Rechtliche und taktische Erwägungen für Geschäftsführer und Gesellschaft
1. Grundsätze des fehlerhaften Geschäftsführeranstellungsvertrages
Soll ein neuer Geschäftsführer in einer GmbH beschäftigt werden, so bedarf es einer strikten Trennung zwischen seiner organschaftlichen Bestellung und seiner dienstvertraglichen Anstellung. Sowohl organschaftliche Bestellung als auch dienstvertragliche Anstellung bedürfen im Rahmen der internen Willensbildung eines gesonderten Beschlusses des personalkompetenten Organs, in der Regel somit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung oder im Einzelfall – wenn das Recht zur Be- und Anstellung von Geschäftsführern aufgrund des MitbestG oder aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen dem Aufsichtsrat oder einem Beirat übertragen wurde – eines Beschlusses dieses Gremiums. Der Vollzug der internen Willensbildung nach außen, insbesondere durch Unterzeichnung des Geschäftsführeranstellungsvertrages, kann zwar einem Mitglied des personalkompetenten Organs oder einem Dritten übertragen werden. Auch dies bedarf aber eines gesonderten Beschlusses durch das Gesamtorgan, durch den die zum Vollzug des Beschlusses vorgesehene Person entsprechend ermächtigt wird.
In der Praxis kommt es insoweit immer wieder zu formalen Versäumnissen. Häufig ist den handelnden Personen die Unterscheidung zwischen Bestellung zum Geschäftsführer und Anstellung des Geschäftsführers nicht bekannt. Da die Eintragung des Geschäftsführers im Handelsregister nur Ersteres erfordert, wird bei der Anstellung des Geschäftsführers oftmals nicht die erforderliche Sorgfalt angewandt. Insbesondere kommt es immer wieder dazu, dass der Geschäftsführeranstellungsvertrag auf Seiten der Gesellschaft nur durch den Mehrheits- oder den „treibenden Gesellschafter“ unterzeichnet wird, ohne dass die anderen Gesellschafter sich mit den Einzelheiten des Vertrages hinreichend vertraut gemacht haben, geschweige denn den handelnden Gesellschafter durch einen entsprechenden Beschluss konkret zum Abschluss des Vertrages ermächtigt haben. In all diesen Fällen ist die Wirksamkeit des Geschäftsführeranstellungsvertrages zumindest angreifbar. Wenn anstatt der Gesellschafterversammlung ein Aufsichtsrat oder ein Beirat die Personalkompetenz gegenüber der Geschäftsführung in der jeweiligen GmbH besitzt, ist das Fehlen eines Beschlusses des Gesamtgremiums betreffend die Zustimmung zum konkret in Rede stehenden Anstellungsvertrag in der Praxis sogar noch häufiger zu beobachten.
Zum Schwur kommt es sodann meistens in der konkreten Trennungssituation. Bei der Frage, ob sich die Gesellschaft von einem ihr unliebsam gewordenen Geschäftsführer trennen kann, wird die (anwaltlich beratene) Gesellschaft in der Regel auf die mögliche Fehlerhaftigkeit des Vertrages aufmerksam werden und kann sich diese im Rahmen der Trennung zu Nutze machen. Denn ein unwirksamer Geschäftsführeranstellungsvertrag ist zwar unter Heranziehung der Grundsätze des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit als wirksam zu behandeln, beide Seiten können sich von diesem aber für die Zukunft jederzeit und ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes lossagen und den Geschäftsführeranstellungsvertrag damit mit sofortiger Wirkung auflösen. Fest vereinbarte Vertragslaufzeiten laufen dementsprechend ebenso ins Leere wie der Grundsatz, dass es für eine fristlose Kündigung eines wichtigen Grundes bedarf.
Hiermit konfrontierte Geschäftsführer wittern in dieser Situation eine „schreiende Ungerechtigkeit“, weil der Vertretungsmangel der Gesellschaft doch nicht zu ihren Lasten gehen könne und der Vertrag zumindest faktisch gelebt wurde. Die höchstrichterliche Rechtsprechung steht der Anerkennung bzw. Heilung fehlerhaft zu Stande gekommener Verträge indes (häufig zu Recht) kritisch gegenüber. Insbesondere müssen neben dem Ablauf eines bestimmten Zeitrahmens (Zeitmoment) weitere vertrauensbegründende Umstände durch das personalkompetente Organ hinzutreten (sog. Umstandsmoment), wie z.B. Gehaltserhöhungen oder andere Maßnahmen, die das Vertrauen des Geschäftsführers auf die Rechtsbeständigkeit des Vertrages gestärkt haben.
