäßig auch eines Bezugsrechtsausschlusses zu Lasten der Altgesellschafter. Auch der Beschluss über den Bezugsrechtsausschluss bedarf nur einer einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 9a Abs. 1 S. 3 WStBG). Die materielle Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses wird für den Fall, dass dieser der Zulassung des WSF dient, gesetzlich angeordnet. Ausdrücklich wird dies in § 7 Abs. 3 S. 3 WStBG zwar nur für die Aktiengesellschaft geregelt, für die GmbH ergibt sich aber aus der ratio legis dasselbe. Danach ist ein Bezugsrechtsausschluss zur Zulassung des Fonds stets zulässig und angemessen.
2. Genussrechte und Schuldverschreibungen
Genussrechte und nachrangige Schuldverschreibungen können von den Geschäftsführern der GmbH ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung ausgegeben werden, es sei denn, dass die Genussrechte oder Schuldverschreibungen ein Recht zur Wandlung in Geschäftsanteile vorsehen (§ 8 i.V.m. § 9a Abs. 4 WStBG). Besteht in der GmbH ein Aufsichtsrat, so ist dessen Zustimmung einzuholen.
3. Ausschluss von Gesellschaftern
Eine speziell auf die GmbH zugeschnittene Möglichkeit, Refinanzierungen zu erleichtern, enthält § 9a Abs. 3 WStBG. Danach können die Gesellschafter mit einer Mehrheit von drei Viertel der anwesenden Stimmen beschließen, einzelne Gesellschafter aus der Gesellschaft gegen Abfindung auszuschließen, wenn dies für den Erfolg der Stabilisierungsmaßnahme notwendig ist. Die Untergrenze der Abfindung bemisst sich anhand eines durch Sachverständigengutachten ermittelten Unternehmenswertes. Der Ausschluss wird mit Beschlussfassung wirksam.
In der Aktiengesellschaft drohen einem Aktionär bei Vereitelung von Rekapitalisierungsmaßnahmen nur Schadensersatzansprüche (§ 7 Abs. 7 WStBG), und dies auch nur dann, wenn der Aktionär die Absicht hat, sich ungerechtfertigte Vorteile zu verschaen. Im Gegensatz dazu kann ein GmbH-Gesellschafter bereits dann ausgeschlossen werden, wenn dies für den Erfolg der Stabilisierungsmaßnahme erforderlich ist. Angesichts des sehr weitgehenden Wortlauts von § 9a Abs. 3 WStBG wird in der Literatur teilweise vertreten, die Vorschrift sei unter dem Aspekt der Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG) dahingehend einschränkend auszulegen, dass in der Person des auszuschließenden Gesellschafters zumindest ein wichtiger Grund vorliegen muss, der den Ausschluss rechtfertigt. Ist dies der Fall, spricht aber auch nichts dagegen, bei dem auszuschließenden Gesellschafter ein Stimmverbot im Rahmen der Beschlussfassung über seinen Ausschluss anzunehmen.
IV. Jüngste Beispiele
Die mit der Verwaltung des WSF betraute Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH veröentlicht regelmäßig die beschlossenen WSF-Stabilisierungsmaßnahmen. Diese können auf der Internetseite www.deutsche-finanzagentur.de/de/wirtschafts-stabilisierung/ eingesehen werden. Die weitaus meisten Rekapitalisierungsmaßnahmen
betreen GmbHs. Aus Februar und März 2021 sind als
Beispiele zu nennen:
- GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH mit Stabilisierungsmaßnahmen im Volumen von 460 Mio. €,
- Berge & Meer Touristik GmbH (20 Mio. €),
- Trendtours Holding GmbH (23 Mio. €),
- Georgsmarienhütte Holding GmbH (28 Mio. €).
V. Fazit
Der Bund hat mit dem WSF ein schlagkräftiges Instrument geschaen, um Unternehmen, die coronabedingt in die Krise geraten sind, mit einem großvolumigen Rettungsschirm zu stabilisieren. Den Betroffenen wird geraten, die Beteiligungsmöglichkeiten durch den WSF auszuschöpfen. Rekapitalisierungsmaßnahmen nach dem WStFG können bis Ende 2021 in Anspruch genommen werden.