Der Esel und die Entgeltumwandlung

Der § 1a des BetrAVG nach Reform durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz erinnert mich an eine arabische Geschichte, die ich im beruflichen Kontext erfuhr:

Ein Vater reitet auf einem Esel. Neben ihm läuft sein kleiner Sohn. Ein Passant ruft empört: „Schaut euch den an. Der lässt seinen kleinen Jungen neben dem Esel herlaufen“. Der Vater steigt ab und setzt seinen Sohn auf den Esel. Kaum sind sie ein paar Schritte gegangen ruft ein anderer: „Nun schaut euch die beiden an. Der Sohn sitzt wie ein Pascha auf dem Esel und der alte Mann muss laufen“. Nun setzt sich der Vater zu seinem Sohn auf den Esel. Doch nach ein paar Schritten ruft ein anderer empört: „ Jetzt schaut euch die Beiden an. So eine Tierquälerei, zu zweit auf diesem armen Esel zu sitzen“. Also steigen beide ab und laufen neben dem Esel her. Doch sogleich sagt ein anderer belustigt: „Wie kann man nur so blöd sein. Wozu habt ihr einen Esel, wenn ihr ihn nicht nutzt.“

Der durch die Reform geschaffene § 1a Abs. 1a BetrAVG n.F. schreibt vor, dass der Arbeitgeber 15% des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung weiterleiten soll, soweit er durch die  Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart. Diese Formulierung lässt den Anwender ratlos zurück, denn hier sind mehrere Variante ableitbar, wie man es nun umsetzen soll und es geht – immerhin – um viel Geld und um die Absicherung der Mitarbeitenden in ihrem Rentenalter:

  • Es könnte die exakte SV-Ersparnis gemeint sein (Vater reitet allein auf dem Esel)
  • Oder aber die exakte SV-Ersparnis, begrenzt auf maximal 15% (sogenannte „spitze“ Abrechnung, dabei gibt es noch die monatliche und die jährliche Berechnung („schwäbisch“ oder „hanseatisch“) – (Vater und Sohn reiten gemeinsam auf dem Esel)
  • Oder aber es ist gemeint, dass der Zuschuss pauschal gezahlt wird in Höhe von 15% auf den Umwandlungsbetrag unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung West (Sohn reitet allein auf dem Esel)
  • Oder – schlußendlich auch noch denkbar – es ist der pauschale Zuschuss in Höhe von 15% auf alle Umwandlungsbeträge gemeint (Vater und Sohn gehen neben dem Esel her)

Getreu der Geschichte vom Esel wären alle Wege falsch, wenn man nur den richtigen (oder  falschen) Gesprächspartner erwischt. Um sich daher ein eigenes Bild zu machen und den Weg zu finden, den das Unternehmen gehen möchte, ist meines Erachtens unabhängig von vielen Meinungen die wirtschaftliche Betrachtung in Relation zum bestehenden Zuschusssystem  notwendig, wobei es auf die Besonderheiten der Rahmenbedingungen in dem Unternehmen, der Branche und der schon vorhandenen Produktwelt zur betrieblichen Altersversorgung sowie nicht zuletzt der Kultur des Unternehmens ankommt.

Vor dem Hintergrund des Bestands des Unternehmens, der voraussichtlichen Höhe der Entgeltumwandlungen der Höhe der Gehälter sowie letztendlich der Kosten der Administration in diesen Varianten, stellten wir fest, dass alle Wege, die von der Berücksichtigung der exakten SV-Ersparnis, begrenzt auf maximal 15%, monatlich berücksichtigt („schwäbisch spitze  Abrechnung“) abwichen, Mehraufwendungen von mindestens 400T € ausmachten, damit rund 2,6% des Umwandlungsbetrags. Davon waren die – aufgrund hoher Durchdringung hoch angesetzten – Mehrausgaben in der Administration schon abgezogen worden.

Diese Ersparnisse sollten meines Erachtens auf anderem Wege zielgerichtet für die Mitarbeitenden investiert und nicht durch Unschärfen aufgezehrt werden. Mit einem scharfen Profil wird eine gezielte Absicherung gefördert und damit aus meiner Sicht am ehesten die beste Lösung im individuellen Fall gefunden, auch wenn dies nur einen Weg des Transports mit dem Esel darstellt. Bedauerlich ist, dass erst die Gerichtsbarkeit Auskunft darüber geben kann, ob die durch die Unternehmen gefundenen Lösungen in jedem Szenario gangbar sein werden. Ich wünsche mir, dass zukünftig ein solches Dilemma schon im Gesetzgebungsverfahren ausgeschlossen wird, da eine Reform ansonsten auch eine gegenteilige Wirkung erzielen kann.

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Dieser Artikel ist im aktuellen Handelsblatt Journal „Betriebliche Altersversorgung und Kapitalanlage“ erschienen.

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