Der Gesellschafterbeschluss bei der Veräußerung nahezu des gesamten Vermögens einer GmbH – bedeutende Fragen weiterhin ungeklärt

I. Einleitung

Bei der Veräußerung beinahe des gesamten Vermögens einer GmbH hat der Geschäftsführer zu beachten, dass er die Verkaufsentscheidung nicht allein treffen darf, sondern grundsätzlich die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen muss. Dies gilt auch dann, wenn der GmbH eine gleichwertige Gegenleistung für das veräußerte Vermögen zufließt. In der Vergangenheit wurde für die Begründung der Zustimmungspflicht und für die Anforderungen an den Zustimmungsbeschluss § 179a AktG analog herangezogen. Danach musste der Gesellschafterbeschluss mit ¾-Mehrheit gefasst und beurkundet werden. Diese Ansicht ist mit der „Januar“-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2019 obsolet geworden. Seitdem ist jedoch unklar, was stattdessen gilt. Nachfolgend befassen wir uns mit noch ungeklärten Folgefragen des „Januar“-Urteils und den Voraussetzungen für rechtssichere Verkäufe von GmbH-Vermögen.

II. Inhalt des § 179a AktG (analog) und frühere Anwendbarkeit auf die GmbH

Nach § 179a I AktG gilt für die AG, dass ein Vertrag, in dem sich die AG verpflichtet, ihr gesamtes Vermögen zu übertragen, unwirksam ist, wenn die HV nicht zugestimmt hat. Der Begriff „Gesamtvermögensgeschäfte“ ist umstritten, erfasst aber auch Geschäfte über Einzelgegenstände, wenn nach der Übertragung nur noch ein unbedeutender Teil bei der verkaufenden GmbH verbleibt.

Aus einer Entscheidung aus dem Jahre 1995 (BGH, NJW 1995, 596) wurde im Schrifttum hergeleitet, dass § 179a AktG auf die GmbH analog anzuwenden sei. Damit hatten die Gesellschafter einen Zustimmungsbeschluss mit einer ¾-Mehrheit zu fassen. Bis zur Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung war der Kaufvertrag schwebend unwirksam. Damit sollten Minderheitenrechte geschützt würden. Ein Geschäftsführer sollte der GmbH – und damit den Gesellschaftern – nicht die Grundlage der wirtschaftlichen Tätigkeit „eigenmächtig“ entziehen können.

Das Erfordernis der notariellen Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses wurde aus § 53 II GmbHG bzw. aus § 311b III BGB hergeleitet. Damit war in der GmbH ein notariell zu beurkundender Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter mit einer ¾-Mehrheit zu fassen. Erst dieser machte das Verkaufsgeschäft wirksam.

III. Entscheidung des BGH vom 8. Januar 2019

Dieser Argumentation hat der BGH in seiner „Januar“-Entscheidung (BGHZ 220, 354) die Grundlage entzogen. Der BGH stellt darauf ab, dass zwischen der GmbH und der AG erhebliche Unterschiede bestehen. So ist der Vorstand einer AG für die Leitung der Gesellschaft unter eigener Verantwortung zuständig (§ 76 AktG). In der GmbH ist die Gesellschafterversammlung oberstes Organ, die Gesellschafter bedürften also nicht noch eines zusätzlichen Schutzes über eine Analogie zu § 179a AktG.

Zwar treffe die Geschäftsführer aus § 49 II GmbHG eine Pflicht, besonders bedeutsame Geschäfte den Gesellschaftern zur Zustimmung vorzulegen, doch habe dies grds. keine Auswirkungen auf das Außenverhältnis. Das Geschäft über die Veräußerung des gesamten Vermögens sei damit im Außenverhältnis wirksam, auch wenn die Gesellschafterversammlung nicht zugestimmt habe.

Eine Ausnahme sei zu machen, wenn ein Missbrauch der Vertretungsmacht vorliege und der schuldrechtliche Vertrag damit von Anfang an unwirksam sei. Ein solcher Missbrauch liege vor, wenn der Geschäftsführer seine Befugnisse im Innenverhältnis verletzt – also den Vertrag nicht zur Zustimmung vorlegt – und der Vertragspartner weiß oder es sich ihm aufdrängen muss, dass der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht überschreitet. Dies setzt kein Handeln zum Nachteil der Gesellschaft voraus.

Der Missbrauch dränge sich nach dem BGH auf, wenn das gesamte Unternehmen als solches übertragen wird, aber auch dann, wenn der zu übertragende Vermögensgegenstand nach den Umständen des Einzelfalles nur nach Rücksprache mit den Gesellschaftern übertragen werden kann. Drängt sich ein solcher Zustimmungsvorbehalt auf, muss der Geschäftspartner ebenso wissen, oder es sich ihm aufdrängen, dass ein Beschluss nicht gefasst wurde. Hierbei kann den Vertragspartner eine Erkundigungsobliegenheit treffen.

IV. Offene Fragen nach dem „Januar“-Urteil

Nach dem „Januar“-Urteil ist jedoch weiterhin offen, was ein „Gesamtvermögensgeschäft“ ist. Hinzu kommt, dass nach dem Abschied von einer analogen Anwendung des § 179a AktG ungeklärt ist, mit welcher Mehrheit und unter welchen Voraussetzungen ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung gefasst werden muss.