Praxistipp: Prüfen Sie als Geschäftsführer, ob Ihr eigener Anstellungsvertrag durch die „richtigen“ Vertreter der Gesellschaft unterzeichnet wurde bzw. lassen Sie sich gegebenenfalls den Beschluss vorlegen, durch den das personalkompetente Organ dem Abschluss ihres Anstellungsvertrages zugestimmt hat.
2. Handlungsoptionen und Einzelfragen bei Vorliegen eines fehlerhaften Anstellungsvertrages
Steht die Fehlerhaftigkeit des Geschäftsführeranstellungsvertrages erst einmal im Raum, stellen sich auf Seiten des betroffenen Geschäftsführers ebenso wie auf Seiten der Gesellschaft – die im GmbH-Konzern in der Regel durch die Mutter-GmbH vertreten wird, für die wiederum die Geschäftsführung der Mutter- GmbH in vertretungsberechtigter Zahl entscheidet – eine Vielzahl von rechtlichen und taktischen Einzelfragen, die mitunter noch nicht höchstrichterlich geklärt sind.
2.1 Umgang auf Seiten des betroffenen Geschäftsführers
Der betroffene Geschäftsführer wird sich in einem Kündigungsrechtsstreit naturgemäß gegen die von der Gesellschaft behauptete Fehlerhaftigkeit des Anstellungsvertrages zur Wehr setzen. Soweit der Geschäftsführer nicht über konkrete Informationen zur Beschlusslage verfügt, wird er zumindest die Person, die den streitgegenständlichen Geschäftsführeranstellungsvertrag unterzeichnet hat, als Zeugen benennen.
Zusätzlich wird der Geschäftsführer den Druck auf die Gesellschaft dadurch erhöhen können, dass er der für die Gesellschaft bei Vertragsunterzeichnung handelnden Person den Streit verkündet. Die Streitverkündung ist dabei die Kehrseite des von der Gesellschaft vorgebrachten Einwands der Fehlerhaftigkeit des Vertrages. Denn wenn der Anstellungsvertrag infolge eines Vertretungsmangels auf Gesellschaftsseite nicht ordnungsgemäß zu Stande gekommen ist und sich die Gesellschaft somit jederzeit vom Vertrag lossagen kann, bestehen zumindest Anhaltspunkte für eine Haftung des Gesellschaftsvertreters als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 179 BGB, die in einem Zweitprozess gegen den Gesellschaftsvertreter geltend gemacht werden müssen.
Praxistipp: Falls Sie sich als Geschäftsführer dem Einwand eines fehlerhaften Anstellungsvertrages ausgesetzt sehen, dürfte sich in der Regel eine Streitverkündung gegenüber demjenigen anbieten, der den Anstellungsvertrag für die Gesellschaft unterzeichnet hat, damit dieser an die Entscheidungen aus dem Erstprozess gegen die Gesellschaft im Wesentlichen gebunden ist.
Für den Geschäftsführer steht trotz der Wirkungen der Streitverkündung auch im Erstprozess gegen die Gesellschaft noch viel auf dem Spiel. Denn inwieweit er sich nach möglichem Unterliegen im Erstprozess in einem Zweitprozess beim Streitverkündeten gemäß § 179 BGB schadlos halten kann, ist noch nicht verlässlich geklärt. Wird der Streitverkündete im Zweitprozess – wovon im Regelfall auszugehen ist – darlegen können, dass er keine positive Kenntnis vom Fehlen der Vertretungsmacht hatte und fest davon ausging, dass er im Sinne des personalkompetenten Organs gehandelt habe, begrenzt sich die Haftung des Organvertreters gem. § 179 Abs. 2 BGB grundsätzlich auf das sog. negative Interesse.
Nach dem negativen Interesse wäre der Geschäftsführer aber nur so zu stellen, wie er stünde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Anstellungsvertrages vertraut hätte. Daher wären nur solche Schäden zu ersetzen, die entstanden sind, weil der betroffene Geschäftsführer im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Anstellungsvertrages ein anderes Vertragsangebot ausgeschlagen oder sein letztes Vertragsverhältnis gekündigt hat (z.B. höhere Vergütung oder betriebliche Altersversorgung). Nicht ersatzfähig hingegen wäre die durch die sofortige Lossagung entgangene Vergütung bei der beklagten Gesellschaft.
Ferner sieht sich der betroffene Geschäftsführer möglicherweise selbst dem Einwand ausgesetzt, er habe als Geschäftsführer erkennen müssen, dass es an einem Organbeschluss hinsichtlich seiner Anstellung fehle. Immerhin ist der Geschäftsführer gesetzlich verpflichtet, die Bücher der Gesellschaft zu führen sowie Gesellschafterbeschlüsse vorzubereiten und zu dokumentieren. Wenn dem Geschäftsführer insoweit eine grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen ist, scheidet eine Haftung des Streitverkündeten im Zweitprozess nach § 179 Abs. 3 BGB aus.
