Das neue Hinweisgeberschutzgesetz – Haftungsgefahren und D&O-Versicherungsschutz

Am 02.07.2023 tritt endlich das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen
(Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG) in Kraft, nachdem es am 02.06.2023 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde.

Der Gesetzgeber bezweckt mit dem HinSchG vor allem den gesetzlichen Rechtschutz für alle hinweisgebenden Personen; den Vertrauensschutz durch diskrete Behandlung der Identität und der Meldung hinweisgebender Personen; den Schutz von ungerechtfertigten Benachteiligungen wie Kündigung, Abmahnung, Verbot, Versagung einer Beförderung oder Mobbing; die Einrichtung von internen und externen Meldestellen, an die sich die Hinweisgebenden wenden können, um Rechtsschutz erhalten zu können sowie zur Vermeidung von Haftungsansprüchen und Imageschäden für Unternehmen und Behörden.

Der nachfolgende Beitrag fasst in der gebotenen Kürze die Haftungsgefahren für GmbH-Geschäftsführer* durch das HinSchG zusammen. Im Anschluss wird die Reichweite des D&O-Versicherungsschutzes dargestellt.

1. Eckpfeiler des HinSchG

1.1 Anwendbarkeit für GmbH´s

GmbH´s zwischen 50 und 249 Beschäftigte haben aufgrund der Übergangsregelung in § 42 Absatz 1 HinSchG bis zum 17.12.2023 Zeit, eine interne Meldestelle einzurichten.

GmbH´s ab 250 Beschäftigte müssen ab Inkrafttreten des HinSchG, also ab dem 02.07.2023 eine interne Meldestelle implementieren. Dies gilt gemäß §§ 12 Absatz 3, 42 Absatz 1 HinSchG auch für bestimmte Branchen unabhängig von Ihrer Beschäftigtenzahl wie zum Beispiel für Finanzdienstleistungsunternehmen.

Falls diese internen Meldestellen zu spät eingerichtet werden, drohen der Gesellschaft Bußgelder von bis zu EUR 20.000. Dies gilt aber erst ab dem 01.12.2023, da die Bußgeldvorschrift erst am 01.12.2023 in Kraft tritt, § 42 Absatz 2 in Verbindung mit § 40 Absatz 2 Nr. 2 HinSchG.

1.2 Wen schützt das Gesetz?

Nach § 1 HinSchG werden alle hinweisgebenden Personen erfasst, wenn sich der angezeigte Verstoß auf den Arbeitgeber oder eine andere Stelle bezieht, mit der die hinweisgebende Person beruflich in Kontakt steht bzw. stand.

Darunter fallen ebenfalls Selbständige, Anteilseigner, Kunden und Lieferanten. Auch Hinweisgeber:innen, deren Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet wurde oder noch nicht angefangen hat und sie sich in einem vorvertraglichen Stadium befindet, werden vom Gesetz geschützt. Darüber hinaus werden auch solche Personen geschützt, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind.

1.3 Welche Meldungen werden geschützt?

Nicht jede Meldung über die Verletzung einer Rechtsvorschrift wird durch das HinSchG geschützt. § 2 HinSchG regelt einen weiten Schutzbereich. Darunter fallen unter anderem Verstöße gegen das Strafgesetzbuch oder Ordnungswidrigkeiten, wenn die verletzte Norm dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder Ihrer Vertretungsorgane dient. Zum Schutzbereich zählen auch Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der EU, die zum Beispiel Vorgaben für den Umweltschutz enthalten.

2. Haftungsgefahren

 2.1 Schadensersatzpflicht bei Repressalie gegenüber Whistleblower

Wird ein Hinweisgeber nach einer Meldung oder Offenlegung im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit, welche in den Schutzbereich von § 2 HinSchG fällt, benachteiligt, so wird gemäß § 36 Abs. 1 HinSchG vermutet, dass diese Benachteiligung eine verbotene Repressalie darstellt. Diese Vermutung greift aber nur, wenn die betroffene Person selbst geltend macht, eine Benachteiligung aufgrund der Offenlegung erlitten zu haben. In so einem Fall trägt die GmbH als Arbeitgeber, der die hinweisgebende Person (angeblich) benachteiligt, die Beweislast dafür, dass die Benachteiligung nicht wegen der Meldung oder Offenlegung erfolgte, sondern auf hinreichend anderen gerechtfertigten Gründen beruht.