1. Inhalt und Grenze des Begriffs „Gesamtvermögensgeschäft“

Weiterhin umstritten ist, welche Kriterien anzuwenden sind, um ein „Gesamtvermögensgeschäft“ zu bestimmen. So wurden schon vor dem „Januar“-Urteil qualitative, quantitative und gemischte Ansätze vertreten. Der BGH hat den Begriff nicht definiert, sondern seinen näheren Inhalt explizit offengelassen. In diesem Zusammenhang ist zur Vorsicht zu raten. Dies auch deshalb, weil ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung unter Umständen auch dann einzuholen ist, wenn die Grenze des Gesamtvermögensgeschäfts im Sinne des § 179a AktG gar nicht erreicht oder überschritten wird, sondern sich die GmbH-interne Zustimmungspflicht aus dem Umstand ergibt, dass (nur) ein besonders bedeutsames Geschäft vorliegt.

2. Beurkundungserfordernis bei engem Unternehmensgegenstand, § 53 II GmbHG

Für die Frage, ob und unter welchen formalen Voraussetzungen ein Zustimmungsbeschluss zu fassen ist, ist zunächst der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand maßgebend. Kann die Gesellschaft nach dem Verkauf des Vermögens(-teils) den Unternehmensgegenstand nicht mehr erfüllen, so kann eine Änderung des Gesellschaftsvertrags notwendig sein. Hat etwa eine Immobiliengesellschaft den Unternehmensgegenstand, ein nunmehr zu verkaufendes Grundstück zu verwalten oder zu entwickeln, wird ihr das nach der Übereignung unmöglich. Die Gesellschafter haben dann mit ¾-Mehrheit den Gesellschaftsvertrag zu ändern (§ 53 II GmbHG), die Gesellschaft zu verschmelzen (§ 13 I UmwG) oder einen Liquidationsbeschluss (§ 60 I Nr. 2 GmbHG) zu fassen. Es bedarf nur im letzten Fall keiner notariellen Beurkundung. Fehlt es an dem erforderlichen Gesellschafterbeschluss, so hat die daraus folgende Satzungsunterschreitung zwar grundsätzlich keine Außenwirkung (§ 37 II 1 GmbHG), doch gelten die o.g. Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht.

3. Beurkundungserfordernis nach § 53 II GmbHG analog?

Häufig werden sich aus der Formulierung des Unternehmensgegenstands aber keine unmittelbaren Erfordernisse ergeben, weil und sofern auch nach Veräußerung nahezu des gesamten Vermögens der Unternehmensgegenstand sachlich unberührt bleibt. Jedenfalls mit Hilfe des der GmbH im Rahmen des Verkaufs zufließenden Gegenwerts kann der Unternehmensgegenstand zumeist weiterhin erfüllt werden. Dies bedeutet aber nicht, dass die Gesellschafterversammlung einem Verkauf nicht zustimmen müsste.

Der BGH hat in seiner „Januar“-Entscheidung klargestellt, dass besonders bedeutsame Geschäfte gem. § 49 II GmbHG den Gesellschaftern zur Zustimmung vorzulegen sind. Zwar hat der BGH der Analogie zu § 179a AktG den Boden entzogen, doch finden sich – in argumentativer Nähe hierzu – auch Stimmen, die bei einem Gesamtvermögensgeschäft § 53 II GmbHG analog anwenden wollen. Dies hätte zur Folge, dass ein notariell zu beurkundender Beschluss mit ¾-Mehrheit zu fassen wäre. Außenwirkung hätte das Fehlen eines solchen Beschlusses indes nur, wenn ein Missbrauch der Vertretungsmacht vorläge.

Gegen diese Ansicht spricht jedoch bereits, dass man damit das vom BGH gerade abgelehnte Ergebnis mit dem Argument erzwingt, dass Gesellschafter-Minderheiten zu schützen wären. Dieses Argument ist dem GmbH-Recht jedoch systemisch eher fremd. Es gilt für die (börsennotierte) AG, in der Kleinstanleger vor Entscheidungen von Hauptaktionären zu schützen sind; jedoch nicht in der GmbH, die meist einen kleineren Gesellschafterkreis hat und bei der die Treupflicht der Gesellschafter im Vordergrund steht. Auch müssen die Gesellschafter vor „eigenmächtigen“ Geschäftsführern nicht in gleicher Weise geschützt werden. Dem Argument der Bedeutung des Beschlusses kann man entgegenhalten, dass auch ein Liquidationsbeschluss (§ 60 I Nr. 2 GmbHG) keiner notariellen Beurkundung bedarf. Bedeutsame Beschlüsse in der GmbH sind nicht immer zu beurkunden. Letztlich ist zu beachten, dass – solange die Grenzziehung beim Gesamtvermögensgeschäft unklar ist – der Rechtsverkehr mit wesentlichen Unsicherheiten belastet wäre. Es sprechen daher gute Gründe dafür, bei bedeutsamen Geschäften – unabhängig davon, ob sie die Grenze des Gesamtvermögensgeschäfts erreichen oder nicht – lediglich einen einfachen Gesellschafterbeschluss zu verlangen, der weder notariell zu beurkunden ist noch einer qualifizierten Mehrheit bedarf und dessen Nichteinholung grds. auch keine Außenwirkung hat.