Schließlich scheidet eine Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht für die entgangene Vergütung gegenüber der Gesellschaft auch aus, wenn der Anstellungsvertrag noch aus anderen Gründen unwirksam ist. Denn dann ist die mögliche eigenmächtige Unterzeichnung des Streitverkündeten nicht kausal für etwaige Schäden. All dies birgt erhebliche Unsicherheiten für den Geschäftsführer.
2.2 Umgang auf Seiten der Gesellschaft
Für die trennungswillige Gesellschaft hat das Berufen auf den fehlerhaften Anstellungsvertrag auf den ersten Blick nur Vorteile. Liegt eine Fehlerhaftigkeit vor, so muss im Falle einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung die Kündigungsfrist nicht eingehalten werden und im Falle einer beabsichtigten fristlosen Kündigung bedarf es nicht der – sonst erforderlichen – schwierigen Darlegung einer Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung infolge eines wichtigen Grundes.
Auf den zweiten Blick können sich aber auch ebenso zu berücksichtigende Nachteile ergeben. Ist die bei der Unterzeichnung des Anstellungsvertrages handelnde Person weiterhin Gesellschafter bzw. im Amt (z.B. Aufsichtsrats- oder Beiratsvorsitzender), sieht diese Person sich einem Interessenkonflikt ausgesetzt. Denn den vorbeschriebenen Vorteilen für die Gesellschaft steht – wie oben aufgezeigt – eine mögliche Haftung dieser Person als Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 BGB gegenüber.
Auch wenn der Vertreter ohne Vertretungsmacht nicht mehr im Amt ist, mag sich der amtierende Aufsichtsrat oder Beirat schwer damit tun, ihren ehemaligen Kollegen (häufig gar den Vorsitzenden) in die Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme zu bringen.
Soweit eine D&O-Versicherung besteht, dürfte diese Gefahr allerdings deutlich vermindert sein. Zwar wurde die Frage der Deckung einer Haftung nach § 179 BGB in der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – noch nicht konkret für eine D&OVersicherung entschieden, das Tatbestandsmerkmal der Inanspruchnahme auf Schadensersatz auf Grund gesetzlicher Haftungsbestimmungen findet sich jedoch auch in allgemeinen Versicherungsbedingungen für Haftpflichtversicherungen. Hier hat der BGH bereits 1971 entschieden, dass § 179 BGB die Voraussetzungen an eine gesetzliche Haftpflichtbestimmung erfüllt.
Dessen ungeachtet verbleiben nicht unerhebliche Unsicherheiten für die Gesellschaft. Denn das amtierende oder ehemalige Organmitglied, das sich dem Vorwurf einer Vertretung ohne Vertretungsmacht im Kündigungsrechtsstreit zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft ausgesetzt sieht, wird im Wege der Streitverkündung grundsätzlich auf Seiten des Geschäftsführers beitreten und im Rahmen einer Beweisaufnahme möglicherweise argumentieren wollen, dass der erforderliche Beschluss mündlich gefasst worden sei, um seiner persönlichen Haftung zu entgehen. Auch hier werden – nicht zuletzt in Anbetracht von Verschwiegenheits- und Treuepflichten des ehemaligen Vertreters der Gesellschaft – verschiedene Interessenkollisionen offensichtlich, bei denen die Gesellschaft jedenfalls im Ergebnis nicht „gut aussieht“.
Selbst wenn die Gesellschaft versuchen sollte, eine entsprechende Aussage zu verhindern, indem es diesen an seinen Verschwiegenheitspflichten festhält, ist schon umstritten, ob sich die Verschwiegenheitspflicht und das damit korrespondierende Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs.1 Nr. 6 ZPO auch auf eigene Handlungen des Zeugen erstreckt. Aber selbst wenn man dies annähme und die Gesellschaft eine Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht nicht erteilt, kann das Gericht dies im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO frei würdigen und die fehlende Befreiung nach den Grundsätzen zur Beweisvereitelung auch zu Lasten der Gesellschaft auslegen.
Die vorstehenden Probleme und Interessenkonflikte zeigen, dass im Falle eines möglicherweise fehlerhaften Anstellungsvertrages auch aus Sicht der Gesellschaft nicht schematisch vorgegangen werden kann, sondern die Vor- und Nachteile anhand des konkreten Sachverhaltes sorgfältig abgewogen werden müssen. Insgesamt drohen beim Umgang mit einem möglicherweise fehlerhaften Geschäftsführeranstellungsvertrag daher verschiedene Fallstricke für beide Seiten, die es zu beachten gilt.