Kann die GmbH den fehlenden Zusammenhang nicht nachweisen, liegt ein Verstoß gegen das „Repressalien-Verbot“ vor. Der hinweisgebenden Person ist dann nach § 37 Absatz 1 HinSchG der durch die Repressalie entstandene Schaden zu ersetzen. Es besteht anders als noch im Entwurf vorgesehen kein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz durch angemessene Entschädigung in Geld. Gemäß § 37 Absatz 2 besteht auch kein Anspruch auf die Begründung eines Vertragsverhältnisses, zum Beispiel eines Arbeits- oder Berufsausbildungverhältnisses oder auf Beförderung.

2.2 Bußgeld bei Verstoß gegen HinSchG

Verstöße gegen das HinSchG sind zum Beispiel das Behindern von Meldungen, das Ergreifen von Repressalien oder Verstöße gegen den Schutz der Vertraulichkeit der Identität hinweisgebender Personen. Verstöße sind gemäß § 40 HinSchG Ordnungswidrigkeiten und können mit einer Geldbuße von bis zu EUR 50.000,- geahndet werden.

Der Bußgeldrahmen bis zu 50.000 Euro gilt jedoch nur für die Unternehmensverantwortlichen. Für die GmbH selbst als juristische Person kann sich in bestimmten Konstellationen im Zusammenhang mit der Verhinderung einer Meldung oder bei einem Verstoß gegen das Vertraulichkeitsgebot der Bußgeldrahmen aufgrund des Verweises auf § 30 Absatz 2 Satz 3 OWiG verzehnfachen und somit bis zu 500.000 Euro betragen!

2.3 Erhöhte Haftungsgefahr durch Meldung selbst

Die Möglichkeit der geschützten Meldung birgt zusätzliche Haftungsgefahren für die GmbH. Auch wenn bei einem Verstoß gegen das HinSchG selbst ein vergleichsweise geringer Bußgeldrahmen vorgesehen ist, drohen GmbH´s und ihren Geschäftsführern je nach inhaltlicher Brisanz einer Meldung existenzgefährdende Vermögensschäden.

Zum Beispiel können durch eine Meldung die Datenschutzgrundverordnung oder das Lieferkettengesetz betroffen sein. § 83 Absatz 5 DSGVO sieht bei besonders gravierenden Verstößen einen Bußgeldrahmen bis zu 20 Mio. Euro vor oder 4 % des weltweiten Jahresumsatzes; je nachdem, welches höher ist. Die kontrovers diskutierte Frage, ob für die Unternehmensgeldbuße ein fahrlässiges Verhalten einer Leitungsperson notwendig ist, wurde dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung im Vorabentscheidungsverfahren vorgelegt (KG, Beschluss vom 06.12.2021 – 3 Ws 250/21) und nach aktuellem Kenntnisstand noch nicht entschieden.

Auch durch Reputationsschäden können bei Unternehmen hohe Vermögensschäden entstehen.

3. Persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers

Gemäß § 43 Absatz 2 GmbH haften Geschäftsführer ihrer Gesellschaft für den schuldhaft verursachten Schaden mit ihrem gesamten Privatvermögen der Höhe nach unbegrenzt. Es genügt grundsätzlich leichte Fahrlässigkeit. Die Haftung ist darüber hinaus gesamtschuldnerisch, das heißt, dass GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich auch für eine kleine Unachtsamkeit ihres Geschäftsführer-Kollegen haften.

Wird die GmbH zu einer Schadensersatzzahlung verurteilt oder wird ein Bußgeld verhängt, kann sie den dafür verantwortlichen Geschäftsführer gemäß § 43 Absatz 2 GmbHG in Regress nehmen. Die Frage, ob der Regress einer Unternehmensgeldbuße gegenüber dem Unternehmensleiter überhaupt zulässig ist, hatte das Bundesarbeitsgericht im Fall von Thyssenkrupp offengelassen. Damit wird bis auf weiteres der Regress einer Unternehmensgeldbuße als zulässig erachtet.

Auch für Reputationsschäden kann die GmbH ihren Geschäftsführer in Regress nehmen.