4. Vorsorgliche Beurkundung des Gesellschafterbeschlusses?

Angesichts der Uneinigkeit, mit der die Literatur auf das „Januar“-Urteil des BGH reagiert hat, bleiben jedoch Unsicherheiten bestehen. Dies gilt nicht nur für die veräußernde GmbH und ihre Geschäftsführer, sondern auch für den Käufer. Besonders hervorzuheben ist dabei die „Nachforschungsobliegenheit“ im Rahmen des Missbrauchs der Vertretungsmacht. Bei bedeutsamen Geschäften sollte, unabhängig davon, ob die Grenze des Gesamtvermögensgeschäfts erreicht ist, zumindest ein schriftlich dokumentierter Beschluss von den Gesellschaftern gefasst werden. Ist die Grenze des Gesamtvermögensgeschäfts überschritten (oder ist dies zumindest nicht auszuschließen), dürfte es bis zur höchstrichterlichen Klärung im Zweifel ratsam sein, – trotz zusätzlicher Kosten – einen notariell beurkundeten Gesellschafterbeschluss mit ¾-Mehrheit über den Vertrag fassen zu lassen (jüngst OLG Celle, NZG 2022, 26).

V. Haftung der beteiligten Geschäftsführer

Sind das Zustimmungserfordernis der Gesellschafterversammlung und/oder ggf. bestehende Mehrheits- und Formerfordernisse nicht beachtet worden, stellt sich die Frage nach der Haftung der Geschäftsleiter – sowohl bei der verkaufenden GmbH als auch u.U. beim Käufer.

1. Haftung des Geschäftsführers der verkaufenden GmbH

Eine Haftung des Geschäftsführers der verkaufenden GmbH als Vertreter ohne Vertretungsmacht auf Erfüllung oder Schadensersatz gegenüber dem Käufer im Außenverhältnis gem. § 179 I BGB scheidet schon deshalb aus, weil (i) der Vertrag wirksam ist und der Geschäftsführer dann nicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht auftrat oder (ii) der Vertragspartner den Missbrauch kannte oder kennen musste (§ 179 III BGB), nur dann wäre der Vertrag unwirksam. Ein Geschäftsführer kann damit nicht selbst als Vertreter ohne Vertretungsmacht auf Erfüllung des Vertrages oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gegenüber dem Käufer haften.

Im Rahmen der Geschäftsführerhaftung als Innenhaftung gegenüber der GmbH (§ 43 II GmbHG) ist zu beachten, dass es sich beim Verstoß gegen die Vorlagepflicht aus § 49 II GmbH um eine Legalitätspflichtverletzung handelt. Ein Ersatzanspruch der GmbH gegenüber dem Geschäftsführer kommt aber nur in Betracht, wenn die Gesellschaft durch das Geschäft einen Schaden erlitten hat. Hat der Geschäftsführer die Zustimmung eingeholt, scheidet eine Haftung grundsätzlich aus.

2. Haftung des Geschäftsführers der Käuferin

Ist die Käuferin ihrerseits eine GmbH, haftet ihr Geschäftsführer nur dann im Innenverhältnis aus § 43 II GmbHG, wenn der Vertrag wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht (auf Seiten der Verkäuferin) unwirksam ist und der Geschäftsführer (der Käuferin) die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes verletzt hat. Von einer solchen Sorgfaltspflichtverletzung wird im Zweifel auszugehen sein, weil und sofern der Geschäftsführer der Käuferin den Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafterversammlung der Verkäuferin kannte oder kennen musste und den Vertrag mit der Verkäuferin trotz Fehlen eines solchen Beschlusses abgeschlossen hat.

Auch hier scheidet eine Ersatzpflicht jedoch aus, wenn der kaufenden GmbH kein Schaden entstanden ist. Insbesondere kann die Käuferin einen hypothetischen Vermögenszuwachs aus dem (unwirksamen) Kaufvertrag nicht geltend machen; es handelt sich um eine bloße Gewinnerwartung.

VI. Fazit

Nach dem „Januar“-Urteil des BGH gilt § 179a AktG nicht mehr für die GmbH. Ein Geschäftsführer muss jedoch weiterhin für besonders bedeutsame Geschäfte die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einholen. Unter Umständen ist ein satzungsändernder Beschluss erforderlich. Regelmäßig wird sich der Zustimmungsvorbehalt aber aus § 49 II GmbHG ergeben. In diesem Fall ist nach hier vertretener Auffassung ein Beschluss mit einfacher Mehrheit und ohne Beurkundung ausreichend. Angesichts der bestehenden Unsicherheiten ist die rechtssichere Variante zu erwägen, einen notariell beurkundeten Beschluss mit ¾-Mehrheit zu fassen – jedenfalls dann, wenn es naheliegt, dass die Grenze des Gesamtvermögensgeschäfts überschritten ist.