4. Reichweite des D&O-Versicherungsschutzes

Bei der D&O-Versicherung, auch Managerhaftpflicht-Versicherung genannt, handelt es sich um eine spezielle Berufshaftpflicht-Versicherung für GmbH-Geschäftsführer. Zweck der D&O-Versicherung ist es, Geschäftsführer aufgrund ihrer gesetzlichen umfassenden Haftung vor der Privatinsolvenz zu schützen. Sie dient der Absicherung von Großschäden und enthält eine Abwehr- sowie eine Ausgleichszahlungsfunktion. Jeder Geschäftsführer sollte sich daher mit der Frage der optimalen Absicherung über eine D&O-Versicherung persönlich beschäftigen. Da die D&O-Versicherungsbedingungen (AVB) sehr unterschiedlich ausgestaltet sind und es keine einheitlichen Bedingungen gibt, sollten sich Geschäftsführer bereits vor dem Abschluss einer D&O von Experten beraten lassen. Dies gilt erst recht für die Regulierung im Schadenfall.

Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist grundsätzlich der Eintritt des Versicherungsfalls. Dieser tritt in der D&O ein, wenn der Geschäftsführer von der GmbH als Versicherungsnehmerin oder einem außenstehenden Dritten auf Schadensersatz wegen eines (angeblich) schuldhaft verursachten Vermögensschadens in Anspruch genommen wird. Die D&O unterliegt also dem sog. Anspruchserhebungsprinzip.

Ist die GmbH verpflichtet, Schadensersatz zu leisten und nimmt dafür ihren Geschäftsführer wegen einer Pflichtverletzung in Regress, liegt in der Regel ein typischer D&O-Versicherungsfall vor, soweit sonst keine Ausschlüsse greifen wie z.B. wissentliche Pflichtverletzung. Wichtig ist auch, dass die D&O grundsätzlich nur Vermögensschäden absichert. Vor allem die Klausel zum Vermögensschadenbegriff wird eine große Rolle spielen, da Vermögensschäden die unmittelbare Folge von Schadensersatz für Personen- oder Umweltschäden sein können. Je weiter die Klausel den Vermögensschaden definiert, umso besser für den Versicherungsschutz.

In einigen AVB´s wird ausdrücklich geregelt, dass auch Versicherungsschutz besteht, wenn die GmbH als Versicherungsnehmerin eine gegen sie verhängte Unternehmensgeldbuße von ihrem Geschäftsführer zurückfordert. Sollte keine entsprechende klarstellende Regelung in den AVB´s vorhanden sein, sollte man sich als GmbH-Geschäftsführer rein vorsorglich vom Versicherer bestätigen lassen, dass in so einem Fall Versicherungsschutz besteht.

Streng vom Regress einer Unternehmensgeldbuße zu unterscheiden ist die Verhängung einer persönlichen Geldbuße gegenüber dem Geschäftsführer. Hierfür besteht kein Versicherungsschutz! Einige Versicherer gewähren zumindest Abwehrkosten, aber nicht alle.

Ebenfalls sind in der Regel Schadensersatzforderungen der GmbH gegen ihren Geschäftsführer wegen kausaler Reputationsschäden versichert, soweit man diese nachweislich beziffern kann.

Auch wenn die D&O-Versicherung viel kann, darf nicht vergessen werden, dass sie primär der Regulierung von Großschäden dient und die Deckungssumme nicht auf Nebenschauplätzen reduziert oder sogar verbraucht werden sollte. Eine Strafrechtsschutzversicherung sollte stets als sinnvolle und wichtige Ergänzung neben der D&O-Versicherung bestehen.

5. Zusammenfassung:

Das Hinweisgeberschutzgesetz führt zu einer Vielzahl neuer Haftungsgefahren für GmbH-Geschäftsführer. Der Verstoß gegen das HinSchG selbst kann in bestimmten Konstellationen mit Bußgeldern bis zu EUR 500.000,- sanktioniert werden. Je nach dem, welchen Inhalt die Meldung hat, können auch Verstöße gegen andere Gesetze bzw. Verordnungen offengelegt werden, die unter anderem zu noch höheren Geldbußen und/oder zu existenzbedrohlichen Vermögensschäden für die GmbH führen können. Für Unternehmensgeldbußen können GmbH´s ihre Geschäftsführer bereits für leicht fahrlässige Pflichtverletzung in Regress nehmen. Hierfür besteht grundsätzlich D&O-Versicherungsschutz. Dies gilt nicht bei einer persönlichen Geldbuße des Geschäftsführers. Je nach Ausgestaltung der AVB´s übernehmen aber einige Versicherer zumindest die Abwehrkosten gegen einen Bußgeldbescheid.

Weil die D&O-Versicherung die Absicherung des Geschäftsführers für Großschäden bezweckt, sollte stets eine Strafrechtsschutzversicherung als optimale Ergänzung neben einer D&O-Versicherung bestehen.

*Mit Geschäftsführer sind zugleich auch Geschäftsführerinnen gemeint.